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Artikel „Secundus, Johannes (Janus)“ von Eugen Ehrmann, Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 33 (1891), S. 524–525, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Secundus,_Johann&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 21:50 Uhr UTC)
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Secundus: Johannes (Janus) S., Jan Nicolai Everardi, 14. November 1511 bis 24. September 1536. Sohn des Präsidenten des höchsten Gerichtshofs von Holland, Seeland und Friesland, Dr. Nicolaus Everardi und der Elisabeth van Blyoul; der bedeutendste neulateinische Dichter der Niederlande vor der Zeit der großen Philologie. Ein auf den Gipfeln des geistigen und geselligen Lebens dem Genuß und der künstlerischen Gestaltung und Verklärung desselben hingegebenes Dasein, ausgelöscht, da es beginnt nach ernsteren Zielen sich zu wenden. Die lateinische Muse, die auch seinen Brüdern von den Actenstöcken die Rosenhände willig streckte, hat ihm einen der vollsten Kränze gegönnt derer, die sie ihren nachgeborenen Söhnen je gespendet. Nicht bloß der Kreis der Angehörigen und der näheren Freunde hat sein Gedächtniß besungen, einstimmig fast und unbegrenzt ist die Bewunderung, welche die holländische Philologie ihm darbringt, die in ihm die wiedererstandenen Triumvirn Amors mit dem Glanz antiker Form den batavischen Nebel durchleuchten sah. In Nachahmungen und Variationen klingen die Töne, welche er angeschlagen, zahlreich in der neulateinischen Poesie nach; deren Vermittlung trägt seinen Einfluß hinüber auf die Renaissancedichtung der modernen Sprachen: besonders in der deutschen Lyrik des 17. Jahrh. finden sich seine Spuren auf Schritt und Tritt. Aus dem Kerker von Vincennes sendet Mirabeau seiner Sophie eine Uebertragung der Basia in Prosa, das Wort Neaera durch ihren geliebten Namen ersetzend; noch Goethe ist in den ersten drangvollen Jahren des Weimarer Lebens der Schatten des großen Küssers genaht, und aus demselben Gedicht (Basium VIII), welches damals stimmungerregend gewesen, trägt er darnach in Maximen und [525] Reflexionen III. das schöne Wort ein: (O) Vis superba formae. Freilich, eine Erscheinung wie er, der von sich sagt, seine Lob der Liebe werde dauern, so lange Amor die weiche Sprache der Romulusenkel rede, ist wohl ein Höhepunkt der ersten Fluthwelle der Renaissance; so sehr widerstandslos gibt sich in ihm der germanische Geist der Antike hin, daß er wieder im Stande ist, eine Individualität zu zeigen, wenn auch nicht die eigene. Erst ein Menschenalter nach ihm beginnt mit der historischen Durchforschung auch das sich als ein Eigenes ihr Gegenübersetzen. Als ihn charakterisirend verbindet sich mit seinem Namen der Titel seiner Gedichtsammlung Basia; nächst dieser hat er in seinen Elegien besonders dem Buch Julia, sein Eigenstes gegeben. Hier athmet sich seine jugendliche Seele, leidenschaftlich begehrend und froh genießend, in vollen Zügen aus. Hier ist wirklich einmal wieder einer der Zeitpunkte nach der Antike, „wo die gesunde Natur des Menschen als ein Ganzes wirkt, wo das harmonische Behagen ihm ein reines, freies Entzücken gewährt“ (Goethe, Winckelmann). Im Arm der Geliebten dieses Jahres dem Gedächtniß der des verflossenen die Opferspende ausgießend, so hat er sich selbst dargestellt. Seine Erziehung, des jüngsten von fünf Brüdern, welche theils Geistliche, theils den Musen geschmackvoll huldigende hohe Beamte waren, leitete ihn nach dem Ziel der Vereinigung einer von Fanatismus freien katholischen Frömmigkeit mit Humanismus und praktischem Staatsdienst; die künstlerische Leitung des reichbegabten stand durch Jan van Schoorl unter dem Bann rafaelischer Tradition; die juristische Bildung lenkte Andreas Alciatus in Bourges, der aus Italien eingewanderte elegante Jurist und Emblemendichter. Als er, der bisher dem Hause des Vaters vom Haag nach Mecheln gefolgt war, von der Universität zurückkehrte (1533) zwang ihn der Tod des Vaters auf eignen Füßen zu stehen. Er that die ersten Schritte auf der Bahn, worin seine Brüder zu Stellung und Ehren gelangten, in der Kanzlei des Bischofs von Toledo, Johannes Tavera (1533). Von Spanien berief ihn Karl V. zur Theilnahme am Zuge gegen Tunis (1534), seine geschwächte Gesundheit konnte aber das afrikanische Klima nicht ertragen; über Spanien kehrte er in die Heimath voll Todesahnung zurück; er bekam eine neue Stelle bei Georgius van Egmond, dem Bischof von Utrecht und Abt von St. Amand; doch nicht lange verwaltete er sie: am 24. September 1536 starb er in Doornik. Begraben liegt er in der Benedictinerkirche von St. Amand im Hennegau. Seine Gedichte veröffentlichte sein Bruder Hadrianus Marius in Löwen (1536). Eine eingehende Darstellung[1], zu der diese Zeilen anregen möchten, hat eine sichere Grundlage in der großen kritischen Ausgabe von Petrus Boscha, Leyden 1821.

Vgl. van der Aa, Peerlkamp: De vita ac studiis Nederlandorum qui latina carmina composuerunt und die Darstellung der Biographie universelle.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 525. Z. 18 v. u.: Eine gute Biographie des Secundus gab bereits Edmund Dorer: Johannes Secundus, ein niederländisches Dichterleben. Baden 1854. Ebenderselbe hat auch eine Anzahl Gedichte des Secundus gemeinsam mit seinem Vater Edward Dorer in trefflicher Weise übersetzt: „Elegien von Joh. Secundus“ I–III. Heft und „Elegien und Oden von Joh. Secundus“ IV. Heft. Baden 1854. [Bd. 45, S. 672]