ADB:Schmidt-Phiseldeck, Karl Justus Wilhelm von

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schmidt-Phiseldeck, Karl von“ von Paul Zimmermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 54 (1908), S. 110–112, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schmidt-Phiseldeck,_Karl_Justus_Wilhelm_von&oldid=- (Version vom 10. Oktober 2024, 20:32 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Schmidt, Leopold
Band 54 (1908), S. 110–112 (Quelle).
Karl Justus Wilhelm von Schmidt-Phiseldeck bei Wikisource
Karl von Schmidt-Phiseldeck in der Wikipedia
Karl von Schmidt-Phiseldeck in Wikidata
GND-Nummer 139676937
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|54|110|112|Schmidt-Phiseldeck, Karl von|Paul Zimmermann|ADB:Schmidt-Phiseldeck, Karl Justus Wilhelm von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=139676937}}    

Schmidt: Karl Justus Wilhelm von Sch.-Phiseldeck, Verwaltungsbeamter und Historiker, † 1895, Enkel des Geheimraths Justus v. S.-Ph., (s. A. D. B. XXXII, 21 ff.), wurde am 4. April 1835 zu Wolfenbüttel geboren, wo sein Vater Justus v. S.-Ph. damals Landgerichtsassessor war; seine Mutter Helene war eine Tochter des 1827 verstorbenen Oberamtmanns Wilh. Franz Ant. Jacobi in Reinhausen. Er besuchte die Bürgerschule und das Gymnasium seiner Vaterstadt, das er Ostern 1853 verließ, um sich in Göttingen der Rechtswissenschaft zu widmen. Er blieb hier bis zum Herbst 1856. Kurz nachdem er dann am 1. November 1856 die erste juristische Prüfung in Wolfenbüttel mit bestem Erfolge bestanden hatte, verlor er am 5. November d. J. den Vater, der inzwischen zum Oberstaatsanwalt befördert war und nach allgemeiner Annahme eine glänzende Laufbahn noch vor sich hatte. Da er noch sechs, theilweise kleine, Töchter hinterließ, so hatte deren einziger Bruder, namentlich nach dem Tode der Mutter († am 11. November 1861), im wesentlichen die Pflicht der Verantwortung für die Geschwister, der er unter mancher freiwilliger Entsagung auf das gewissenhafteste nachkam. Am 20. Juli 1861 erledigte er wieder sehr gut die zweite juristische Prüfung, worauf am 10. September d. J. seine Einführung am herzoglichen Landeshauptarchive zu Wolfenbüttel erfolgte; zum 1. Januar 1865 wurde er hier zum Archivsecretär ernannt. Mit dem Eifer und der Gründlichkeit, womit er Alles, was er anfaßte, betrieb, hat er sich hier in alle Gebiete der heimischen Vergangenheit, in die geschichtlichen Hülfswissenschaften u. a. eingearbeitet und sich umfassende Kenntnisse und mancherlei Fertigkeiten (Siegelzeichnen etc.) auf diesen Gebieten erworben. Auch hat er umfangreiche Arbeiten, wie über die Grafen von Blankenburg und Regenstein, den Truchseß Günzelin von Wolfenbüttel u. a., in Angriff genommen, aber leider verhältnismäßig wenig zur Veröffentlichung gebracht, weil er den gutgemeinten Bedenklichkeiten und Weiterungen seines Vorgesetzten zu bereitwillig nachgab. Mehr aber als solch stille gelehrte Arbeit sagte seiner ganzen Natur eine mehr praktisch juristische oder verwaltende Thätigkeit zu. Er begrüßte es daher mit Freuden, als er zu Neujahr 1875 zum Consistorialrathe ernannt und damit auf das Gebiet geführt wurde, auf dem er demnächst Hervorragendes leisten sollte. Zwar behielt er die Wirksamkeit am Archive daneben bei, ja diese wurde sogar seit dem 1. November 1879 noch vermehrt, wo ihm die Vorstandschaft der Anstalt übertragen wurde und eine völlige Neuordnung ihrer gesammten Bestände bei starkem Zuwachse neuer unter seiner Oberleitung ausgeführt werden mußte. Da er sich überall leicht einen Ueberblick zu verschaffen, in verschiedenartige Gegenstände sich schnell hinein zu denken und zu arbeiten verstand, und dabei auf fremde Gedanken und gut begründete Vorschläge bereitwillig einging und so den untergebenen Beamten eine gewisse Selbständigkeit und damit die rechte Arbeitsfreudigkeit ließ, so hat er auch diese Aufgabe bestens bewältigt. Aber seine Hauptkraft widmete er von nun an den Arbeiten des Consistoriums, zu dessen Präsidenten er am 1. April 1885 ernannt wurde. Auch hier kam ihm seine streng geschichtliche archivalische Schulung, die überall die geschichtliche Entwicklung aufzudecken und den historischen Zusammenhang aufrecht zu erhalten suchte, trefflich zu statten. Daneben bewies er vor allem eine große Geschäftsgewandtheit, eine gewaltige [111] Arbeitskraft und eine ganz besondere Gabe zum Ausarbeiten von Gesetzentwürfen. Außer einem scharfen Verstande, umfassenden Kenntnissen und einem unermüdlichen Fleiße, der in der Gründlichkeit der Vorarbeiten sich nicht leicht genug that, befähigte ihn zu dieser Arbeit vor allem die Objectivtät seines Urtheils; er erwog eine Sache nach allen Seiten, erfaßte und verarbeitete fremde Anschauungen leicht und schnell, suchte allen berechtigten Anforderungen nach Möglichkeit gerecht zu werden und wußte dann das Ergebniß aller dieser Erwägungen in kurzer, klarer Sprache zum Ausdrucke zu bringen. So kam es denn, daß gerade in dieser Zeit sich auf dem Gebiete der kirchlichen Gesetzgebung eine rege Thätigkeit entwickelte. Von kleineren Gesetzen abgesehen rühren von Sch. insbesondere her das Kirchengesetz über die Emeritirung und das Ruheeinkommen der Geistlichen vom 1. December 1882, das Gesetz über die Errichtung einer Landes-Pfarrwittwen-Versorgungsanstalt vom 15. April 1889 und das Gesetz über das Disciplinarverfahren gegen Kirchendiener vom 15. Juni 1890, durch die wichtige, lange umstrittene Materien in anerkannt vorzüglicher Weise gesetzliche Regelung gefunden haben. Zusammengefaßt hat er dann seine Studien und Erfahrungen auf dem Gebiete des Kirchenrechts und der Kirchenverwaltunq in seinem „Evangelischen Kirchenrecht des Herzogthums Braunschweig“ (Wolfenbüttel 1894), das, wie es aus praktischer Thätigkeit entstanden ist, den praktischen Bedürfnissen so sehr entgegen kam, daß das Werk in kurzer Zeit vergriffen war und im Jahre 1903 eine von des Verfassers Sohne Karl besorgte zweite Auflage von ihm veranstaltet werden mußte. Fügen wir nun noch hinzu, daß es Sch.-Ph. in allen dienstlichen Angelegenheiten an Gerechtigkeit und Wohlwollen niemals fehlen ließ, so ist es nur natürlich, daß er sich in seiner Stellung allgemeine Achtung und Zuneigung erwarb.

Neben den dienstlichen Obliegenheiten wurde aber die Arbeitskraft Sch.-Ph.’s, der bei einer umfassenden Bildung vielseitige Interessen besaß und gern zu bethätigen suchte, auch noch von anderen Seiten in Anspruch genommen. In früheren Jahren hatte er dem Männerturnvereine angehört und als dessen Vorsitzender 1864 eine Turnerfeuerwehr ins Leben gerufen, die sich unter seiner Leitung (bis 1868) auch im Ernstfalle auf das beste bewährte. Lange Jahre war er auch Vorsitzender des Stenographenvereins, und sein ausgezeichnetes Lehrtalent hat er hier rein aus Liebe zur Sache in der Leitung der Unterrichtscurse bewiesen. Er war unter den Männern, die 1868 zur Gründung des Harzvereins für Geschichte und Alterthumskunde zusammentraten, und hat an dessen Versammlungen und Veröffentlichungen, für die er schätzbare Beiträge lieferte, stets den regsten Antheil genommen; wesentlich durch ihn wurde 1873 in Wolfenbüttel und Braunschweig ein Zweigverein begründet, in dem er anfangs das Amt eines Schriftführers, seit 1877 das eines stellvertretenden Vorsitzenden versah. Anfang 1867 bis Ende 1874 war er Syndikus des ritterschaftlichen Creditvereins des Herzogthums Braunschweig; als solcher schrieb er eine kleine Schrift „über sein Wesen, seinen Zweck und seine Einrichtung“, die 1868 anonym herauskam. Auch der öffentlichen Angelegenheiten nahm er sich mit Eifer an. Schon im November 1874 wurde er zum Stadtverordneten gewählt, konnte aber das Amt nicht antreten, weil er von vorgesetzter Stelle die Genehmigung dazu nicht erhielt. Erst im Juli 1884 führte ihn eine zweite Wahl in das Collegium, das ihn am 23. Juni 1892 auch zu seinem Vorsitzenden erwählte. Schon vorher (Winter 1878/79) war er Mitglied der Landesversammlung geworden. Er suchte hier besonders die auf die Kirche bezüglichen Gesetzentwürfe zur Annahme zu bringen. Hat er dies auch zumeist erreicht, so [112] hat er doch die Rolle, die ihm nach seiner geistigen Bedeutung, seinem Wissen und seiner Rednergabe hier hätte zufallen müssen, keineswegs gespielt. Es fehlte ihm die Entschiedenheit und Festigkeit, im Streite der Geister die eigene Meinung furchtlos zur Geltung zu bringen; er war im Grunde eine friedliche, versöhnliche Natur, für das Parteileben nicht geschaffen. Im J. 1893 trat er auch noch in den Vorstand der von Anna Vorwerk begründeten Schloßanstalten (Töchterschule, Lehrerinnenseminar u. s. w.). Sonst suchte er sich um diese Zeit, da seine Kräfte nachzulassen begannen, bereits zu entlasten. Schon im Mai 1890 hatte er die Vorstandsgeschäfte im Landeshauptarchive aufgegeben, im Herbste 1893 trat er aus der Landesversammlung, im März 1895 auch aus der Stadtverordnetenversammlung aus. Seine Gesundheit hatte sich, wohl infolge eines Blasenleidens, sehr verschlechtert. Er suchte im herzoglichen Krankenhause zu Braunschweig Heilung, aber sie konnte ihm nicht mehr zu Theil werden; am 11. October ist er hier seinem Leiden erlegen; am 14. des Monats wurde er in Wolfenbüttel beerdigt. Ihn überlebten die Gattin, Helene geb. Görtz, eine Tochter des Oberamtsrichters Wilh. Görtz, die er am 2. Mai 1865 heimgeführt hatte, zwei Söhne und zwei Töchter.

Vgl. Braunschweigisches Magazin 1895, S. 33–36, wo auch die Schriften v. Schmidt-Phiseldeck’s verzeichnet sind; danach gearbeitet ist der Aufsatz in der Harzzeitschrift, 28. Jahrgang (1895), S. 803–806. – Evangelisch-lutherische Monatsblätter 1895, S. 95–97.