ADB:Tetzel, Gabriel
*): Gabriel T., einer angesehenen, wohlhabenden und rathsfähigen Nürnberger Familie entsprossen, nahm 1465–67 von Gräfenberg aus an der Jakobsfahrt des böhmischen Edelherrn Leo v. Rozmital auf dessen Bitten hin theil, trat 1469 in die Zahl der 26 Bürgermeister von Nürnberg, erscheint demgemäß 1470 in einer kaiserlichen Urkunde hinter Nik. Groß als Repräsentant der Stadtverwaltung, wurde 1475 zum Söldnermeister ernannt, am 25. December 1477 zum älteren Herren des Raths gewählt, übernahm zugleich das Amt eines Zeugmeisters und die Function eines Pflegers beim Kloster St. Egidien, wurde 1479 Waidamtmann und starb am 23. November 1479. Weitere Daten über sein Leben festzustellen, muß der Nürnberger Localforschung überlassen bleiben. Hier interessirt T. lediglich durch die Beschreibung, [789] die wahrscheinlich er, wol mit Hülfe kurzer Notizen, aus nicht mehr sicherem Gedächtniß von jener Reise durch Deutschland, England, Frankreich, Spanien und Italien, dem großen Ereigniß seines Lebens, in einfacher deutscher Prosa gegeben hat. Diese Beschreibung trägt im Gegensatz zu der officieller gehaltenen des Böhmen Schaschek durchaus einen privaten Charakter. Der Erzähler berichtet mit harmloser Erinnerungsfreude von all den merkwürdigen Dingen, den Reliquien und Schätzen, Bauten und Bildwerken, seltsamen Ländern und Thieren, die er damals gesehen, von den Abenteuern, Festen, Spielen, Tänzen und Turnieren, die er erlebt, von den Höfen und Potentaten, Kirchen und Klöstern, die er mit besucht, von den wundersamen Geschichten, die er gehört hat. Was für Zwecke sein Herr eigentlich auf seiner Reise verfolgt habe, kümmert ihn wenig: er hat mit offnen, verwunderten Augen um sich geblickt und erzählt mit kunstlosestem Behagen. Wie begreiflich, treten die Gefahren und Entbehrungen in besonders gloriose Beleuchtung: die aufregenden Seereisen, z. B. ein Ueberfall durch englische Schiffe im Canal, nehmen bei ihm viel romantischere Gestalt an als bei Schaschek; zumal aber die bösen Leute und schändlichen Gebirge in Spanien und Portugal regen sein Schildertalent zu hübschen, wenn auch naiv grellen Culturbilderchen an. Nicht vergißt er zu melden, ob man den Deutschen Feind oder Freund gewesen sei; kein Kloster rühmt er so, wie das strenge zu Guadelupe, dessen Vorsteher ein Deutscher ist, und die Vorliebe für die Deutschen, die er bei den braunen Weibern von Burgos constatirt, stimmt ihn sichtlich wohlwollender gegen diese. Auf schöne Frauen gibt er gerne acht, wie er sich denn durchweg als heiteres, gesundes Weltkind offenbart, dem die kostbarste Reliquie im Grunde ebenso sehr Curiosität ist wie die Zibetkatzen des Königs von Portugal. Die Schnitzer und Ungenauigkeiten seiner Darstellung machen sie weit unzuverlässiger als die saubrere Relation Schaschek’s: dafür spricht aus Tetzel’s Erzählung viel mehr das frische und stolze Erstaunen des naiven Beobachters, an dem die glänzenden Höfe und seltsamen Länder wie Märchenbilder vorüberziehen. Diese durchschimmernde Lebhaftigkeit der Auffassung macht auch die ungeschickt stolpernde und oft recht eintönige Darstellung erträglicher.
Tetzel- Des böhmischen Herrn Leos von Rozmital Ritter, Hof- und Pilgerreise, hsg. von Schmeller (Bibliothek des Stuttg. litter. Vereins VII, Stuttg. 1844). – Mittheilungen aus dem städtischen Archive zu Nürnberg, die ich der Güte der Herren Oberbürgermeister Schuh und Archivar Mummenhoff verdanke.
[788] *) Zu S. 605.