ADB:Scheither, Georg Freiherr von

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Artikel „Scheither, Georg Freiherr von“ von Adolf Schinzl, Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 731–734, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Scheither,_Georg_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 11. Oktober 2024, 16:05 Uhr UTC)
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Scheither: Georg, Freiherr v. S., k. k. Generalmajor und Commandeur des Militär-Maria-Theresien-Ordens, einer der umsichtigsten und kühnsten Parteigänger der österreichischen Armee, wurde im J. 1772 zu Hannover geboren und trat, nachdem er in der englischen Armee[1] mehrere Jahre mit Auszeichnung gedient hatte, im J. 1799 in die österreichische Armee, wo er als Rittmeister bei den Stabsdragonern seine Eintheilung erhielt und bald darauf, nämlich am 4. October bei Höchst und am 5. an der Nidda mit Bravour kämpfte. Besonderer Erwähnung werth ist sein Verhalten bei der Besetzung und Vertheidigung des Odenwaldes im October desselben Jahres. Mit nur wenigen Berufssoldaten gelang es ihm, die aufständischen Bauern in der kürzesten Zeit derart militärisch zu organisiren, daß er den Gegner mehrere Male angreifen konnte und dies mit günstigem Erfolge that. Als kühner und unternehmender Officier bethätigte er sich auch im Jahre 1800, namentlich in den Gefechten bei Burgebrach und Nürnberg am 3. und 18. December, wofür er 1801 zum Major bei O’Reilly Chevauxlegers ernannt und 1802 mit dem Ritterkreuze des Militär-Maria-Theresien-Ordens ausgezeichnet wurde. Im Kriege 1805 commandirte er ein aus seiner Division und einer Schwadron Schwarzenberg-Ulanen bestehendes Streifcorps an der böhmisch-mährischen Grenze. Bei Göding gelang es diesem umsichtigen und thätigen Officier trotz des Umstandes, daß sein Anmarsch dem Feinde verrathen wurde, dennoch ein Detachement desselben zu überfallen und einen französischen Oberst, einen Major, einen Rittmeister, einen Oberlieutenant und 60 Mann gefangen zu nehmen, wie auch viele Pferde zu erbeuten. Mit 4. Januar 1806 wurde S. zum Oberstlieutenant im Regimente befördert und am 12. desselben Monats zum Generaladjutanten des Feldmarschalls Prinzen Württemberg ernannt. Am 15. September 1808 wurde S., welcher mittlerweile zu Vincent-Chevauxlegers transferirt worden war, zum Obersten und Commandanten des Dragonerregimmts Nr. 6 ernannt. Mit diesem Regimente focht er 1809 bei Aspern, wo es ihm gelang, mit kaltblütigster Entschlossenheit eine rasche Attaque in die rechte Flanke des Feindes zu machen, dessen Cavallerie zu werfen und theilweise abzuschneiden. S. wurde hiebei verwundet. Auch bei Wagram zeichnete sich das Regiment unter seiner Führung bei dem allgemeinen Cavallerieangriff ganz vorzüglich aus. Die zuerst auf den Feind stoßende Division hätte der Uebermacht weichen müssen, wenn nicht S. dem Feinde in die Flanke und den Rücken gefallen wäre, wodurch dieser beinahe ganz aufgerieben wurde. Wegen dieser kühnen Attaque bezeigten Feldmarschalllieutenant Graf Nostitz und Generalmajor Baron Rothkirch dem Obersten ihre größte Zufriedenheit, besonders aber kamen die Generale Graf Wartensleben und Frelich vor die Front des Regiments und belobten dasselbe mit dem Zusatze, „daß der zehnte Mann die Medaille verdient habe“. Unter den einer besonderen Erwähnung würdigen Officieren wurde auch S. genannt. Nicht minder umsichtig [732] und tapfer finden wir denselben in dem nun folgenden Feldzuge 1812, wo er sich zuerst in der Schlacht von Podubnie am 11. und 12. August hervorthat. Am 26. September hatte S. das Commando der ganzen Vorpostenkette von Turisk bis Selec übernommen. Vom Gegner wiederholt angegriffen, warf er denselben jedesmal zurück. Am 29. September wurde S. mit seinem und noch einem Infanterieregimente nach Gorodno, dem Schlüssel der Stellung, commandirt. Die von S. getroffenen Dispositionen machten es dem Feinde ungeachtet aller Anstrengungen unmöglich, diese Stellung zu nehmen. Erst nachdem zahlreiche Verstärkungen eintrafen, war es den Russen spät am Abend gelungen sich dieses Postens zu bemeistern. Bei dem fechtend angetretenen Rückzuge deckte S. die Infanterie. Da man in diesem Officier schon lange den Mann erkannte, welcher die Eigenschaften eines Parteigängers in vollem Grade besaß, so wurde er nach der Schlacht bei Irabelin (16. November) beordert, mit seinem Regimente, einem Bataillon Infanterie und vier dreipfündigen Kanonen – später stießen zu ihm noch zwei Escadronen Husaren – die Gegend zu durchstreifen, bei welcher Gelegenheit er auf Abtheilungen des gegnerischen Heeres stieß, diese angriff, zurückwarf und einen Officier, 27 Mann zu Gefangenen machte. Durch diese Gefangenen, dann durch Spione hatte S. erfahren, daß das 4. Ukraine’sche Kosakenregiment in Ogorodniki stehe. Er beschloß, dasselbe noch in dieser Nacht (20. November) zu überfallen, brach um Mitternacht auf, traf um etwa 41/2 Uhr Morgens mit seinen durch die schlechten Straßen und den bedeutenden Umweg sehr abgematteten 160 Reitern vor dem Lager des 1200 Mann starken Gegners ein und griff dasselbe an. Die außerordentliche Kühnheit, sowie die Zweckmäßigkeit seiner Dispositionen, die glänzende Bravour von Officieren und Mannschaften hatten einen vollständigen Sieg zur Folge, bei welchem sechs Officiere, 363 Mann zu Gefangenen gemacht und einige hundert Pferde erbeutet wurden und der feindliche Commandant mit 70 Mann auf dem Platze blieben. Dieser mit ebenso viel Klugheit als Entschlossenheit ausgeführte Ueberfall, ein Wettstreit von Bravour jedes einzelnen Reiters bestimmte Schwarzenberg an S. folgendes Schreiben zu richten: „Mit Vergnügen und wahrer Theilnahme erhielt ich Ihren Bericht über Ihre mit so vieler Klugheit als Kühnheit unternommene Expedition. Da eben ein Courier nach Wien abgeschickt wird, so finde ich die beste Gelegenheit, Ihr besonderes Wohlverhalten dem Kaiser anzurühmen. Ihre Unternehmung trägt zum Ruhme der österreichischen Cavallerie so viel bei, daß ich schon dieserwegen einen Courier nach Wien abschicken würde, um eine so schöne Handlung dort bekannt zu machen.“ Wenn auch über den Rahmen einer biographischen Skizze hinausgehend, verdient das Antwortschreiben Scheither’s hier angeführt zu werden, weil es einerseits von der echt österreichischen Kameradschaft, andererseits von der ritterlichen Denkungsweise desselben Zeugniß gibt. – Das Schreiben lautet im Auszuge: „Wenn ich noch viele Jahre die Uniform dieses Regiments tragen könnte und mit ihr zu Grabe ginge, so würde ich dieses Denkmal als meinen Lohn ansehen und höchst leid wäre es mir, mich vielleicht durch Euer Durchlaucht gnädiges Vorwort und durch die Gnade unseres Monarchen avancirt zu sehen und dadurch meine würdigen Vormänner zu kränken. Da ich ohnehin einer der Aeltesten bin, so wird es mir gewiß eine Gnade sein, wenn Seine Majestät meinen würdigen Vormännern diese Kränkung ersparen. Ich werde auch als Oberst das Vertrauen Eurer Durchlaucht zu rechtfertigen suchen … Ein größeres Glück für uns wäre es gewesen, wenn Euer Durchlaucht meine braven Dragoner gesehen hätten. Sie würden Hunderten die kleine Medaille, an den Estandarten die große Medaille angehängt haben. …“ Auf seinem weiteren Streifzuge erfuhr S., daß ein neues Kosaken-Regiment und einige Hundert Jäger zu Pinsk angekommen waren. Er ließ durch einen Rittmeister [733] ein feindliches Piquet von einem Officier und 40 Kosaken aufheben; selbst setzte er seinen Marsch nach Pinsk fort. Bei seiner Annäherung rückte der Feind (28. November) zur Stadt hinaus und schickte ihm einige hundert Kosaken entgegen; diese wurden sogleich angegriffen und geworfen. S. drang in die Stadt, machte sechs Officiere und 297 Mann zu Gefangenen, nahm ein Spital mit aller Einrichtung, mehrere Magazine und 300 Gewehre dem Gegner ab. Am 7. Januar 1813 zum Generalmajor mit Vorbehalt des Ranges für dessen damalige Vordermänner befördert, konnte er in der Nacht vom 17. zum 18. September 1813 bei dem Ueberfalle von Freiberg wieder zeigen, was ein kühner und entschlossener Führer vermag. Diese von den Franzosen festgehaltene und für dieselben sehr wichtige Stadt, weil sie die linke Flanke der in Böhmen stehenden Alliirten bedrohte, nahm er den Franzosen weg und machte hiebei einen General und 400 Mann zu Gefangenen. Für diese Waffenthat, welche aus eigenem Antriebe unternommen wurde und die späteren Operationen wesentlich förderte, wurde S. mit dem Commandeurkreuze des Militär-Maria-Theresien-Ordens ausgezeichnet. Nachdem er noch am 21. desselben Monats bei Neuendorf einen feindlichen Ueberfall zurückwies, wurde er in die 1. leichte Division des Feldmarschalllieutenants Fürsten Moritz Liechtenstein eingetheilt, welche größtentheils zu Streifungen und Deckungen verwendet wurde und Belästigungen im Rücken der feindlichen Armee auszuführen hatte. Hier machte er den Angriff auf Naumburg vom 9. auf den 10. October mit und erwarb sich hiebei dadurch große Verdienste, daß er den sehr gefährlichen Abzug so leitete, daß derselbe ohne große Verluste ausgeführt werden konnte. Im Laufe des Jahres 1813 nahm er noch rühmlichen Antheil an der Schlacht bei Leipzig am 16. und 18. October, focht als Commandant der 4. Colonne bei Hochheim am 9. November, besetzte später Neufchâtel und ließ als Avantgarde-Commandant Chateau de Joux blokiren und beschießen. Im J. 1814 am 7. Januar griff er das unterhalb Besançon liegende, von den Franzosen aufs hartnäckigste vertheidigte Dorf Beure an, zwang die Franzosen zur Räumung desselben und schloß nun auch Besançon auf jener Seite ein. Am 28. und 29. Januar warf er die von Auxonne ausgefallene Besatzung in den Platz zurück. Am 30. Januar erhielt er die Bestimmung Châlons an der Saône anzugreifen, rückte am 4. Februar vor diese Stadt, verjagte den dort noch zurückgebliebenen feindlichen Nachtrab, nahm Châlons ein und beschloß nach Maçon zu gehen. Hier wurde derselbe aber am 19. Februar von dem über Villefranche vorgerückten Generallieutenant Pannetier angegriffen und nach einem sehr lebhaften aber ungleichen Gefecht zum Rückzug nach Châlons gezwungen. Von hier beordert mit der Avantgarde nach St. Simphorien bei Maçon abzurücken, wurden seine Vorposten am 11. März heftig angegriffen und geworfen. S., welcher Alles aufbot, um dem unerwarteten Angriffe zu begegnen, mußte, vom übermächtigen Feinde verfolgt, den Rückzug antreten. Noch kämpfte er in diesem Jahre in dem siegreichen Treffen von Limonest bei Lyon am 20. März und dem bei Bourogne und Morvillars am 29. Juni. Die Reihe seiner glänzenden Waffenthaten beschloß er am 2. Juli vor Montbéliard, welches von den Franzosen befestigt und sowie das feste Schloß besetzt war. S. ließ die Stadt angreifen und dabei seine Geschütze so vortheilhaft aufstellen, daß sowohl der Ort als dessen Vertheidiger aufs wirksamste beschossen wurden und diese sich bald genöthigt sahen, die Stadt zu verlassen und sich auf der Straße nach Besançon zurückzuziehen; auf diesem Rückzuge wurden noch viele Franzosen zu Gefangenen gemacht, in der Stadt sieben Kanonen erobert und ziemlich bedeutende Mund- und Schießvorräthe gefunden. Leider sollte nach beendetem Feldzug dieser so ausgezeichnete Officier und umsichtige, tapfere Führer, von welchem die Armee noch große Leistungen zu erwarten berechtigt war, die nun folgenden Friedensjahre [734] nicht lange genießen, da ihn der Tod in der vollen Manneskraft schon am 22. April 1816 ereilte.

Wurzbach, Biogr. Lexikon d. Kaiserth. Oesterreich. 29. Th. Wien 1875. – Hirtenfeld, der Militär-Maria-Theresien-Orden. Wien 1877. – Thürheim, die Reiterregimenter etc. 2. Aufl. Wien 1866. – Thürheim, Gesch. d. 8. Uhl.-Rgts. Wien 1860. – Strack, Gesch. d. 6. Drag.-Rgts. Wien 1856. – Plotho, Krieg in Deutschland und Frankreich 1813 und 1814. 2. Th. Berlin 1817. – Schels, Oesterr. militär. Zeitschrift. 2., 3. Bd. Wien 1843. – Plotho, Krieg d. verbündeten Europa gegen Frankreich 1815. Berlin 1818.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 731. Z. 16. v. o.: Scheither hat nicht in der englischen, sondern in der hannoverschen Armee gedient. Mit dieser nahm er an Feldzügen von 1793 bis 1795 in den Niederlanden theil, im Treffen bei Famars am 18. Mai 1793 wurde er als Lieutenant bei der Leibgarde, wozu er am 6. Mai 1791 ernannt war, verwundet und gerieth in französische Kriegsgefangenschaft, aus welcher ihn die Einnahme der Festung Valenciennes jedoch bald wieder befreite, am 6. October 1793 wurde er zum Titulär-Premierlieutenant und am 18. Januar 1795 außer der Reihe zum Rittmeister beim 9. Regiment leichte Dragoner befördert. Nach der Rückkehr in die Heimath hat er sich (W. v. Hassell, Das Kurfürstenthum Hannover nach dem Baseler Frieden bis zur preußischen Occupation im Jahre 1806, Hannover 1894, S. 153) längere Zeit in Frankfurt a. M. aufgehalten und von da „Berichte über die damalige politische und militärische Lage nach Hannover geschickt, welche ein ungewöhnliches Beobachtungstalent bekunden“. 1798 wurde er Oberadjutant der Cavallerie und gehörte als solcher dem Stabe des commandirenden Generals, Graf Ludwig Wallmoden-Gimborn, an. Der Kurfürstlich Braunschweigisch-Lüneburgische Staatskalender für das Jahr 1800 nennt ihn noch als den Inhaber dieser Stellung. Die Ränke seines Vorgesetzten, des Flügeladjutanten Wallmoden’s, Oberstlieutenant Löw von Steinfurt, veranlaßten sein Ausscheiden aus dem hannoverschen Dienste und seinen Eintritt in das k. k. Heer. Wallmoden beklagt seinen Verlust in einer zur Aufklärung über sein Verhalten im J. 1803 bestimmten Flugschrift „Kurze aber gründliche Vertheidigung gegen Lästerzungen“ indem er schreibt: „Ich weiß sehr wohl, daß ich dem Lande manchen Schaden zufügte, so jenen durch den Abgang des mir unvergeßlichen und braven Herrn Obersten Scharnhorst und des biedern Herrn von Scheither“. [Bd. 45, S. 671]