ADB:Rusdorf, Johann Joachim von

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Artikel „Rusdorf, Johann Joachim von“ von xx. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 30 (1890), S. 1–3, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rusdorf,_Johann_Joachim_von&oldid=- (Version vom 13. Oktober 2024, 13:54 Uhr UTC)
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Rusdorf: Johann Joachim v. R., Staatsmann und Diplomat. Geboren am 26. October 1589 in einer kleinen Stadt im Gebiete der rheinischen Pfalzgrafschaft, wohin sein Vater Georg v. R. ausgewandert war, nachdem er als eifriger Anhänger der Reformation den altererbten Stammsitz seines Geschlechtes in Niederbaiern aufgegeben hatte. Seine erste höhere Ausbildung erhielt R. auf dem damals in hohem Ansehen stehenden Gymnasium zu Amberg und wurde hier in dem Maße in die altclassische Litteratur eingeweiht, daß er sein ganzes Leben hindurch davon zehren konnte. Im J. 1607 verließ er Amberg und ging an die Universität Heidelberg über, wo er sich in erster Linie dem Studium der Rechtswissenschaft widmete, ohne darum die philologischen und geschichtlichen Disciplinen zu vernachlässigen. Von Heidelberg wandte er sich nach Basel, um hier seine Studien fortzusetzen (gewiß aber nicht auch, wie sein neuester Biograph berichtet, nach Altorf im Kanton Uri, wo ja notorisch niemals eine hohe Schule bestanden hat, man wird an das nürnbergische Altdorf denken müssen, wenn die Zeitangaben stimmen). Nach Heidelberg zurückgekehrt, fand R. am Hofe daselbst die freundlichste Aufnahme und zugleich die volle Würdigung seiner bereits erworbenen vielseitigen Kenntnisse. So kam es, daß er dazu ausersehen wurde, den im Juni 1613 von seiner Brautfahrt aus England zurückkehrenden jungen Kurfürsten Friedrich V. und die jugendliche Elisabeth in festlicher Rede bei ihrem feierlichen Empfange zu begrüßen. Bald darauf unternahm er zur Vollendung seiner Ausbildung eine Rundreise durch einen guten Theil des Festlandes und nach England, die die nächsten drei Jahre in Anspruch nahm und seine höchsten Erwartungen vollauf befriedigte. Im März 1616 in die Pfalz zurückgekehrt und vom kurfürstlichen Hofe auf das beste aufgenommen, wurde er trotz seiner Jugend vom Kurfürsten zum Mitglied des höchsten Gerichtshofes des Landes mit dem Range eines Rathes ernannt und einige Zeit darauf zum außerordentlichen Mitglied des Staatsrathes befördert, eine Stellung, die seinen Neigungen in besonderem Grade zusagte. Es war das die kritische Zeit, in der die kurpfälzische Politik die bekannte verhängnißvolle Wendung nach der böhmischen Krone vorbereitete und vollzog. Eben sie ist es auch, welche die weitere Gestaltung des Lebensganges Rusdorf’s bedingt hat. Dem Dienste dieser Politik und ihren Folgen für das kurfürstliche Haus hat er unwandelbar und unermüdet sein staatsmännisches und publicistisches Talent zur Verfügung gestellt. Bereits das Jahr 1619 hat ihn im Gefolge Achaz’ von Dohna nach London geführt, wo die Geneigtheit König Jacob’s für die Unterstützung der pfälzisch-böhmischen Pläne erforscht und betrieben werden sollte. Und als inzwischen die Würfel gefallen waren, erhielt R. den [2] Auftrag, zuerst im Haag und dann am Pariser Hofe für die Unterstützung der von Friedrich V. ergriffenen Position zu arbeiten, Anstrengungen, die freilich von zweifelhaftem Erfolge begleitet waren. Als der Kurfürst-König die Fahrt nach Prag antrat, blieb R. in Heidelberg zur Verfügung des Pfalzgrafen Johann zurück, der hier die Stelle des Kurfürsten vertreten sollte. In diese Zeit fällt der Besuch, welchen Gustav Adolf incognito am Heidelberger Hofe machte und es wird versichert, daß R. nichts unterlassen hat, den König für das böhmische Unternehmen und das Project einer Heirath desselben mit der Schwester Friedrich’s V. zu bestimmen. Wie tief indeß das Vertrauen Rusdorf’s in das Gelingen des böhmischen Unternehmens gegangen, ist schwer zu bestimmen. Eine Mission, die ihn im Sommer 1620 in das Lager des Unionsheeres führte, hat seine Zuversicht nach dieser Seite hin sicher nicht erhöht. Und als dann die Entscheidung am weißen Berge vor Prag fiel, war er wenigstens der Meinung, daß die Sache des Kurfürsten nur durch völlige Unterwerfung unter den Kaiser zu retten sei, um das Schlimmste, d. h. die Achtserklärung zu verhüten und so zu retten, was noch zu retten war. Bekanntlich kamen die Dinge anders. Die Achtserklärung erfolgte und es verstand sich für R. von selbst, daß er, wenn auch sein Rath nicht gehört worden war, nun erst recht seine Kräfte für seinen Fürsten einsetzte. So trat er jetzt denn zum ersten Male als Publicist auf und suchte in einer Schrift die Unrechtmäßigkeit der Achtserklärung nachzuweisen, freilich ohne dadurch an dem Geschehenen etwas ändern zu können. Dann begleitete er im Interesse seines Herrn den außerordentlichen Gesandten König Jacob’s – Digby – nach Wien und blieb als Agent des Kurfürsten auch dann noch dort zurück, als derselbe, ohne von seinem Zwecke etwas erreicht zu haben, von Wien nach München ging. Die kurfürstlichen Lande selbst waren ja mittlerweile an die überlegenen gegnerischen Waffen verloren gegangen und der Kurfürst hatte ein wenig hoffnungsvolles Asyl im Haag aufsuchen müssen. Eine seiner Hoffnungen stand noch auf der Unterstützung von Seiten der Politik und Macht Englands. Und nun geschah es, daß zur Vertretung der Sache und Wünsche des Kurfürsten am englischen Hofe R. ausersehen wurde, der für diese Aufgabe allerdings in hohem Grade befähigt erscheinen mußte. Volle fünf Jahre hat er in dieser Stellung ausgehalten, die kaum schwieriger gedacht werden konnte. Der Tod Jacob’s I., die Thronbesteigung Karl’s I. fallen in diese Zeit. R. hat es seinerseits an nichts fehlen lassen, das von Seite des Kurfürsten in ihn gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen und die englische Politik auf eine Bahn zu drängen, wie sie eine Wiederherstellung seines Herrn zu verlangen schien, vor allem die täuschende Verbindung mit Spanien zu hintertreiben. Seine persönlichen Verbindungen kamen ihm dabei vielfach zu statten. Mehr als einmal hat er, rastlos wie er war, zugleich zur Feder gegriffen, um in seinem Sinne auf die öffentliche Meinung und den Lauf der Dinge einzuwirken, aber freilich blieben all sein unermüdlicher Eifer und seine noch so große Gewandtheit erfolglos. Zu seinen Gegnern gehörte in erster Linie Buckingham, und dieser war es auch, der zuletzt seine Abberufung am Hofe zu Rheinen durchsetzte (anfangs 1627), da er den zu gewandten Gegner seiner Politik und seines Einflusses auf anderem Wege nicht überwinden zu können sich zutraute. – Auch die noch übrigen 13 Jahre von Rusdorf’s Leben sind dem Dienste seines Fürsten und seines Hauses geweiht. Sein gewöhnlicher Aufenthalt war der Haag, wurde aber durch die Ausführung ihm anvertrauter Aufträge mehrfach unterbrochen. Es wird kaum nöthig sein, diese seine Thätigkeit hier im einzelnen zu verfolgen. Sie führte ihn u. a. wiederholt nach Paris und Regensburg, nach Wien und Heilbronn und zuletzt nach Schwerin und nach Hamburg. Der Tod Friedrich’s V. hat, wie kaum erwähnt zu werden braucht, an seinem Verhältnisse zu dem kurfürstlichen [3] Hause nichts geändert. Auf Gustav Adolf und sein siegreiches Auftreten in Deutschland hatte R. große Hoffnungen gesetzt, um so tiefer hatte ihn aber auch der frühe Tod desselben betrüben müssen. Aber auch seine Haltung gegenüber der schwedischen Politik erlitt dadurch einen Umschwung: er bekehrte sich jetzt zu der Meinung, die protestantischen Mächte Deutschlands, in erster Linie die drei protestantischen Kurhäuser, müßten durch einen engen Bund Schwedens selbstsüchtige Cooperation im Reiche überflüssig machen. In diesem Sinne hat er auf dem Bundestage zu Heilbronn (März 1633), freilich ohne Erfolg, zu wirken versucht. Die schwedischen Waffen hatten ihm vorübergehend noch einmal den Weg zur Rückkehr in seine pfälzische Heimath geöffnet, aber die Niederlage Bernhard’s von Weimar bei Nördlingen ihn gezwungen, schnell wieder den theuren heimathlichen Boden zu verlassen und die unstäte Existenz bis zu seinem Ende fortzusetzen. Dieses ereilte ihn früher, als man hätte ahnen mögen, am 20. August 1640 im Haag, das ja, wenn auch in unvollkommener und unfreiwilliger Weise, seine zweite Heimath geworden war. In der Hauptkirche der Stadt hat er seine letzte Ruhestätte gefunden. Wie durch seine diplomatische Rührigkeit, so hat er auch als Publicist bis zu seinem letzten Augenblick darf man sagen für die Sache seines Herrn, d. h. für die politische Wiederherstellung des kurfürstlichen Hauses gekämpft und hohes Ansehen durch diese seine Thätigkeit erworben. So darf es uns nicht wundern, daß ihm von verschiedener Seite auch die Autorschaft der vielbesprochenen Schrift über die deutsche Verfassung, die im Jahre seines Todes unter dem Pseudonym des „Hippolithus a lapide“ erschien, wenn auch mit Unrecht zugeschrieben werden wollte.

Dr. Friedrich Krüner, Johann von Rusdorf u. s. w., Halle 1876. – L. Häusser, Die Geschichte der rheinischen Pfalz, 2. Bd.
xx.