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Artikel „Rietter, Anton“ von Alois Knöpfler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 28 (1889), S. 602–603, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Rietter,_Anton&oldid=- (Version vom 20. Dezember 2024, 19:47 Uhr UTC)
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Rietter: Anton R., katholischer Theologe, wurde am 13. Juni 1808 zu Stadtamhof als das älteste von fünf Geschwistern geboren. Seine Eltern, einfach Bürgersleute, gaben ihren Kindern eine streng religiöse Erziehung; als der junge Anton eben das Elternhaus verlassen wollte, um das Studium zu beginnen, verlor er, kaum 11 Jahre alt, seine Mutter. Mit angestrengtem Fleiße und gutem Erfolg widmete er sich der wissenschaftlichen Ausbildung an den verschiedenen Lehranstalten im nahen Regensburg. Nach Absolvirung des vorgeschriebenen Cursus trat er im Spätjahr 1830 in das dortige Clericalseminar, das unter der Direction des Weihbischofs Michael Wittmann stand, von dem er am 1. August 1831 zum Priester geweiht wurde. R. kam nun als Hülfspriester nach Hohenschambach, wo er aber nur ein Jahr wirkte. Sein Studienfreund Reithmayr hatte nämlich das Jahr zuvor die Universität München besucht und überzeugte ihn nun von ihrer mangelhaften lycealen Ausbildung, zugleich begeisterte er ihn über das in München Gehörte in einer Weise, daß R. mit Genehmigung des Ordinariats sich nach München begab, um die Studien aufs neue aufzunehmen und zu vervollständigen. Sofort machte er sich an die Bearbeitung der von der theologischen Facultät für 1832/33 gestellten Preisaufgabe: „Ueber das Geschäft der Vernunft in dem theologischen Beweise“. Seine Abhandlung wurde gekrönt und der Verfasser 1834 zum Doctor der Theologie promovirt. Im gleichen Jahre bestand R. noch eine Concursprüfung an der Universität für das höhere Lehramt. Im Spätherbst desselben Jahres wurde er mit der Stelle eines Präfecten im königl. Erziehungsinstiut in München betraut, aber schon am 16. November 1834 zum Professor der Moraltheologie am Lyceum zu Amberg bestellt. Im December 1842 kam er in der gleichen Eigenschaft an das Lyceum nach Regensburg, nachdem Professor Dirnberger nach München berufen worden, aber auch R. selbst wurde nach dem Tode des Professors Fuchs unter dem 26. Juli 1852 als Lehrer der Moraltheologie auf den akademischen Lehrstuhl nach München berufen. Es kostete ihm anfänglich einige Mühe, sich in die neuen, ungewohnten Verhältnisse hineinzuarbeiten, namentlich sah er sich die Schüler etwas ferner gerückt, als dies am Lyceum der Fall ist. Dann forderte die akademische Lehrkanzel auch litterarische Thätigkeit als eine Art Ehrenschuld, während er bisher sich nur den mündlichen Vorträgen gewidmet. Zwar hatte er als Docent zu Regensburg ein paar kleinere Werkchen verfaßt, allein dieselben sind mehr nur Gelegenheitsschriften und mehr erbaulichen, als streng wissenschaftlichen Charakters. So schrieb er 1845 als Lycealprogramm: „Die Sittenlehre der Kirchenväter der ersten zwei Jahrhunderte“. Aehnlich patristischen Inhalts war auch das Büchlein: „Das Leben, das Werk und die Würde Jesu Christi, [603] dargestellt aus den Schriften der apostolischen Väter“, Regensburg 1846. Auch noch die ersten Früchte seiner akademischen Thätigkeit tragen vorherrschend ascetisches Gepräge, so die Schrift: „Der Weg der heiligen Liebe“, München 1856, und die verwandte: „Der heil. Liebe natürliches Licht und anerschaffene Kraft“, München 1857. Weit höher an wissenschaftlichem Gehalt und Werth steht das ziemlich umfangreiche Werk „Die Moral des heil. Thomas von Aquin“, München 1858, ein Werk, worin R. wie Probst, Martin u. a. im Geiste der Neuscholastiker, wieder an den „Engel der Schule“ anknüpft. Es ist nicht ein selbständiges System, das uns hier geboten wird, auch nicht eigene große Gedanken, sondern mehr nur referirend und zusammenfassend die Gedanken des doctor angelicus, und R. sagt in der Vorrede selbst: „Es ist zwar ein reflectirtes Licht, das ich in dieser Darstellung biete, aber ist es auch schwächer als das ursprüngliche, so wird es doch noch von der intensiven Kraft des letzteren Zeugniß abzulegen im Stande sein.“ An diese vereinzelten Arbeiten schließt sich gewissermaßen als Schlußstein seiner gesammten Wirksamkeit das „Breviarium der christlichen Ethik“, München 1865, das er verfaßte „zur Recapitulation für die ehemaligen Zuhörer, für die gegenwärtigen zum Gebrauch bei den Vorlesungen und zum Studium für jene, die einen raschen Ueberblick über die christliche Ethik gewinnen wollen“. Dieses Werk sollte gewissermaßen das letzte Vermächtniß an seine Schüler werden. Obwol nämlich R. noch in den besten Mannesjahren stand, war doch seine Lebenskraft bereits zur Neige. Er scheint dies auch geahnt zu haben; ohne irgendwie zu kränkeln traf er im Sommer 1866 die nöthigen Dispositionen für den Fall seines Ablebens. Anscheinend vollkommen gesund, ging er im September zum Ferienaufenthalt nach Stadtamhof, um wie gewohnt, im elterlichen Hause einige Zeit zu verbringen. Hier überfiel ihn mit Beginn des Monats October eine Rückenmarkserweichung, die sofort das Schlimmste befürchten ließ. Nachdem er sich zum Hintritt vor den Herrn wohl vorbereitet, verschied er sanft und ohne Kampf am 6. November 1866 und wurde auf dem nahen Dreifaltigkeitsberg zur letzten Ruhe gebettet. R. war mehr eine receptive als productive Natur und sein Leben floß wie ein klarer Bach in dem ihm bestimmten, bescheidenen Bette geräuschlos dahin, klar vom Ursprung bis zur Mündung. Sein ganzer Bildungsgang wie seine Sinnesart hatte etwas fast monoton Ebenmäßiges, ohne jegliche Passion oder stürmisches Ueberwallen. Sein Charakter schien wie aus einem Faden gesponnen und zeigte eine Genügsamkeit und Bescheidenheit, die aller ehrgeizigen Ueberhebung und Ambition ferne stand.