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Artikel „Suter, Joseph“ von Johannes Dierauer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 198–200, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Suter,_Joseph&oldid=- (Version vom 16. Dezember 2024, 08:32 Uhr UTC)
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Suter: Anton Joseph („Seppli“) S., Landammann von Appenzell-Inner-Roden, geboren am 20. Juli 1720, † am 19. März 1784. S. stammte aus einer angesehenen Familie des Landes Appenzell. Ueber seine Jugendzeit ist nichts bekannt geworden. Er genoß auf alle Fälle nur der einfachsten Schulbildung, hatte aber viel natürlichen Verstand, die Gabe witziger Unterhaltung und „ein gefällig aufgeräumtes Wesen“. Bei solchen Eigenschaften wurde er als Wirth im Bade Gonten (westlich von Appenzell) ein in weitern Kreisen populärer Mann. Fast einstimmig wählte ihn die Landsgemeinde im J. 1760, als die Reihenfolge wieder einmal an Appenzell-Inner-Roden kam, zum Landvogt in der gemeineidgenössischen Herrschaft Rheintal. Es geschah mit Uebergehung des in öffentlichen Geschäften erfahrneren, aber vornehm stolzen Landammanns Johann Jakob Geiger, der die einträgliche Stelle als Belohnung für seine dem Lande seit längerer Zeit geleisteten Dienste zu erhalten gehofft hatte und seinem glücklichen, von rasch erworbener Volksgunst getragenen Rivalen diesen Erfolg niemals verzeihen konnte. Als Landvogt führte S. ein mildes Regiment. Wol im Gefühle unzureichender Kenntnisse scheute er sich beinahe, seine Autorität zur Geltung zu bringen; bei sorglosem Aufwand war er weit entfernt, sich zu bereichern. Nach seiner Rückkehr, 1762, wurde er regierender Landammann und erhielt sich, abwechselnd mit Geiger, acht Jahre lang in dieser Stellung. Er galt als Vorsteher der kleinen Bauernschaft gegenüber der Geigerschen Herrenpartei, und man erfährt, daß er den Haß der letztern mehrte, als er [199] ihrem selbstsüchtigen Anspruch, bei Fallimenten die landesfremden Gläubiger auszuschließen, mit Festigkeit entgegentrat. Immerhin bezeichneten diese Jahre die Periode seines höchsten Glücks und Ansehens. Da begann er, sei es in der Hoffnung, den bleibenden Dank der Menge zu erwerben, sei es, um seinen erschütterten häuslichen Angelegenheiten aufzuhelfen, 1769 einen Streit mit der rheintalischen Gemeinde Oberriet, die seit Jahrhunderten die Alp Sämtis auf appenzellischem Territorium als unbestrittenes Eigenthum besaß. Nach durchaus willkürlicher Interpretation der Urkunden und gewaltsamer Anwendung des Zugrechtes nahm er schließlich (März 1775), übrigens in vollem Einverständniß mit dem Landrath, die Alp gegen die eigenmächtig angesetzte Auslösung von 6000 Gulden in Besitz. Dieses Vorgehen führte sein Verderben herbei. Die eidgenössische Tagsatzung trat mit großem Nachdruck für die beraubte Gemeinde ein und machte durch einen Spruch vom 26. Juli 1775 den einseitig abgeschlossenen Handel rückgängig. Sofort erhoben sich nun die Gegner Suter’s, um sich an ihm zu rächen. Sie entschlugen sich jeder Verantwortlichkeit und schoben alle Schuld an dem für das Land nicht eben ehrenvollen Ausgang des Processes auf ihn. Sie ließen ihn die Kosten tragen, entsetzten ihn förmlich seiner Aemter, confiscirten sein Vermögen und verurtheilten ihn während seiner Abwesenheit auf einer Wallfahrt in maßlos hervorbrechender Leidenschaft, ohne Vorladung und Verhör, als einen Rebellen und Friedensstörer zu 101jähriger Verbannung aus der Schweiz (15. Sept.). Durch ein Schreckensregiment unterdrückten sie jeden Widerspruch seiner Freunde und jeden Versuch zu seiner Rehabilitation. Völlig verarmt hielt sich S. in den folgenden Jahren mit seiner Familie in Konstanz auf und bemühte sich vergeblich um sicheres Geleit und unparteiische Untersuchung der gegen ihn aufgeworfenen Klagen. Er konnte sich nicht enthalten, bisweilen das Gebiet von Appenzell-Außer-Roden zu betreten, obgleich ein hoher Preis auf seine Einlieferung gesetzt war. Da verleitete zu Anfang des Jahres 1784 der Gastwirth Buff im Dorfe Wald eine ältere Tochter Suter’s, ihn, den Vater, zu einem Besuche einzuladen, und lockte ihn dann auf innerrodisches Gebiet (7. Februar). Hier wurde er festgenommen, auf einen Schlitten gebunden und in strenger Kälte über Altstätten nach Appenzell geführt, um dort der blinden Rache seiner Feinde anheimzufallen. Sie beschuldigten ihn ohne jeden genügenden Beweis, einen bewaffneten Ueberfall geplant zu haben, ließen ihn auf barbarische Weise foltern und sprachen ihm das Leben ab, nachdem er stillschweigend zugestanden hatte, was man von ihm wissen wollte. Noch am gleichen Tage, 19. März, wurde er mit dem Schwerte hingerichtet. – Das Ereigniß rief in der ganzen Schweiz große Aufregung hervor. S. war nicht ganz frei von persönlicher Verschuldung. Sein rasches, im Grunde unverdientes Emporkommen hatte ihn übermüthig gemacht und zu Handlungen verleitet, die das Land in eine peinliche Lage brachten. Aber die über ihn verhängte Todesstrafe war kläglich begründet und stand außer allem Verhältniß zu seiner Schuld. Er starb als das Opfer des Familienhasses, der Parteiwuth und der höchst ungenügend entwickelten Rechtsverhältnisse. In dem „Suter-Handel“ spiegelt sich die Entartung des politischen Lebens der schweizerischen Demokratien im 18. Jahrhundert. Eine im J. 1829 auf Verlangen der Nachkommen und Verwandten Suter’s durchgeführte Revision der Procedur stellte sein ehrenvolles Andenken wieder her.

Siehe: Monnard, Geschichte d. Eidgenossen während d. 18. und d. ersten Decennien d. 19. Jahrhunderts, II. Theil (Zürich 1848), S. 440 ff. mit der dort angeführten Quellenlitteratur. Außerdem ist zu vergleichen: Eidgenössische Abschiede VII, 2, S. 748; Hardegger und Wartmann, Der Hof Kriessern (St. Gallische Gemeindearchive I, 1878), S. 252 ff. und Dierauer, Müller-Friedberg [200] (St. Gallen 1884), S. 22. Der 1884 in Trogen anonym erschienenen kleinen Schrift: „Landammann Suter. Criminalgeschichte aus Appenzell-Innerroden“ ist ein Bildniß Suter’s nach einem Oelgemälde der Gemeindebibliothek Trogen vom J. 1769 beigegeben.