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Artikel „Reinthaler, Karl Martin“ von Carl Krebs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 292–293, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Reinthaler,_Karl_Martin&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 19:34 Uhr UTC)
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Reinthaler: Karl Martin R., Componist und Organist, ist am 13. October 1822 als ältester Sohn des Rectors am Martinsstift zu Erfurt geboren, in demselben Hause, wo Martin Luther drei Jahre als Mönch zugebracht hat. So erhielt R. durch diese Erinnerung schon in der Jugend vielfache religiös-poetische und musikalische Anregungen. Schon als Knabe wurde er oft in Kirche und Schule beim Orgelspiel verwendet und konnte seinen Vater in dessen auf die Belebung des Kirchen- und Volksgesanges gerichteten Bestrebungen mannichfach unterstützen. Gründlichere Ausbildung erfuhren seine musikalischen Talente durch den bekannten Domorganisten und Musikforscher A. Ritter zu Magdeburg (s. A. D. B. XXVIII, 670). Ostern 1841 bezog er die Universität Berlin um Theologie und Musik zu studiren, und wenn er auch sein theologisches Candidatenexamen ablegte, so hatte doch in ihm die Neigung zur Musik, durch die er als Gesanglehrer auch seinen Lebensunterhalt gewann, bereits so sehr das Uebergewicht erlangt, daß er beschloß, sich ihr ganz zuzuwenden. Durch Unterricht bei Bernhard Marx war er bestrebt gewesen, sein theoretisches Können und seine Compositionsbegabung weiter auszubilden; seine Mitwirkung in der Singakademie, sein Verkehr mit Musikern und gebildeten Musikfreunden gaben ihm reichliche Anregungen, [293] und er war auf dem besten Wege, ein tüchtiger Künstler zu werden, als ein asthmatisches Leiden ihn befiel, das die Entwicklung seiner Fähigkeiten auf Jahre hinaus hemmte. 1850 hatte er das Glück, daß Friedrich Wilhelm IV., der ein lebhaftes Interesse für Musik und besonders für kirchliche Tonkunst hatte, ihm eine Unterstützung zu einer Studienreise nach Italien gewährte. R. ging zunächst nach Paris, bildete sich bei Geraldi im Gesang weiter und lag im übrigen der Composition ob. Ostern 1851 kam er nach Rom, wo er über zwei Jahre blieb und gemeinsam mit Dr. Witt, seinem Hausgenossen in der Casa tarpeia, Studien in altitalienischer Kirchenmusik betrieb. Im Herbst 1853 ging er wieder nach Deutschland zurück, und zwar folgte er einem Ruf als Gesanglehrer an das Kölner Conservatorium. Hier am Rhein beendigte er sein Oratorium „Jephtha und seine Tochter“, dessen Anfänge nach Italien fallen, in die Zeit seiner Beschäftigung mit dem musikalischen Cinquecento. Das Werk wurde an vielen Orten aufgeführt, nicht allein in Deutschland, sondern auch in Holland. Friedrich Wilhelm IV. nahm seine Widmung an und verlieh dem Componisten dafür die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft. Im März 1858 siedelte R. nach Bremen über. Er war zum Nachfolger des im Jahre zuvor verstorbenen Dr. F. W. Riem ausersehen und hat in den Stellungen eines städtischen Musikdirectors, dem die Leitung der nach dem Muster der Gewandhausconcerte eingerichteten Abonnementsconcerte zufiel, als Domorganist und Director der Singakademie eine vielseitige und höchst ersprießliche Thätigkeit entfaltet. Seit 1859 stand er auch an der Spitze der Liedertafel, deren Kräfte er für die Aufführungen der Singakademie zu gewinnen suchte, und seit 1875 leitete er den Domchor und einen gemischten Volkschor für a cappella-Gesang, der an den Sonntagen im Gottesdienst mitwirkte. 1882 wurde er zum ordentlichen Mitglied der königl. Akademie der Künste in Berlin ernannt und 1888 erhielt er den Professortitel. Er starb am 13. Februar 1896 in Bremen. (Das Biographische nach einer von R. selbst für das Archiv der Akademie verfaßten Aufzeichnung.)

Als Componist zeichnet sich R. durch ein bedeutendes contrapunktisches Können mehr aus, als durch erfinderische Originalität. Außer dem bereits erwähnten Oratorium „Jephtha“ sind von seinen größeren Chorwerken zu nennen „In der Wüste“ und „Das Mädchen von Kolah“; ferner hat er zwei Opern geschrieben: „Edda“, die 1875 in Bremen und 1877 in Hannover mit Erfolg aufgeführt wurde, sowie das 1881 in Köln preisgekrönte „Käthchen von Heilbronn“. Einen von Dortmund ausgeschriebenen Preis hat er sich auch mit der Bismarckhymne (Gedicht von Rudolf Gottschall) errungen. Er schrieb sodann noch eine Symphonie in D-dur, Lieder, Männerchöre, sowie eine Anzahl kirchlicher Werke, und gerade in diesen im strengen Stil gehaltenen Werken zeigte er seine besten Kräfte. Es seien erwähnt: Kantate nach Worten der Heiligen Schrift, für Kinderstimmen und Orgel (Leipzig); der 70. Psalm, 8stimmig (Berlin); zwei Psalmen (126 u. 47) für gemischten Chor a cappella, op. 18 (Bremen); der 23. Psalm für 2 Solostimmen oder kleinen Chor mit Pianoforte, op. 34 (Leipzig); der 91. Psalm für Männerchor, Soli und Orchester, op. 35 (ebd.); der 84. Psalm für gemischten Chor und Pianoforte, op. 39 (Berlin); drei Psalmen: Psalm 147 für 8stimmigen Chor, op. 40 – Psalm 130 für 6stimmigen Chor, op. 41 – Psalm 103 für 4stimmigen Chor, op. 42 (Leipzig); Bremisches Choralbuch, enthaltend sämmtliche Melodien zu den beiden Bremischen Gesangbüchern. Für Orgel oder Pianoforte vierstimmig bearbeitet (Bremen 1862).