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Artikel „Rümker, Karl Ludwig Christian“ von Siegmund Günther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 29 (1889), S. 656–657, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:R%C3%BCmker,_Charles&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 04:40 Uhr UTC)
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Rümker: Karl Ludwig Christian R., Astronom, geboren zu Neubrandenburg (nicht zu Stargard, wie bei R. Wolf und Hellmann zu lesen) am 28. Mai 1788, † zu Lissabon am 21. December 1862. Sohn eines mecklenburg-strelitz’schen Hofrathes, empfing R. theils im Elternhause teils im „Grauen Kloster“ zu Berlin eine gründliche Bildung; seine ausgesprochene mathematische Neigung ließ ihn dem Baufache sich zuwenden, er absolvirte die Berliner Akademie und bestand 1807 die Prüfung als preußischer Bauconducteur. Allein die traurigen Zustände Preußens in jenen Tagen ließen keine Hoffnung auf Weiterkommen im Civildienste zu, und da auch in Hamburg, wohin sich R. von Berlin zunächst wandte, die Aussichten keine günstigeren zu sein schienen, so entschloß er sich kurz, ging nach England und trat in den Seedienst ein. Als Seecadett durchfuhr er, theils auf Kauffahrteischiffen, theils auf Fahrzeugen der ostindischen Compagnie alle Oceane, bis er zuletzt als Schiffslieutenant und Navigationslehrer der Mittelmeerflotte zugetheilt wurde. Als solcher kämpfte er gegen die Franzosen und machte das Bombardement Algiers (durch Lord Exmouth) mit, zugleich aber sollte diese Stellung dazu dienen, eine vollständige Wendung seines Lebensschicksales herbeizuführen. Bei einem Besuche in Genua lernte R. nämlich zufällig den bekannten Astronomen Baron Zach kennen, der schon öfter wohlthätig bestimmend in das Leben junger Gelehrten eingegriffen hatte; derselbe regte Rümker’s astronomischen Eifer von neuem an, nahm mehrere von demselben gemachte Ortsbestimmungen in seine „Monatliche Correspondenz“ auf und bewirkte es wesentlich, daß R. 1817 aus dem englischen Dienste ausschied und die Leitung der Hamburger Navigationsschule übernahm. Diese führte er bis 1821, in welchem Jahre er dem für die Colonie Neusüdwales neuernannten Gouverneur Sir Thomas Brisbane nach Australien folgte, und zwar zunächst als Privatastronom, später als Astronom der Colonie am „Flagstaff-Observatorium“ zu Paramatta. Diese Sternwarte ist durch Rümker’s Arbeiten rasch berühmt geworden, und seine Nachfolger Dunlop und Neumayer sind völlig in seine Fußstapfen getreten. Anno 1831 kehrte R. in seine frühere, jetzt aber sehr erweiterte Stellung als Director der Seemannsschule und Sternwarte zu Hamburg zurück und widmete sich deren Geschäften mit einem für seine Gesundheit wohl zu großen Eifer. Es kam nicht selten vor, daß er nach beim Beobachten durchwachter Nacht fünf bis sieben Unterrichtsstunden des Tages ertheilte. So gewann denn ein älteres asthmatisches Leiden immer mehr Gewalt über ihn und veranlaßte ihn, 1857 sein Amt niederzulegen und nach der ihm aus früherer Zeit in lieber Erinnerung stehenden portugiesischen Hauptstadt überzusiedeln, deren milde Luft freilich auch der fortschreitenden Krankheit nicht Einhalt zu thun vermögend war.

In Paramatta beschäftigte sich R. wesentlich mit der Katalogisirung des Südhimmels, und seine die Ergebnisse dieser gewaltigen Arbeit zusammenfassenden Werke („Preliminary catalogue of fixed stars“, Hamburg 1832; „Mittlere Oerter von 12 000 Fixsternen“, das. 1846–52) haben für den rechnenden Astronomen eine fundamentale Bedeutung erlangt. Auch suchte er daselbst zur Parallaxenbestimmung von Fixsternen das seinige beizutragen. In Hamburg wendete er den kleinen Planeten und Kometen große Aufmerksamkeit zu; er berechnete die Bahnelemente für Lutetia, Massalia, Melpomene und für nicht weniger als zwölf Kometen. Seine amtliche Stellung aber wies ihn vorwiegend auf die nautische Astronomie hin, wie seine zahlreichen hierauf bezüglichen Publicationen ausweisen („Ueber die Oerter spärischer Dreiecke“, Hamburg 1834; „Vorschlag zur genauen Berechnung der Refraktion u. s. w.“, das. 1837; „Ueber die Berechnung der Sonnenfinsternisse u. s. w.“, das. 1837; „Elementare Darstellung der Analyse der Fixsternbedeckungen des Herrn v. Bessel, das. 1846 bis 1847; „Längenbestimmung durch den Mond, eine nautisch-astronomische [657] Abhandlung“, das. 1849). Zumal diese letztere mit ihren fünfzehn Hülfstafeln kam dem Bedürfnisse des praktischen Seefahrers entgegen, dem Bessel’s allgemeine flächentheoretische Entwickelungen transcendent sein mußten. Auch gab R. in seinem ausgezeichneten „Handbuch der Schifffahrtskunde mit einer Sammlung von Seemannstafeln“ (Hamburg, 4. Auflage 1844, 5. Auflage 1850), das erste, höheren Anforderungen genügende Compendium der wissenschaftlichen Nautik. Seine Behandlung der Raumtrigonometrie in diesem Buche stützt sich auf einen neuen Gedanken, der später von einem anderen Mathematiker annectirt werden wollte, worauf R. energisch seine Priorität wahrte. Viele kleinere Mittheilungen Rümker’s, auf welche hier einzugehen zu weitläufig wäre, sind in den astronomischen Journalen von Schumacher und Gould enthalten. Auch für Physik der Erde hegte R. lebhafte Theilnahme; so veröffentlichte er magnetische und meteorologische Beobachtungen aus Australien und Hamburg, verfolgte den Gang der Gewitter (vgl. Archiv der Freunde für Naturgeschichte in Mecklenburg, 1857) und bestimmte die Pendellänge für Paramatta (Mem. of the R. Austr. Society, 1829). So kam es naturgemäß, daß Rümker’s Name bei allen Fachmännern ein höchst geschätzter wurde, und daß verschiedene gelehrte Corporationen ihn zum Mitgliede wählten, wie z. B. die königl. astronomische Gesellschaft in London, die philosophische Gesellschaft in Philadelphia und manche andere.

R. wußte aber sein Interesse für Sternkunde auch seiner ganzen Familie einzuflößen. Seine Gattin Marie entdeckte den Kometen VI des Jahres 1847 (Astr. Nachrichten, 26. Bd.) und sein Sohn Georg, zur Zeit Director der einst vom Vater geleiteten Anstalt und Abtheilungsvorstand der deutschen Seewarte für Chronometerprüfung gehört zu den geachtetsten deutschen Astronomen.

G. Rümker’s Nekrolog, Astron. Nachrichten, 59. Bd., Sp. 113 ff. – R. Wolf. Geschichte der Astronomie, München 1877, S. 713, 716, 728 ff. – Hellmann, Repertorium der deutschen Meteorologie, Leipzig 1883. Sp. 418 ff.