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Artikel „Thomas I., Bischof von Breslau“ von Colmar Grünhagen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 38 (1894), S. 67–69, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Thomas_I.&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 14:19 Uhr UTC)
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Thomas I., Bischof von Breslau 1232–1268, ein Kirchenfürst, der an zahlreichen Kirchen- und Klöstergründungen in Schlesien einen bedeutungsvollen Antheil hat, vor allem aber auch an der Besiedlung des Landes durch Deutsche, und allerdings auch an den damit im Zusammenhange stehenden langwierigen und schweren Zehntstreitigkeiten. Wir dürfen annehmen, daß er in Schlesien geboren ist, wenn er gleich aus einem alten polnischen Adelsgeschlechte stammte. Seine Wahl zum Bischofe muß vor dem 31. October 1232, wo er uns urkundlich als electus begegnet, erfolgt sein. (Den traditionellen Wahltag, 15. August, auf die Autorität des polnischen Chronisten Dlugosch hin anzunehmen, scheint nach sonstigen Erfahrungen bedenklich.) Unter seiner Regierung und unter seiner Mitwirkung erhielt Oberschlesien die ansehnlichen Collegiatstifter Oppeln und Rauden, im Stifte Camenz ersetzte er die Augustiner durch Cistercienser. Zahlreiche Ueberweisungen von Zehnten an Klöster und Kirchen sind von ihm urkundlich beglaubigt. Den Chor der Breslauer Domkirche hat er bauen lassen. [68] Die Ansiedlung der Deutschen in Schlesien wurde durch ihn eifrig gefördert, wie zahlreiche Urkunden über Aussetzungen von Städten und Dörfern zu deutschem Rechte bezeugen, und solche Urkunden sind auch aus seiner späteren Regierungszeit erhalten, wo er bereits inbetreff der Zehntforderungen in Conflicte mit den deutschen Ansiedlern gekommen war. Diese Streitigkeiten hatten eigentlich bereits unter Thomas’ Vorgänger begonnen, insofern die deutschen Colonisten von Neubruchländereien, der Sitte ihrer Heimath entsprechend, den Zehnten weigerten und sich auch sonst die in Polen übliche Form der Zehnterhebung, bei der die Kirche gleich bei der Ernte die zehnte Garbe für sich in Anspruch nahm, nicht gefallen lassen wollten. Auch die Frage, in wie weit die dem Bischofe als Grundherrn zustehenden Lande von der Gewalt der Landesherren eximirt seien, ward in hohem Maaße strittig. Bischof Th. trat in diesen Streitigkeiten entschieden für die Rechte der Kirche ein, und Herzog Heinrich der Bärtige starb 1238 seiner zahlreichen frommen Stiftungen ohnerachtet im Banne. Aber auch sein Sohn Heinrich II. hielt unbeschadet seiner sonstigen Frömmigkeit die Politik seines Vaters den kirchlichen Gewalten gegenüber aufrecht, und Bischof Th. durfte in den Jahren 1238/39 gar nicht mehr wagen, das eigentliche Neiße-Ottmachauer Kirchenland zu betreten und mußte zufrieden sein, in dem nördlichen Winkel Schlesiens eine sichere Zuflucht zu finden. Die Bemühungen der päpstlichen Legaten änderten an der Lage der Dinge so wenig etwas wie die Ermahnungen, welche Papst Gregor IX. 1238 an den jungen Herzog richtete. Da kam der Mongoleneinfall von 1241 dazwischen, der einen großen Theil von Schlesien mit allen Greueln der Verwüstung füllte. Herzog Heinrich II. fand im Kampfe gegen die Mongolen am 9. April 1241 den Tod. Als seine Söhne, die sich in das ansehnliche Land theilten, mündig geworden, begannen die Streitigkeiten von neuem, und wenn der zweite der Söhne, Heinrich (III.), sich in hohem Grade mild und nachgiebig zeigte, so war dagegen der älteste, Herzog Boleslaw von Liegnitz, von rücksichtslosen Maßregeln gegen die Kirche und ihre Diener weder durch Ermahnungen noch durch geistliche Strafen zurückzuhalten. Die Gegensätze verschärften sich noch, als in einer 1248 zu Breslau durch den päpstlichen Legaten Jakob, Archidiakon von Lüttich, abgehaltenen Synode die Erhebung des vollen Garbenzehntens als Sitte des Landes für das ganze Gebiet des Gnesener Erzbisthums, unter das ja auch Breslau gehörte, festgesetzt und jede Ablösung des Zehntens als unzulässig bezeichnet, auch ebenda die Forderung des Peterspfennigs, der im deutschen Reiche unbekannt, in Polen aber üblich war, aufs neue erhoben ward, während die deutschen Einwanderer auf Grund ihrer Privilegien, welche sie von allen Lasten des polnischen Rechtes befreiten, diese Zahlung weigerten. Der hartnäckige Widerstand des Bischofs reizte endlich Herzog Boleslaw so, daß er am 2. October 1256 Th. in Gorkau am Zobten, wo derselbe zum Zwecke einer Kirchenweihe sich aufhielt, des Nachts überfallen ließ. Die rohen Kriegsknechte rissen den greisen Kirchenfürsten aus seinem Bette, hoben den unzulänglich bekleideten auf ein Roß und führten ihn, dem die Gebrechen des Alters das Reiten zur Qual machten, nebst zwei Begleitern, Breslauer Domherrn, zunächst nach der Burg Lähnhaus am Bober, dann von einer Burg zur andern und endlich nach Liegnitz, wo alle drei in einem Thurme des Schlosses in Haft gehalten wurden, deren Härte sich nur noch steigerte, als über Boleslaw und seine Lande Bann und Interdict verhängt wurden. Um den Peinigungen zu entgehen, verstand sich nach sechsmonatlicher Haft der Bischof dazu Lösegeld zu zahlen und für seine ganze Diöcese die Ablösbarkeit des Zehntens, je einen Vierdung (1/4 Mark) für die Hufe, zuzugestehen, ohne erst den Erfolg der vom Papst beschlossenen Kreuzpredigt gegen Boleslaw abzuwarten. Um es nicht zu einem landverwüstenden Kriege, den die [69] Erbitterung der übrigen polnischen Bischöfe zu entzünden beflissen war, kommen zu lassen, vermittelten die beiden Brüder Boleslaw’s, die Herzöge von Breslau und Glogau, Heinrich III. und Konrad, einen Vergleich, der für Bischof Th. eine Summe Geldes und gewisse Exemtionen für die bischöflichen Unterthanen festsetzte, und auch Boleslaw mußte sich schließlich zu dessen Anerkennung und der Bitte um Lösung vom Banne bequemen (1262), wenn er gleich die Zahlung der dem Bischofe versprochenen Geldsumme thatsächlich seinem gutmüthigen Bruder Heinrich überlassen hat. Die Hauptsache war, daß die Ablösbarkeit des Zehntens, wenngleich an vielen Orten statt des Vierdungs ein Malter Getreide von der Hufe verlangt ward, für die Breslauer Diöcese festgehalten wurde, und dies Resultat hat eine gewisse nationale Bedeutung.

Bischof Th. hat seine Eigenschaft als Suffragan des polnischen Erzbisthums bei vielen Gelegenheiten bethätigt. Er hat unter diesen den ersten Rang gegenüber dem Bischofe von Krakau beansprucht, hat an allen Synoden des Gnesener Erzsprengels theilgenommen sowie an der Kanonisation des polnischen Nationalheiligen Bischof Stanislaw (1254), hat wiederholt bei Streitigkeiten polnischer Fürsten die Rolle eines Vermittlers gespielt, aber dann doch schließlich sich dazu verstanden, im Gegensatz zu allen andern Suffraganen des Gnesener Erzbisthums, eine Ablösbarkeit des Zehntens für den ganzen Breslauer Sprengel zuzugestehen und dadurch die hier durch die Germanisation des Landes geschaffenen besonderen Verhältnisse gleichsam anzuerkennen. Da damals die oberschlesischen Herzöge sich noch gar nicht als schlesische Herzöge ansahen und bezeichneten, hatte diese Zusammenfassung der zum Breslauer Bisthum gehörenden Landestheile eine erhöhte Bedeutung, und daß man das auf polnischer Seite wohl empfunden hat, zeigt der Ausspruch des polnischen Chronisten Dlugosch, welcher von jener Begebenheit schreibt: „Es war dies das erstmalige Schisma, durch welches sich die Herzöge und Barone Schlesiens von dem Körper des polnischen Reiches zu scheiden und unter gewaltthätiger Abstellung der alten Satzungen ihre Absichten ins Werk zu setzen begannen.“

Nachdem Bischof Thomas I. noch 1267 die Kanonisation der schlesischen Herzogin Hedwig durch Papst Clemens IV. erlebt hatte, starb er hochbejahrt 1268 in der Nacht zum 31. Mai.

Das chronikalische wie urkundliche Material zusammengestellt in Grünhagen’s Regesten zur schles. Geschichte. Cod. dipl. Siles. VII, 1 u. 2.