ADB:Stürmer, Bartholomäus Graf von

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Artikel „Stürmer, Bartholomäus Graf von“ von Hanns Schlitter in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 48–49, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:St%C3%BCrmer,_Bartholom%C3%A4us_Graf_von&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 14:20 Uhr UTC)
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Stürmer: Bartholomäus Graf v. St. wurde als der Sohn des Internuntius Ignaz Lorenz Freiherrn v. St. am 26. December 1787 zu Constantinopel geboren. Noch im zartesten Kindesalter kam er nach Wien. Hier oblag er in der orientalischen Akademie mit dem größten Eifer dem Studium des diplomatischen Berufes, für welchen ihn sein Vater bestimmt hatte. Am 7. October 1806 wurde er nach Constantinopel geschickt, im J. 1811 aber der österreichischen Botschaft in St. Petersburg als Legationscommis zugetheilt. 1812 und 1813 begleitete er als Wirklicher Legationssecretär den Fürsten Schwarzenberg nach Galizien und wohnte als solcher im J. 1814 dem Congresse zu Chatillon bei. Nach dem Pariser Frieden wurde St. zum Legationssecretär in Florenz ernannt, nachdem er sich vorher mit Ermance Katharina Freiin v. Boutet, der Tochter eines Beamten im französischen Kriegsministerium, vermählt hatte. Als nach der Gefangennahme Napoleon’s die Höfe von Oesterreich, Rußland und Preußen im dritten Artikel der Convention vom 2. August 1815 für sich das Recht in Anspruch nahmen, Commissäre nach dem zum Aufenthalt Napoleon’s bestimmten Orte zu entsenden, ernannte ihn Kaiser Franz I. am 25. August desselben Jahres zum Commissär auf St. Helena. Er wurde angewiesen, „sich mit eigenen Augen“ von der Anwesenheit Napoleon’s zu überzeugen und darüber ein Protocoll aufzunehmen, welches von ihm und seinen Collegen unterzeichnet, und, von dem Gouverneur der Insel, Sir Hudson Lowe contrasignirt, jeden Monat nach Wien gesendet werden sollte. Weiters erging an ihn der ausdrückliche Befehl, mit größter Sorgfalt jede Beziehung zu Napoleon und den Personen seiner Suite zu vermeiden, und in Allem und Jedem im Einverständnisse mit dem Gouverneur zu handeln. So sehr sich aber St. auch bemühte, den Weisungen seiner Regierung zu entsprechen, wollte ihm dieses nicht gelingen. England wachte mit Eifersucht darüber, daß ihm einzig und allein die Bewachung des gefallenen Kaisers anvertraut bleibe, und ließ es an nichts fehlen, die Commissäre, deren Ernennung bereits es mit scheelen Blicken angesehen hatte, an der Erfüllung ihrer Mission zu verhindern. Hierzu kam noch die Unverträglichkeit des Gouverneurs, welcher dem österreichischen Commissär mit dem größten Argwohne begegnete. So weilte St. zwei Jahre lang auf der Insel und verließ dieselbe, ohne Napoleon je gesehen zu haben. Einmal versuchte er es, ihn aus einem [49] Verstecke mit einem Fernrohre zu beobachten – aber der weiten Entfernung wegen sah er nichts anderes, als einen Mann mit einem dreieckigen Hut auf dem Kopfe, der sich sofort zurückzog, als er das auf sich gerichtete Telescop wahrnahm. Am 29. November 1817 wurde St. abberufen und gleichzeitig zum Generalconsul in Philadelphia ernannt. St. wurde durch diese neue Bestimmung aufs schmerzlichste berührt; denn er, welcher stets in diplomatischen Diensten gestanden hatte, sah sich mit einem Male in eine Thätigkeit versetzt, die ihm völlig fremd war und seinem Ehrgeize nicht im geringsten zusagte. Daß er weiter angewiesen wurde, als Generalconsul seine Berichte direct an die Commerz-Hofcommission und nicht an den Fürsten Metternich einzusenden, trug nicht wenig dazu bei, ihn empfindlich zu verletzen. Fast schien es, als sei er wegen seines Verhaltens auf St. Helena in die Ungnade seines Kaisers gefallen! Erst drei Jahre später, am 15. Mai 1820, wurde ihm mit seiner Ernennung zum außerordentlichen Gesandten am kaiserlichen Hofe von Rio de Janeiro, die diplomatische Laufbahn wieder eröffnet. Aber nach fünf Monaten bereits mußte St. Brasilien wieder verlassen, und er befand sich mit im Gefolge Johann VI., welcher vor der Revolution flüchtete. Eine lange Reihe von Jahren befand sich St. ohne eigentlichen Posten, bis er 1832 an die Stelle des Freiherrn Franz Ottenfels-Gschwind nach Constantinopel gesendet wurde. Seine definitive Ernennung zum Internuntius erfolgte aber erst 1834. In seiner neuen Thätigkeit, in welcher er sich besonders um die österreichische Dampfschifffahrt nach dem Orient verdient machte, erwarb er sich die vollste Anerkennung seines Kaisers, welcher ihn im J. 1842 in den Grafenstand erhob. Am 23. Mai 1850 schloß St. seine diplomatische Laufbahn ab und lebte von da an großentheils in Italien. 76jährig starb er am 8. Juli 1863 zu Venedig.