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Artikel „Roth, Hieronymus“ von Karl Lohmeyer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 311–312, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Roth,_Hieronymus&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 10:18 Uhr UTC)
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Roth: Hieronymus R. (wie er selbst seinen Namen schrieb, während die Zeitgenossen gewöhnlich Rode oder Rohde schrieben), vom Polenkönige als Edler v. Rothenstein-Roth geadelt, der Hauptführer der städtischen Opposition gegen die Bestrebungen des Großen Kurfürsten, welche, nachdem er durch die Abschüttelung der polnischen Lehnshoheit über das Herzogthum Preußen nach außen hin die Souveränetät gewonnen hatte, darauf gerichtet waren, im Herzogthum selbst die unumschränkte Adelsherrschaft zu brechen, die „Libertät“ der Stände zu beschränken (s. den Art. Friedrich Wilhelm von Brandenburg, A. D. B. VII, 487 fg.). Von den persönlichen, privaten Verhältnissen dieses Mannes ist so gut wie nichts weiter bekannt, als daß er Bürger und Kaufherr in der preußischen Stadt Königsberg-Kneiphof und zugleich Schöppenmeister daselbst war, und daß sein kaufmännisches Geschäft sich allem Anscheine nach stark im Rückgange befand, endlich daß er einen Sohn und einen zum katholischen Glauben übergetretenen und in den Jesuitenorden aufgenommenen Bruder Ignatius hatte. Es mag zugegeben werden, daß der Schöppenmeister von dem völligen Unrecht des Kurfürsten-Herzogs und dem unantastbaren Recht der preußischen Stände aufrichtig überzeugt war und darum sich selbst und seine Mitkämpfer für berechtigt hielt, alle Mittel anzuwenden, um den ohne Zweifel bevorstehenden völligen Umsturz des preußischen Staatswesens zu verhüten; aber auf der andern Seite darf auch dem Kurfürsten bei jenem Kampfe die Berechtigung nicht streitig gemacht werden, nicht bloß die Zweckmäßigkeit, sondern auch die Rechtmäßigkeit der ständischen Regierung in Preußen zu beanstanden. Wie von der Seite des Adels die Kalckstein, so haben auf städtischer Seite H. R. und die Seinigen sich nicht mit dem Kampfe auf den heimischen Landtagen begnügt, sondern schon sehr bald die Durchsteckereien und Verhetzungen in Polen und am polnischen Hofe ins Werk gesetzt, wodurch sie sich und die von ihnen vertretene Sache ohne Frage ins Unrecht setzten. Wenn sich auch die Räthe der Drei Städte Königsberg nebst dem größern Theile der übrigen Stände allmählich zu einem Entgegenkommen bereitfinden ließen, so gehörte doch der Schöppenmeister, an welchem zumal die Zünfte unwandelbar festhielten, zu denjenigen, welche auf dem einmal eingeschlagenen Wege verharrten; daß der kneiphöfische Rath ihn auf Verlangen der Regierung aus dem Landtage abberief, fruchtete nichts, denn kein Gericht war, weder jetzt noch später, zu bewegen, einen auf Majestätsbeleidigung und Hochverrath lautenden Proceß gegen ihn anzustrengen. Im Februar 1662 ging R. selbst heimlich zum Reichstage nach Warschau. Dort leugnete er dem kurfürstlichen Abgesandten gegenüber jede politische Absicht seiner Reise, die er nur unternommen hätte, um wegen des Rückganges seines Geschäftes dem Sohne ein königliches Amt zu verschaffen, heimgekehrt aber erzählte er überall, daß es dem Könige mit der Entbindung der Preußen vom Gehorsam gegen Krone und Reich niemals Ernst gewesen wäre. Auch von Zettelungen mit den Führern der in der Nähe stehenden polnischen Truppen wollte man wissen. Da aber auch weiter kein zuständiges Gericht einschritt, so konnte R. sich im Bereiche des Gerichtssprengels seiner Stadt überall frei bewegen, auch bei öffentlichen Versammlungen mitwirken. Hier wurde beschlossen, die inzwischen wieder geforderte Accise nicht zu zahlen und sich mit einer Klageschrift an den König zu wenden. Trotz des strengen Verbotes der Regierung, welcher man durch städtische Abgesandte eine schriftliche Mittheilung von diesen Beschlüssen hatte überreichen lassen, wurde die Klageschrift aufgesetzt und dem jungen R. zur Ueberbringung nach Warschau übergeben. Heimlich und ohne angehalten zu werden, führte der junge Mann die Reise aus und brachte ein mit dem Reichssiegel und der königlichen Unterschrift versehenes Schreiben heim, in welchem den Königsbergern wegen ihrer treuen Anhänglichkeit voller Schutz versprochen wurde; der König [312] selbst freilich versicherte, von einem derartigen Schreiben nichts zu wissen. Schon gingen die Gemeinden daraufhin so weit, in bewußter Nachahmung dessen, was zwei Jahrhunderte vorher geschehen war, einen „Bundesbrief“ aufzusetzen, in welchem sie sich verpflichteten, mit Aufopferung von Gut und Blut an der Vereinigung mit Polen festzuhalten; nur die beabsichtigte Beschwörung des Bundes wurde durch das rechtzeitige Dazwischentreten der städtischen Räthe hintertrieben. Da jetzt auch der Adel wieder schwankend wurde und im ganzen Lande die Zahlung der Accise unterblieb, so entschloß sich endlich der Kurfürst auf die wiederholten dringenden Bitten der Regierung nach Preußen zu kommen. Die unter dem Einflusse Roth’s stehenden Kreise der Hauptstadt ließen sich einreden, daß diese Reise nur ein leeres Gerücht wäre, daß sich wenigstens der Kurfürst beim Ausbleiben der Abgaben nicht im Lande würde halten können. Während die vorausgesandten Schreiben, in welchen der Kurfürst die hergebrachten Freiheiten und Rechte zusicherte, wenn man nur die geforderten Auflagen zahlte, und sich auch wegen der ständischen Gravamina sehr nachgiebig aussprach, beim Adel ziemlich günstige Aufnahme fanden, wollten die Königsberger auf nichts eingehen, denn in jedem ersten entgegenkommenden Schritte konnte, wie sie wol erkannten, eine Anerkennung der Souveränetät gefunden werden. So kam es für den herannahenden Kurfürsten vor allem darauf an, die Königsberger dem Einflusse Roth’s zu entziehen, R. selbst, dessen habhaft zu werden man bereits zweimal vergebens versucht hatte, unschädlich zu machen. Kaum war der Kurfürst am 25. October (1662) mit großen Ehren und Freuden in Königsberg empfangen worden, als R. schon am 30., während er einer vor seinem Hause absichtlich veranstalteten Verkehrsstockung vom Fenster aus zuschaute, durch eindringende kurfürstliche Soldaten festgenommen wurde. Man warf ihn in einen bereitgehaltenen Kahn, führte ihn eine Strecke stromaufwärts und brachte ihn dann aufs Schloß, wo er verhört wurde. Obwol durch eine besondere Gerichtscommission des Hochverraths überwiesen, wurde er nicht zum Tode, sondern nur zu enger Haft verurtheilt, zu deren Verbüßung er über Kolberg und Küstrin nach Peiz in der Lausitz geschafft wurde. Da er auch weiterhin die Gnade die Kurfürsten anzurufen sich weigerte, so blieb er in der Haft bis an seinen Tod, der 1678 erfolgte.

Zu der unter Friedrich Wilhelm von Brandenburg angeführten Litteratur s. noch Baczko, Geschichte Preußens, Bd. V (1798). – Lohmeyer, Die Entwickelung der ständ. Verhältnisse in Preußen u. s. w., in Vossische Zeitung 1888, Sonntagsbeilage 35–37.