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Artikel „Roeck, Karl Ludwig“ von Carl Friedrich Wehrmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 737–739, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Roeck,_Karl_Ludwig&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 16:02 Uhr UTC)
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Band 28 (1889), S. 737–739 (Quelle).
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Roeck: Karl Ludwig R., Abkömmling einer seit zweihundert Jahren in Lübeck ansässigen angesehenen Familie, wurde am 7. März 1790 geboren. Nachdem er auf dem dortigen Gymnasium Schulbildung empfangen hatte, bezog er Ostern 1809 die Universität Heidelberg, um sich dem Studium der Rechtswissenschaft zu widmen. Lübeck war damals formell noch eine freie Stadt, factisch kaum mehr; durch Decret Napoleon’s vom 10. December 1810 wurde die Einverleibung der Stadt in das französische Kaiserreich verfügt, die Einführung des Code Napoléon war damit verbunden. R. begab sich daher auf die Rechtsschule nach Dijon, um dort das französische Recht zu studiren und vorschriftsmäßig den Grad eines Licentiaten zu erwerben. Als er im März 1814 in die Vaterstadt zurückkehrte, hatte die Stunde der Befreiung schon geschlagen, jedoch erkannte der Senat die Gültigkeit des im Auslande erworbenen akademischen Grades an und verstattete ihm die Praxis. Die Verhältnisse gestalteten sich anders und günstig für ihn, indem er gleich darauf eine Anstellung als Secretär des Senats fand. Bei der Rückkehr Napoleon’s von Elba ergriff auch ihn die Begeisterung, die damals in der ganzen Jugend aufflammte. Er erbat sich einen Urlaub, der ihm gern und mit dem Versprechen ertheilt wurde, daß ihm nach beendigtem Kriege der Rücktritt in das Amt offenstehen solle. Sofort trat er als freiwilliger Jäger in die hanseatische Legion ein und machte den Feldzug nach Frankreich mit, in welchem freilich thätige Theilnahme am Kampfe der Legion versagt blieb, da der Führer des Armeecorps, dem sie zugetheilt wurde, der damalige Kronprinz von Schweden, wenn gleich ohne persönliche Neigung für Napoleon, doch Franzose genug war, um Frankreich thunlichst zu schonen. R. fand Gelegenheit zu einem Aufenthalt in Paris und dort vielfache seiner Neigung für die Kunst zu Statten kommende Anregung und Belehrung. Nach Lübeck zurückgekehrt, übernahm er wieder die Geschäfte seines früheren Amtes und bewies dabei so große Tüchtigkeit, daß der Senat ihn am 10. Juni 1833 zu seinem Mitgliede erwählte. Ein Ehebündniß hatte er inzwischen mit Emilie Lampe aus Bremen 1817 geschlossen, und da die Gattin ihm schon 1819 durch [738] den Tod entrissen wurde, 1821 zum zweiten Male mit Amalie Kulenkamp ebenfalls aus Bremen. Ein Sohn aus erster Ehe starb in früher Jugend, die zweite Ehe blieb kinderlos. Kenntniß der Geschäfte und des Geschäftsganges hatte R. schon in seinem früheren Amte erworben und brachte sie in seine neue Stellung mit. Es wurde ihm daher nicht schwer, nun in den verschiedenen Verwaltungsbehörden, denen er zugetheilt wurde, sich thätig zu erweisen und es fehlte ihm weder an Willen noch an Geschick, nützlich und fördernd zu wirken. Die Verhältnisse bewegten sich damals noch in einem gewohnten Geleise, wünschenswerthe Verbessrungen fanden überall Hindernisse an erworbenen Gerechtsamen. R. erlebte den Uebergang in eine neue Zeit.

Die Ereignisse des Jahres 1830 gingen an Lübeck ohne unmittelbaren Einfluß vorüber. Unabhängig von ihnen entstand nach und nach eine allmählich allgemein werdende Erkenntniß von der Mangelhaftigkeit der städtischen Verfassung und führte zu dem Beschlusse, sie zu ändern. Nachdem Verhandlungen darüber eine Reihe von Jahren gedauert hatten, fanden sie endlich im Frühjahr 1848 einen Abschluß. Die Bürgerschaft gab das persönliche Stimmrecht in den einzelnen Collegien auf und führte eine Repräsentation ein; der Senat, der dies ihm hochwillkommene Ziel schon 1814 und 1815 erstrebt hatte, gab das Selbstergänzungsrecht auf, gestattete der Bürgerschaft eine Theilnahme an den Wahlen und hob die Lebenslänglichkeit der Bürgermeisterwürde auf. Der Präsident des Senats behielt zwar den Titel Bürgermeister, wurde aber immer nur auf zwei Jahre gewählt. Auch wurde Trennung der Justiz von der Administration beschlossen. Die um dieselbe Zeit in ganz Deutschland ausbrechenden Verfassungskämpfe hatten hier noch den Einfluß, daß man für die Wahlen in die Bürgerschaft die ursprünglich angenommene ständische Grundlage aufgab und nachträglich allgemeines Wahlrecht aller Bürger einführte.

R. ging in die neuen Anschauungen mit vollem Verständniß für ihre innere Nothwendigkeit ein, fügte sich in sie und eignete sie sich an. Im August 1849 trat Lübeck dem sogenannten Drei Königs-Bündiß bei, nicht sowohl, weil man Vertrauen auf den Bestand desselben hatte, als weil für den Augenblick nichts Anderes übrig blieb. In Gemäßheit der Bestimmungen einer vorläufig vereinbarten Verfassung wurde R. auf den Vorschlag des Senats von der Bürgerschaft gewählt, um den Staat Lübeck in dem Staatenhause des nach Erfurt berufenen Parlaments zu vertreten. Sachlicher Erfolg wurde nicht erreicht und konnte nicht erreicht werden, für R. persönlich hatte der, übrigens nur kurze, Aufenthalt daselbst heilsame Folgen. Ein dortiger Arzt, dessen Bekanntschaft er machte, gab ihm zweckmäßige Rathschläge hinsichtlich der Lebensweise, die ihm zum Heil gereichten. Während er früher durch körperliches Unwohlsein häufig an dauernder Thätigkeit gehindert gewesen war, erfreute er sich seitdem einer ununterbrochenen und kräftigen Gesundheit. 1855 wurde ihm zum ersten Mal das Amt des vorsitzenden Bürgermeisters übertragen. Er besaß ein entschiedenes Directorialtalent. Nie kam er ohne sorgfältige Vorbereitung in eine Sitzung, trug seine Ansicht klar und einfach vor. Widerspruch störte und verletzte ihn nicht, vor größerer Sachkenntniß und Erfahrung trat er stets und gern zurück. Sein eignes Urtheil war unbefangen, insbesondere war er fern von persönlichen Rücksichtsnahmen, ein durchaus integrer Charakter. Bei der hohen Achtung, die man ihm widmete, gelang es ihm leicht, gelegentlich entstehende Differenzen auszugleichen. Die Wahl, die immer nur auf zwei Jahre geschehen konnte, hat sich daher noch dreimal wiederholt. Wichtige Dinge sind während dieser Zeit geschehen, unter andern die Ablösung des Sundzolls und in Verbindung damit die Erbauung einer directen Bahn nach Hamburg, die Ablösung des Scheldezolls und infolge davon der Verkauf des hanseatischen Hauses in Antwerpen, die Gründung des [739] Norddeutschen Bundes und zugleich der mit außerordentlichen Schwierigkeiten verknüpfte Eintritt Lübecks in den deutschen Zollverein. Auch in den rein städtischen Angelegenheiten wurde an Durchführung von Reformen beständig gearbeitet. An Allem nahm R. leitend und fördernd, wie seine Stellung es mit sich brachte, lebhaften Antheil. Als 1863 der Kaiser von Oesterreich den Fürstencongreß nach Frankfurt a. M. berief und auch die Bürgermeister der freien Städte dazu einlud, hielt R. es für eine Ehrenpflicht, der Einladung persönlich Folge zu leisten und scheute ungeachtet seines damals schon hohen Alters die Anstrengungen nicht. Auch in Frankfurt wußte er sich Achtung zu erwerben. Die hohe Versammlung trennte sich, ehe das letzte Protokoll ausgefertigt war, die Feststellung des Wortlauts wurde den Vertretern der freien Städte überlassen. „Es war doch gut, daß wir die Herren Bürgermeister unter uns hatten“, war das Abschiedswort des Kaisers von Oesterreich an R. Zwar ohne die Aussicht, daß ein sicherer Erfolg erreicht sei oder zu erreichen sein werde, übrigens aber befriedigt von dem Geiste, der in der Versammlung geherrscht hatte, kam er zurück. 1864 erlebte er das Fest einer fünfzigjährigen Amtsführung und die ganze Stadt feierte in freudiger Erregung es mit ihm. Von allen Seiten wurden ihm Beweise aufrichtiger Anerkennung und Hochachtung dargebracht, auch von den Senaten der beiden Schwesterstädte und von mehreren deutschen Fürsten. Insbesondere erfreute ihn ein langer eigenhändiger an die in Frankfurt gemeinsam verlebten Tage anknüpfender Brief des Königs Johann von Sachsen. Die Universität Göttingen ehrte ihn durch Uebersendung eines Ehrendiploms als Doctor beider Rechte. Fast fünf Jahre lang ist es ihm dann noch vergönnt gewesen zu wirken. Als er am 30. December 1868 zum letzten Male das Directorium niederlegte, war die Kraft eigentlich schon gebrochen, nur energischer Wille hatte sie in den letzten Wochen aufrecht erhalten. Gleich darauf überfiel ihn die Krankheit, die am 29. Januar 1869 seinem Leben ein Ende machte. Wenige Wochen später folgte die Wittwe ihm nach.