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Artikel „Toke, Heinrich“ von Karl Janicke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 411–412, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Tocke,_Heinrich&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 14:34 Uhr UTC)
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Toke: Heinrich T., Dr. theol., Domherr zu Magdeburg, stammte aus einer angesehenen Bremer Bürgerfamilie und ist wol um 1390 geboren. Er studirte seit 1406 in Erfurt, wurde 1411 Magister, 1418 Doctor und Professor der Theologie daselbst und folgte 1419 einem Rufe an die neu begründete Universität Rostock, deren Rector er 1424 wurde. Bald darauf berief Erzbischof Günther von Magdeburg ihn als Magister der Theologie und Lector an die Domkirche nach Magdeburg; als solcher war er auch Domprediger und Domherr. Außer seinen nicht wenigen erhaltenen Reden, theologischen und philosophischen Schriften haben wir ein Werk- und Citatenbuch von ihm, das eine wichtige Quelle für die Kenntniß und Würdigung von seinem Geistesleben ist. Wenn T. auch auf dem Boden der alten Kirche steht, so finden sich doch in seinen Schriften gewisse Anklänge an die Lehren der Reformatoren. Für die vielfachen Schäden der damaligen Kirche hat er ein offenes Auge. Er ist bewandert in der Bibel, für das Fasten ist er nur in bedingter Weise. Der Mißbrauch des Ablasses verletzt ihn. Er findet, daß die alten Kirchenlehrer niemals vom Ablaß gesprochen haben, daher erscheint ihm seine Berechtigung zweifelhaft. Die Kirche ist ihm der sichtbare Christus. Da die Kirche ganz besonders sichtbar ist in einem allgemeinen Concil, so ist ihm das Concil die höchste irdische Autorität, das Concil steht über dem Papst, ein allgemeines Concil kann nicht irren. Der Papst ist ein Sohn der Kirche, folglich muß er der Kirche gehorchen. Die Schäden der römischen Curie erkennt er sehr wol, in Rom selbst sei der Heerd aller Verkehrtheiten zu suchen, die das Christenthum entstellen. Von den Mönchsgelübden hat er gegen die Armuth seine Bedenken; er findet, daß sie keinen Werth hat, wenn sie nicht im evangelischen Sinne aufgefaßt wird; auch spricht er sich gegen das freiwillige Betteln aus. Der Erzbischof Günther hatte ihm auch die Reformation der Klöster übertragen, die er aber, da Streitigkeiten zwischen diesem und der Stadt Magdeburg ausgebrochen waren, noch nicht durchführen konnte. Die vielfachen Schäden der Bettelordenklöster kannte T. sehr wol. Gegen den Mißbrauch, der mit Wundern getrieben wurde, trat er schon damals auf.

Im J. 1431 wurden ihm von Bremen Anerbietungen gemacht, nach seiner Vaterstadt als Lector am dortigen Dom zurückzukehren. Aber vorläufig führten diese Verhandlungen zu keinem Resultate, T. empfing vielmehr um diese Zeit von Erzbischof Günther den Auftrag, als sein Legat nach Basel zum Concil zu gehen. Ueber Erfurt, wo er einige Zeit blieb, begab sich T. Anfang 1432 nach Basel. Kaum hier angekommen, wurde er dazu ausersehen, mit einer Gesandtschaft des Concils nach Böhmen zu gehen. Die Böhmen sollten veranlaßt werden, das Concil zu beschicken. Toke’s Gewandtheit namentlich gelang es, die Böhmen zu bestimmen, am Concil theilzunehmen. Als die Verhandlungen mit ihnen auf dem Concil zu scheitern drohten, entschloß man sich, eine kleinere Zahl von Concilsmitgliedern zu beauftragen, mit ihnen weiter zu verhandeln. Dazu wählte man auch T. Die Böhmen verließen aber das Concil, und dieses sandte eine neue Legation nach Böhmen, an der T. auch theilnahm. Auch dieses Mal war T. wieder die hervorragendste Persönlichkeit. Die Böhmen versprachen, unter gewissen Bedingungen und in der Hoffnung, daß ihre Artikel, namentlich die Gewährung des Kelches an die Laien, vom Concil anerkannt würden, [412] aufs neue Gesandte nach Basel zu schicken. Am 2. Aug. 1433 kehrte die Gesandtschaft nach Basel zurück. Wenige Wochen später ging wieder eine Gesandtschaft des Concils nach Prag zu weiteren Verhandlungen ab, zu der auch T. gehörte. Das Resultat dieser Legation waren die Prager Compactaten vom 30. November 1433. Die Gesandten blieben bis Anfang Januar 1434 in Böhmen und kehrten dann nach Basel zurück, wo sie am 15. Februar über ihre Thätigkeit referirten. T. hat auf dem Baseler Concil seine Wirksamkeit wesentlich der böhmischen Frage zugewendet. Ende 1434 oder Anfang 1435 scheint er das Concil verlassen zu haben.

Um diese Zeit waren auch die Schwierigkeiten, welche früher seiner Uebersiedelung nach Bremen entgegenstanden, beseitigt. T. wurde der erste Magister an der dortigen Domkirche. Ueber seine amtliche Thätigkeit in Bremen liegen indessen fast keine Nachrichten vor. Im J. 1440 ist er bereits wieder in Magdeburg; wir wissen nicht, welche Gründe ihn zum Aufgeben seines Amtes in Bremen veranlaßt haben. In Magdeburg beschäftigte ihn namentlich die Reformation der Klöster, vor allem aber seine Betheiligung an dem Kampfe Magdeburgs gegen das Wilsnacker Wunderblut. Als der Papst sich 1453 wesentlich zu Gunsten des heiligen Blutes und seines Cultus entschieden und beiden Theilen Frieden geboten hatte, gab T. den Kampf auf. Wenige Jahre später wird er gestorben sein.

S. E. Breest, Dr. Heinrich Toke, Domherr zu Magdeburg, in den Magdeburger Geschichtsblättern XVIII, 43–72 und 97–145.