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Artikel „Quedenfeld, Max“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 176–179, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Quedenfeld,_Max&oldid=- (Version vom 27. November 2024, 05:59 Uhr UTC)
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Band 53 (1907), S. 176–179 (Quelle).
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Quedenfeldt: Max Q., Forschungsreisender und Ethnolog, ist am 13. Juni 1851 zu Großglogau in Schlesien als Sohn eines preußischen Officiers geboren. Durch seinen Vater, einen tüchtigen, auch in wissenschaftlichen Kreisen geschätzten Entomologen, wurde er von früher Jugend an zu verständnißvoller Betrachtung der umgebenden Thier- und Pflanzenwelt angeleitet. Aber sein Wunsch, sich ganz dem Berufe des Naturforschers widmen zu dürfen, ging nicht in Erfüllung. Vielmehr bestimmte man ihn, den Ueberlieferungen der Familie entsprechend, für die militärische Laufbahn. Zunächst besuchte er die Ritterakademie zu Liegnitz. Dann trat er im März 1866 in das Cadettencorps, darauf im Frühjahr 1870 in das damals in Tangermünde garnisonirende 7. Dragonerregiment ein. Mit diesem zog er in den deutsch-französischen Krieg, nahm ohne Verwundung an mehreren Gefechten theil und wurde während der Belagerung von Paris zum Secondlieutenant befördert. [177] Nachdem er 1875 zum 21. Infanterieregiment nach Bromberg versetzt worden war, trat er 1878 zur Landwehr über und erhielt bald darauf den Rang eines Premierlieutenants. Nun fand er die nöthige Muße, um seinen wissenschaftlichen Neigungen leben zu können. Anfangs widmete er sich hauptsächlich dem Sammeln und Bestimmen von Insekten. Allmählich aber ging er zu geographischen und völkerkundlichen Forschungen über. Das Bücherstudium entsprach seinen Neigungen nicht, vielmehr sagte ihm das Beobachten in freier Natur am besten zu. Deshalb unternahm er eine Reihe von Forschungsreisen, die seinen Namen bald in den Kreisen der Fachgelehrten bekannt machten. Im Sommer 1878 besuchte er zunächst Südungarn, Serbien und Bosnien. Dann durchstreifte er vom October 1880 an neun Monate lang Spanien, namentlich Andalusien, Portugal und die Nordhälfte Marokkos bis zum Hohen Atlas und zur Hauptstadt Marrakesch. Dieses Land zog ihn seitdem immer wieder an, und mit Recht galt er später als einer der besten Kenner Marokkos und seiner Bewohner. Bereits im Frühjahr 1883 besuchte er es abermals und verweilte längere Zeit in den bedeutendsten Hafenplätzen, unternahm auch wiederum einen Vorstoß bis an den Fuß des Hohen Atlas, um Sitten, Sprache und Lebensweise der Eingeborenen möglichst genau kennen zu lernen. Im nächsten Jahre durchwanderte er zu gleichem Zwecke während einiger Monate das benachbarte Algerien. Als ihm die Berliner Akademie der Wissenschaften in Anerkennung des bisher Geleisteten eine namhafte Summe zur Fortsetzung seiner zoologischen und ethnographischen Forschungen bewilligte, begab er sich im December 1885 von neuem nach Marokko. Zunächst hielt er sich einige Wochen in Tanger und anderen Küstenstädten des Nordens auf. Dann fuhr er zur See nach dem weiter südlich gelegenen Hafen Mogador, darauf wieder eine Strecke nordwärts nach Safi, wo er mit dem gerade auf einem Beutezug begriffenen Sultan und seiner Armee zusammentraf. Er wünschte sich an der Heerfahrt zu betheiligen, um auf diese Weise in die den Europäern verschlossenen südlichen Provinzen jenseits des Atlas zu gelangen, doch wurde ihm die Erlaubniß unter allerhand nichtigen Vorwänden versagt. Da ein Vorgehen auf eigene Hand ohne amtliche Geleitbriefe wegen der herrschenden Unsicherheit nicht rathsam erschien, begnügte er sich damit, einen Ausflug nach der Hauptstadt Marrakesch und in die Vorberge des Hohen Atlas zu unternehmen. Von hier aus folgte er der nördlichen Karawanenstraße bis Casablanca und zog dann, unter Ueberwindung mannichfacher Beschwerden und Gefahren, an der Küste entlang bis Tanger. Nachdem er den Winter in Deutschland zugebracht hatte, kehrte er bereits im April 1887 nach Afrika zurück. Zunächst hielt er sich drei Monate hindurch auf den Canarischen Inseln, namentlich in Lanzarote auf. Dann setzte er nach dem Cap Djubi auf der benachbarten afrikanischen Festlandsküste über, doch mußte er schon nach wenigen Tagen aus Mangel an Transportmitteln seine Absicht aufgeben, am Meere entlang nach Norden vorzudringen und den noch sehr wenig bekannten Rand der nordwestlichen Sahara zu erforschen. Um in Zukunft nicht mehr durch berufliche Verpflichtungen in der freien Verfügung über seine Zeit behindert zu sein, nahm er im Sommer 1888 endgültig seinen Abschied aus dem Militärdienst und begab sich darauf im October desselben Jahres über Italien und Sicilien nach Tunis, wo er seine ausgebreitete Kenntniß nordafrikanischer Mundarten wesentlich vertiefte und ergänzte. Dann durchzog er das benachbarte Tripolitanien, ohne indeß weit nach dem Inneren vorzudringen, da ihn eine nicht unbedenkliche Erkrankung im Juli 1889 zur Heimkehr nöthigte. Erst nach längerer Zeit war er wieder soweit hergestellt, [178] daß er eine neue Reise planen konnte. Diesmal wollte er nicht wieder den mohammedanischen Westen, sondern vielmehr den ihm völlig unbekannten Orient besuchen. Im Februar 1891 begab er sich zunächst nach Constantinopel, durchquerte dann die ägäischen Küstenlandschaften Kleinasiens und fuhr von Smyrna aus mit der Eisenbahn landeinwärts. Er kam aber nur bis zu der erst kürzlich eröffneten Station Diner, wo ihn ein heftiges Fieber heimsuchte, das ihn schließlich zwang, zunächst nach Smyrna zurückzukehren. Als er hier keine Heilung fand, begab er sich über Triest ins elterliche Haus nach Berlin. Die ärztliche Untersuchung stellte ein schweres Nierenleiden fest, das auch verschiedenen operativen Eingriffen trotzte. Schließlich traten Complikationen hinzu, die Kräfte verfielen rasch, und am 18. September 1891 erlöste ihn ein sanfter Tod von seinen Schmerzen. Er starb im besten Mannesalter und hätte sicher bei längerem Leben noch Bedeutsames auf verschiedenen wissenschaftlichen Gebieten geleistet.

Leider war es ihm nicht vergönnt, die Ergebnisse seiner Forschungen in einem zusammenhängenden größeren Werke darzustellen. Vielmehr hat er nur eine beträchtliche Zahl von Abhandlungen hinterlassen, die in verschiedenen naturwissenschaftlichen und geographischen Zeitschriften zerstreut sind. Seine frühesten Arbeiten gehörten dem Gebiete der Insektenkunde an und wandten sich ausschließlich an enge Fachkreise, so daß sie des allgemeineren Interesses entbehren. Sie erschienen zumeist in der Berliner Entomologischen Zeitschrift und in den Entomologischen Nachrichten. Später, als er sich vorwiegend völkerkundlichen Forschungen widmete, die sich hauptsächlich auf die Bewohner Marokkos bezogen, wurde er durch zahlreiche Vorträge in gelehrten Gesellschaften und durch Aufsätze in vielverbreiteten Zeitschriften auch weiteren Kreisen bekannt. In den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie veröffentlichte er: „Aberglaube und halbreligiöse Bruderschaften bei den Marokkanern“ (1886, S. 671–692), „Anthropologische Aufnahmen von Marokkanern“ (1887, S. 32–33), „Nahrungs-, Reiz- und kosmetische Mittel bei den Marokkanern“ (1887, S. 241–285), „Die Pfeifsprache auf der Insel Gomera“ (1887, S. 731–741), „Die Corporationen der Ulêd Ssîdi Hammed-u-Mûssa und der Ormâ im südlichen Marokko“ (1889, S. 572–586), „Ueber die Verständigung durch Zeichen und Geberdenspiel bei den Marokkanern“ (1890, S. 329–331); in der Zeitschrift für Ethnologie: „Einteilung und Verbreitung der Berberbevölkerung in Marokko“, trotz ihrer unübersichtlichen Anlage wohl die inhaltreichste und werthvollste unter seinen Arbeiten, durch welche er auf die in Verschiedenheiten von Sprache, Typus und Sitten begründete Eintheilung der Bewohner Marokkos in drei große natürliche Gruppen hinwies (XX, 1888, S. 98–130, 146–160, 184–210; XXI, 1889, S. 81–108, 157 bis 201); in den Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin: „Reisen und Reiseverhältnisse in Marokko“ (XIII, 1886, S. 440–460); in der Zeitschrift derselben Gesellschaft: „Karte des westlichen Sûs-, Nûn- und Tekena-Gebiets (XXII, 1887, Tafel V und S. 421–428); im 3. Jahresbericht der Geographischen Gesellschaft zu Greifswald: „Mittheilungen aus Marokko und dem nordwestlichen Saharagebiet“ (Theil II, 1889, S. 1–65, mit Karte); endlich im „Ausland“: „Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis (LXIII, 1890, S. 314–316, 321–326, 354–358, 368–373, 495–499, 515–519, 532–534, 560), „Bräuche der Marokkaner bei häuslichen Festen und Trauerfällen“ (ebd. S. 716–719, 730 bis 734), „Wie die Udáia Mohammedaner wurden“ (ebd. S. 806–808), „Das türkische Schattenspiel im Magrib“ (ebd. S. 904–908, 921–926, 939) und „Krankheiten, Volksmedicin und abergläubische Kuren in Marokko“ [179] (LXIV, 1891, S. 75–79, 95–98, 126–129). In der Geschichte der wissenschaftlichen Erforschung Marokkos wird sein Name dauernd mit Ehren genannt werden.

Ausland, Band LXIV (1891), S. 901–902 (R. Hartmann). – Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik, Band XIV (1891/92), S. 140–142, mit Bildniß (G. Rohlfs).