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Artikel „Tucher, Endres“ von Ernst Mummenhoff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 764–765, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tucher,_Endres&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 07:02 Uhr UTC)
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Tucher: Endres T., Sohn des Endres T. am Milchmarkt und der Margaretha, einer geborenen Baumgartner, geboren am 5. April 1423, vermählte sich am 4. Mai 1446 mit der Adelheid Gundlach von Bamberg, kam an Stelle seines Oheims Berthold T. als alter Genannter 1454 in den Rath und ward 1461 zum Baumeister der Stadt ernannt. Mit Zustimmung seiner Gemahlin, die ihm keine Leibeserben geschenkt hatte, trat er 1476 in den Karthäuserorden ein und starb in demselben als Conversbruder am 14. April 1507. Endres T. ist als Verfasser des nach ihm benannten Baumeisterbuchs der Stadt Nürnberg, einer amts-, local- und culturgeschichtlich bemerkenswerthen Aufzeichnung, die er 1464–1470 verfaßte und mit Nachträgen bis zum Jahr 1475 versah, hier zu erwähnen. Der Baumeister der Stadt Nürnberg war nicht etwa ein Architekt, der die Bauten der Stadt als solcher leitete, sondern ein Verwaltungsbeamter, der, an der Spitze des Amtes stehend, die Oberaufsicht führte, den Connex zwischen Amt und Rath aufrecht erhielt, Rechnung führte und Rechnung legte und dem Rath in allen Dingen verantwortlich war. Unter den Amtsbereich des Baumeisters fiel die Aufsicht über die sämmtlichen städtischen Gebäude, Mauern und Thürme, Straßen, Brücken, Brunnen und den Fischbach, sowie der Landwehr um die Stadt, die Instandhaltung derselben, die oberste Controlle der in Angriff genommenen Bauten, die Beaufsichtigung der Werkleute, Stadthandwerker und Arbeiter, die Sorge für die Beschaffung des Baumaterials, die Ueberwachung der städtischen Steinbrüche Reuhelberg und Kornberg, des Feuerlöschwesens, sowie der Vorkehrungen bei Ueberschwemmungen. Auch die Sorge für die Säuberung der Stadt bei besonderen Festlichkeiten, zumal zum Fronleichnamsfest und für den Tag der Heilthumsweisung, die Instandsetzung der kaiserlichen Burg für die Ankunft des Kaisers gehörte zu seinen Amtsobliegenheiten. Ferner lag ihm die Erhaltung von Wegen und Stegen vor der Stadt und der Brücklein über den Fischbach ob. Auch auf die Verschönerung der den Volksbelustigungen dienenden öffentlichen Plätze richtete der Baumeister, wie uns Endres Tucher’s Aufzeichnung darthut, seine Aufmerksamkeit. Schon einer seiner Vorgänger im Amt, Paulus Vorchtel, hatte 1441 Linden auf der Hellerwiese setzen lassen. T. pflanzte dann im J. 1468 auf verschiedenen Plätzen in und außerhalb der Stadt im ganzen 132 Linden an. Auch sonst gibt er noch mancherlei Mittheilungen über Rechte der Stadt, Urkundenabschriften u. a., das für den Localhistoriker von hohem Werthe erscheint. Culturhistorisch Bemerkenswerthes findet sich an manchen Stellen. Der Bericht über das Mahl der Sulzfische, das er nach altem Brauch am h. Christabend den Werkmeistern und Werkleuten ins Haus sandte, bildet einen anziehenden und ergötzlichen Beitrag zur Culturgeschichte. Es wird darin, wie allerdings auch schon im Baumeisterbuch seines zweiten Vorgängers im Amt, Lutz Steinlinger, die Zubereitung des für unseren Gaumen wol wenig schmackhaften Gerichts auf das [765] eingehendste geschildert. Nach altem Brauch verehrte der Baumeister den Werkmeistern und dem Anschicker auf der Peunt (Anordner im Bauamt) noch am Johannisabend jedem ein Viertel guten Meth und am Martinstag ein Viertel guten Frankenwein, dem er am St. Martinstag auf eigene Kosten für jeden noch eine Gans beifügte. An Weihnachten schenkte er ihnen einen Weck, wie er auch wol zu Walburgis jedem der Nachtmeister einen Kreuzkäse verehrte. Und so ließe sich noch Anderes anführen. Was er uns über die Verhältnisse der Arbeiter, über Arbeitszeit und Lohn und die Art der Auslohnung, ferner über das Badegeld der Handwerker, die Steigung der Preise aller Lebensbedürfnisse mittheilt, erscheint von besonderer Wichtigkeit und zeigt ihn uns als den sorgsamen und denkenden Beamten, der Alles beobachtet und in Acht nimmt und nicht nur für sich selbst, sondern auch für das Ganze und für die Zukunft, für seine Nachfolger im Amt besorgt ist.

Neben der schon erwähnten Aufzeichnung des Lutz Steinlinger ist Tucher’s Bericht der einzige, der uns über die Organisation eines der wichtigsten Aemter der Reichsstadt Nürnberg überliefert ist. Aber er gewährt uns einen tieferen Einblick in die ganze Einrichtung, zeigt uns mehr das Amt in seiner Function als die dürftige Beschreibung Lutz Steinlinger’s, wenn er sich auch wiederholt auf diese stützt. Es lagen ihm indeß noch andere Quellen vor. Zunächst Aufzeichnungen wie jene des Berthold T. (1416–1451 im Rath) über die Gräben um die Stadt, sowie die Bücher, die der Baumeister Hans Graser (1441–1452) hinterlassen hatte, ferner Rathsverlässe, Dienstverträge, Bestallungseide u. a. Dazu kam dann die mündliche Ueberlieferung, die ihm besonders in dem langerfahrenen Schaffer und Anschicker auf der Peunt, Konrad Gürtler, der 27 Jahre im Amt war und unter vier Baumeistern gedient hatte, treu zur Seite stand, sowie die eigene Erfahrung. So konnte denn Endres T. auf Grund dieser Quellen eine wohlgeordnete, klare und eingehende Schilderung des Baumeisteramts und seiner Befugnisse zu Stande bringen und ihr noch so manches Wissenswerthe beifügen, das mit dem Amte in engerer oder loserer Beziehung stand. Wer aber heute die Aemterorganisation der alten Reichsstadt und insbesondere die innere Einrichtung des Baumeisteramts erkennen will, der wird auch auf Endres T. als eine der wichtigsten Quellen zurückgehen müssen.

Rathsbuch der Reichsstadt Nürnberg. – Endres Tucher’s Baumeisterbuch der Stadt Nürnberg (1464–1475). Mit einer Einleitung und fachlichen Anmerkungen von F. Weech hrsg. durch M. Lexer. (64. Publication des litt. Vereins zu Stuttgart.) – Lutz Steinlinger’s Baumeisterbuch v. J. 1452, hrsg. von E. Mummenhoff im 2. Heft der Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg. – Tucher’sches Geschlechtsbuch im Freih. v. Tucher’schen Archiv zu Nürnberg, verfaßt von dem Rathsconsulenten Christoph Scheurl.