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Artikel „Scheibler, Christoph“ von August Döring in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 700–702, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Scheibler,_Christoph&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 19:14 Uhr UTC)
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Scheibler: Christoph S., 1589–1653, philosophischer und theologischer Schriftsteller und Schulmann. Er war der Sohn eines lutherischen Predigers zu Armsfeld in der Grafschaft Waldeck und studirte in Marburg und Gießen. In Gießen wurde er (nach Mellmann, das Archigymnasium zu Dortmund, Dortmund 1807, S. 83) schon mit 17 Jahren, also 1606, Magister der Philosophie, mit 20 Jahren Professor der griechischen Sprache, Logik und Metaphysik und war mit 26 Decan der philosophischen Facultät, mit 27 Rector der Universität. 1625 wurde er als Gymnasiarch an das Archigymnasium zu Dortmund berufen, mit welcher Stelle damals zuerst die eines Superintendenten der Stadt und Grafschaft Dortmund verbunden wurde. Nach der einer Dortmunder Chronik entnommenen Notiz bei B. Thiersch, Dortmunder Gymnasialprogramm 1842 S. 22 war er zur Zeit dieser Berufung 14 Jahre Professor der Philosophie in Gießen gewesen, wonach Mellmann zu berichtigen sein wird. In Dortmund wirkte er bis zu seinem Tode, 28 Jahre lang in hohem Ansehen und mit großem Erfolg. Er hinterließ mindestens drei Söhne, die sich als Theologen und Mitherausgeber seiner postumen Aurifodina (s. u.) nennen und ist (nach einer als Manuscript gedruckten, mir nicht zugänglichen Genealogie) der Stammvater der noch heute in vielen Zweigen namentlich am Niederrhein blühenden Familie Scheibler.

Seine Gießener Periode ist schriftstellerisch durch eine Reihe von philosophischen Arbeiten im Geiste des damals mehr und mehr gegenüber dem Ramismus zur Alleinherrschaft im protestantischen Deutschland gelangenden Aristotelismus charakterisirt. Mellmann (S. 82) nennt an erster Stelle ohne Jahresangabe einen „Tractatus de anima“, ferner einen „Liber sententiarum s. axiomatum“ 1608 und 1610, eine „Synopsis totius philosophiae“ 1610. Von 1613–1619 erschienen vier logische Schriften („Introductio Logicae“, Giessae 1613, 2. Aufl. 1618, „Topica“, ibid. 1614, „Tractatus logicus de propositionibus“ und „De syllogismis“, beide Giessae 1619), die von der zweiten, 1620 erschienenen Auflage an zu einem viertheiligen „Opus logicum“ zusammengefaßt wurden. Dieses erlebte neue Auflagen 1628 (Marpurgi, Caspar Chmelin), 1634 (ibid. mit neuer, von Dortmund 1633 datirter Vorrede), ferner 1651 anscheinend zwei Nachdrücke (der eine, als Editio novissima bezeichnet, Ebroduni apud Steph. Gamonetum, [701] der andre s. l. ex Typographia Petri Auberti), endlich eine rechtmäßige editio quarta 1654 Giessae Hass. apud haeredes Chmelini, mit anonymer Widmung an die Consules Tremonienses und der Vorrede von 1633. Die zweite philosophische Hauptschrift ist das „Opus metaphysicum“, Gießen 1617 in zwei Bänden (auf dem letzten Blatte: Typis et sumptibus Nicolai Hampelii et Casparis Chmelini). Zweite Auflage (in 8°) Giessae 1622 bei denselben Verlegern, dritte (editio nova emaculata) Marpurgi Cattorum typis et sumptibus Nicolai Hampelii Acad. Typogr. et Caspari Chmelini 1629. Ein Nachdruck in einem Quartbande erschien als Editio nova emendatior Genevae ex typographia Jacobi Stoer 1636, eine vierte rechtmäßige Ausgabe (edit. novissime ab ipso Autore recognita) in zwei Quartbänden 1636 und 1637 Marpurgi bei Nic. Hampelius Acad. typ., eine fünfte, ebenfalls zwei Bände 4°, Gissae, typ. et sumpt. haeredum Chmelini 1657. Außerdem erschien eine Gesammtausgabe der „Opera philosophica“, enthaltend das opus logicum und metaphysicum, den liber de anima und liber sententiarum Francofurti bei Wust 1665 in 4°. Ferner nennt Mellmann aus dieser Zeit „Paradigmata hebraea“ 1615.

Sein Dortmunder Doppelamt scheint ihn, da die Superintendentur häufige Predigten mit sich brachte (Thiersch a. a. O. S. 22 Anm., Mellmann a. a. O. S. 81 Anm.) und nach der Einrichtung des Archigymnasiums die Oberclasse wohl schon damals vorwiegend ein die theologische Facultät ersetzendes Seminar zur Ausbildung von Geistlichen war, fast ausschließlich der Theologie und Ascetik und, da das lutherische Dortmund in den schweren Zeiten des dreißigjährigen Krieges mehrfach ernsten Anfechtungen durch den Katholicismus ausgesetzt war, insbesondere auch der theologischen Polemik zugeführt zu haben. Aus Dissertationen, die die Grundlage für theologische Disputationsübungen an der Dortmunder Schule bildeten, sind folgende Schriften hervorgegangen: „Liber de antiqua catholica fide“, Francofurti 1627, „Fides antiqua catholica de eucharistia“, ibid. 1627, „Manuductio ad antiquam catholicam fidem“, ibid. 1628. Außerdem nennt Mellmann ohne Jahresangabe ein Opus theologicum, Dortmund in 4° und verschiedene andre theologische Schriften, meist Dissertationen der oben bezeichneten Art, die, wie das im Gymnasialarchiv zu Dortmund Erhaltene zeigt, zuerst für den nächsten Zweck in Dortmund einzeln gedruckt und nachher zu systematischen Ganzen zusammengefaßt wurden. Eine Art localer Apologetik mit Geschichtsfälschung behufs Zurückdatirung der Dortmunder Reformation vor den Passauer Vertrag und Augsburger Religionsfrieden, um die Auslieferung der kirchlichen Stiftungen daselbst an die Katholiken zu verhindern, übt er zuerst in einer 1630 gehaltenen Jubelpredigt (Aurifodina S. 561 ff.), ausführlicher im Säcularprogramm des Gymnasiums 1643. Näheres hierüber in meiner Schrift: Johann Lambach und das Gymnasium zu Dortmund, Berlin 1875 S. 12 f.

Als eigentlicher Polemiker trat er sodann in den 40er Jahren gegen den katholischen Eiferer Hermann Stangefol zu Köln auf. Dieser hatte im ersten Buche seiner Annales circuli Westfalici 1643 die Kirchengeschichte der ersten 6 Jahrhunderte behandelt. Scheibler schrieb dagegen „Disputatio de solida antiquitate verae Religionis“, und Stangefol erwiderte in: Vindiciae Hermanni St. Theol. Licentiati pro libro suo I. Annalium circ. Westf. Köln 1653. Dieser Streit, in den sich von katholischer Seite auch ein gewisser Reinerus Mercator (Embricensis ex Collegio Hollandico zu Köln; er schrieb Controversiae) und von evangelischer der Dortmunder Geistliche Herm. Hulskovius mischte, setzte sich noch über das Grab hinaus fort. Als der Dortmunder Archidiaconus Beynckhausen seine Scheibler gehaltene Leichenpredigt im Anschluß an Eliä Himmelfahrt 1653 unter dem Titel „Aller rechtschaffenen Bischoffe Himmelswagen“ drucken ließ, verfaßte Stangefol folgende Schrift: Currus Proserpinae, [702] das ist Ein Höll-Wagen deß Verstorbenen Dortmundischen Lutherischen Superintendenten CHRISTOPH SCHEIBLER. Wider den erdachten Himmel-Wagen des newen zu Dortmundt praetendirten / vnnd angenohmmenen Lutherischen Archidiaconen Joannis Beynckhausen. Mit einem Wahren Hellglantzenden vnbedringlichen Himmel-Wagen der vhralten Catholischen Wahrheit, welche vor allen angenohmenen Ketzereien, in der Statt vnd Dortmündischem Landt sehr florirt vnnd triumphirt hatt u. s. w. Cölln / Bey der Wittib Hartgeri Woringen bey der Montanen Burschen 1656. Den gleichen historisch-apologetischen Charakter, wie die bisher genannten theologischen Schriften, trägt auch die posthume Schrift: „Probe der heiligen Väter“, ein Sendschreiben aus dem Jahre 1652, vertheidigt durch Scheibler’s Sohn Johannes, Pastor in Lennep, Gießen 1667, 8°, sowie anscheinend die bei Mellmann s. a. angeführte: „Glaubensprobe oder gründlicher Erweis, daß die lutherische Lehre kein neuer Glaube, sondern der alte christliche sei.“ 4°.

Eine sehr umfangreiche Sammlung seiner Predigten erschien 11 Jahre nach seinem Tode in einem mächtigen Folianten unter dem Titel: „Aurifodina theologica, das ist teutsche theologia practica u. s. w.“, Frankfurt a. M. 1664. Als Herausgeber nennen sich außer mehreren andern Theologen drei seiner Söhne. Diese Schrift erlebte noch 1727 zu Leipzig eine neue Auflage durch den Leipziger Theologieprofessor Joh. Gottlob Pfeiffer, der in der Vorrede das Buch für eine der nützlichsten und erbaulichsten Postillen, einen Inbegriff der einem Lehrer und Prediger nothwendigen Hauptstücke der christlichen Religion erklärt, mit dem außer der Bibel ein armer stud. Theologiae oder Prediger auf dem Lande zur Noth auskommen könne. Der Stil sei rein von allen philosophischen und scholastischen Schulterminis, „die sonst andre dergleichen teutsche Scriptores dogmatici in ihrem Vortrage nicht allerdings vermeiden können“, was bei der bekannten philosophischen und theologischen Gelehrsamkeit Scheibler’s um so mehr zu verwundern sei.

Außer den angeführten Schriften dürfte zu Scheibler namentlich Strieder, Hessische Gelehrtengeschichte (mir nicht vorliegend) zu vergleichen sein.