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Artikel „Printz, Wolfgang Caspar“ von Wilhelm Bäumker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 593–596, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Printz,_Wolfgang_Kaspar&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 10:36 Uhr UTC)
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Printz: Wolfgang Caspar P., mit dem Beinamen von Waldthurn, wurde am 10. October 1641 zu Waldthurn, einer kleinen Stadt der Oberpfalz, geboren. Sein Vater Christoph Printz aus Schlieben in Sachsen bekleidete das Amt eines Forstmeisters und Contributionseinnehmers; seine Mutter, Maria Catharina, war die Tochter des evangelischen Pfarrers Johann Schütter in Leonardsreith. Im Jahre 1649 mußten die Eltern Waldthurn „der Religion halber“ verlassen. Sie begaben sich nach Vohenstrauß, einem Städtchen des Pfalzgrafen zu Sulzbach, wo der Vater die Stelle eines Zolleinnehmers erhielt. Hier bekam der Knabe den ersten Unterricht im Lateinischen und in der Musik. In diesem letzteren Fache waren seine Lehrer: Kilian Hammer, von dem P. sagt, daß er zur Beseitigung des schwierigen Mutationssystems den 6 vocibus ut, re, mi, fa, so, la die siebente si hinzugefügt habe; sodann: Wilhelm Stöckel aus Nürnberg, „ein guter Organist und nicht unebner Componist“ und endlich Andreas Pauli von der Heyd aus Böhmen, von welchem P. „Geigen und auf dem Instrument schlagen“ lernte. Im Jahre 1655 ging er nach Weiden, eine Meile von Waldthurn gelegen, um auf der dortigen Schule seine Studien fortzusetzen. Hier genoß er den Unterricht des Rectors Jacob Fischer, des Cantors Wolfgang Altus und des Joh. Konrad Mertz, der „Organist und erfahrener Componist“ war. Zugleich lernte ihn der Instrumentalmusiker Joh. Georg Schober „etliche Blasinstrumente“ spielen.

Nachdem P. vierthalb Jahre lang die Schule in Weiden besucht hatte, bezog er auf den Wunsch seines Vaters im Jahre 1659 die Universität Altdorf, um Theologie zu studiren. Bereits zwei Jahre später sah er sich genöthigt, das Studium aus Mangel an Mitteln wieder aufzugeben. In seine Heimath mochte er nicht zurückkehren, weil sein Vater nach dem Tode der Mutter sich wiederum verheirathet hatte. Darum entschloß er sich, „andere Länder zu besehen und in denselben sein Glück zu suchen“. Er reiste durch das Frankenland und Hessen an den Rhein und kam schließlich nach Heidelberg, wo er einige Zeit verblieb. Als auch hier „das Glück zu seinem Glücke sich nicht fügen wollte“ und er wegen Verwickelung in religiöse Controversen (er war Lutheraner) fliehen mußte, gedachte er „noch andere Länder zu besuchen“. Entblößt von allen Hilfsmitteln trat er als Lakai in den Dienst eines reichen Holländers und bereiste mit diesem Deutschland, sowie Italien. Nachdem er „ziemlich herumgeirrt und viel Ungemach ausgestanden“, kam er im J. 1662 nach Dresden. Hier lernte er den „vortrefflichen Musiker“ Franciscus Santi von Perusia kennen. Dieser Italiener wußte das vorzügliche musikalische Talent Printzens zu schätzen und empfahl ihn dem Reichsgrafen von Promnitz: Erdmann Leopold. In Folge dieser Empfehlung wurde P. als Musikdirector und Componist an den kleinen Hof von Promnitz berufen. Mit dem Grafen, der zugleich kaiserlicher Oberst war, marschierte P. durch Schlesien, Mähren, Oesterreich und Ungarn. In Altenburg (Ungarn) erkrankte der Graf und begab sich zur Kur nach Wien. Unterdessen zog P. mit dem Hofgesinde dem kaiserlichen Feldlager nach bis Preßburg. Hier verließ er dasselbe und reiste zu seinem Herrn nach Wien und von da durch Mähren und Schlesien nach Sorau. Nach dem Tode des Grafen (19. Januar 1664) erhielt P. seinen Abschied und nahm darauf eine Stelle als Cantor in Triebel an. Die Zeit, welche er hier verbrachte, war nach seiner eigenen Aussage die glücklichste seines Lebens. Er verheirathete sich mit der Tochter des Apothekers Joachim Müller in Sorau, welche ihm im Laufe der Zeit 8 Kinder gebar. Am 24. Juni des folgenden Jahres (1665) nahm er die einträglichere Stelle eines Cantors in Sorau an. Zu den Pflichten, welche dieses Amt ihn auferlegte, kam im J. 1682 noch die Direction der Capelle des Grafen v. Promnitz. Nach 52jähriger [594] Thätigkeit starb P. am 13. October 1717 im Alter von 76 Jahren. Er hat über seine Person und seine Arbeiten eine Autobiographie hinterlassen. Einen Abriß derselben findet man im XVII. Capitel seines Werkes „Historische Beschreibung der edelen Sing- und Kling-Kunst etc.“ Dresden 1690. S. 216–223. Diesen habe ich meiner Darstellung zu Grunde gelegt und das zwischen Anführungszeichen stehende wörtlich citirt. Auch Mattheson bringt die biographischen Aufzeichnungen Printzens in seiner „Ehrenpforte“, S. 257–276. Aus diesen läßt sich ersehen, daß P. ein sehr thätiger Componist und Schriftsteller war. Leider sind von seinen Compositionen keine auf uns gekommen. Seine theoretischen Werke sind folgende:

1. Anweisung zur Singkunst. Dieses Buch ist nur bekannt aus der Autobiographie des Verfassers: „In den ersten Jahren meines neuen Amtes ließ ich zwey Tractätgen drucken, nemlich die Anweisung zur Singkunst anno 1666, welche anno 1671 zum andern und anno 1685 zum drittenmal aufgelegt worden, und Compendium Musices anno 1668, welches, weil ich mich der Kürtze gar zu sehr beflissen, viel zu obscur gerathen.“[WS 1] (Hist. Beschreibung der edelen Sing- und Kling-Kunst. 1690. S. 221.)

2. Compendium Musicae signatoriae et modulatoriae vocalis, das ist: Kurtzer Begriff aller derjenigen Sachen, so einem, der die Vocal-Music lernen will, zu wissen von nöthen seyn. Auf Begehren aufgesetzt, und ans Licht gegeben von Wolffgang Caspar Printzen von Waldthurn, der Reichs-Gräfl. Promnitz. Capell-Music bestallten Dirigenten und Cantore zu Sorau. Dreßden, verlegts Johan. Christoph Mieth, druckts Johann Riedel, 1689. 109 S. kl. 8 und 8 S. Errata. Der erste Druck dieses Büchleins erfolgte nach der Angabe des Autors (siehe unter 1) im J. 1668. Eine weitere Ausgabe erschien zu Dresden und Leipzig 1714. (Gräfl. Stolbergische Bibliothek in Wernigerode und Königl. Bibliothek in Berlin.)

3. Wolffgang Caspar Printzens, von Waldthurn, Reichs-Gräfl. Promnitzschen Directoris Musices und Cantoris zu Sorau, Phrynis oder Satyrischer Componist, Welcher Vermittelst einer Satyrischen Geschicht alle und jede Fehler der ungelehrten, selbgewachsenen, ungeschickten und unverständigen Componisten höfflich darstellet und darneben lehret, wie ein Musicalisches Stück rein, ohne Fehler und nach dem rechten Grunde zu componiren und zu setzen sey: Dessen Erster Theil enthält Synopsin Musices Poeticae, oder Eine kurtze Einleitung zur Kunst nach dem rechten Grunde zu componiren. Denen Cantoribus, Organisten und Kunst-Pfeiffern zu beliebigen Gefallen auffgesetzet, und ans Licht gegeben. Quedlinburg. In Verlegung Christian Okels, 1676. 1 Titelkupfer, 1 Titelblatt und 2 Blätter mit der Dedication, sodann Bogen A bis OI kl. 4. (Königl Bibl. in Berlin.) Im folgenden Jahre erschien der zweite Theil dieses Buches: „Phrynis Mytilenaeus, oder ander Theil des Satyrischen Componistens. Sagan 1677.“ Den dritten Theil gab P., nach seiner eigenen Angabe, am 16. October 1679 seinem Verleger zum Druck, wann er zuerst erschien, vermag ich nicht zu sagen. Im J. 1690 war er noch nicht gedruckt. Gegen den ersten Theil erschien eine Kritik unter dem Titel: „Refutation des Satyrischen Componisten oder so genanten Phrynis u. s. w. Gedruckt in der Welt Anno 1678.“ Hierauf antwortete P. in einer Schrift: „Declaration oder Weitere Erklärung der Refutation des Satyrischen Componistens oder so genannten Phrynis u. s. w., gedruckt zu Cosmopolis Anno 1679.“ Der erste und zweite Theil des Satyrischen Componisten erschien vermehrt mit dem dritten Theile und einem Prodromus im J. 1696 zu Dreßden und Leipzig, Verlegts Johann Christoph Mieth und Johann Christoph Zimmermann, druckts Johann Riedel, C. S. Hoff-Buchdr. 4. Der Prodromus (48 S.) enthält die „Historiam des Satyrischen Componisten oder Wahrhafften [595] Erzehlung, Was sich mit demjenigen Musicalischen Tractat, welcher Phrynis Mytilenaeus, und der Satyrische Componist genennet wird, bißhero begeben und zugetragen hat, dem curiosen Leser zu vergnügen aufgesetzt und an das Licht gegeben.“ Unter anderm finden sich hier die beiden Kritiken reproducirt. Dann folgt der erste Theil des Satyrischen Componisten, 116 S. 4. Der zweite Theil führt den Titel: Phrynidis Mytilenaei Oder des Satyrischen Componisten Ander Theil, So in sich hält Mancherley Musicalische Discurse, Als von denen Proportionibus, denen Reqvisitis eines guten Componisten, de Variationibus, vom General-Bass und dergleichen, denen Cantoribus, Organisten und Kunst-Pfeiffern zu beliebigen Gefallen aufgesetzt und ans Licht gegeben von Wolffgang Caspar Printzen, von Waldthurn, Reichs-Gräflichen Promnitzischen Directore Musices und Cantore der Stadt Sorau. Dreßden und Leipzig 1696. 143 S. 4. Der letzte Theil trägt den Titel: Phrynidis Mytilenaei Oder des Satyrischen Componisten dritter Theil, So in sich hält Unterschiedl. Musicalische Discurse, sonderlich aber Von denen Generibus Modulandi, und darbey von unterschiedenen Temperaturen, Musica Rhythmica, Mancherley Contrapuncten, Prolation des Texts, Einer Art Musicalischen Labyrinths Samt andern, so wohl lustigen als ernsthafften Sachen, ans Licht gegeben von … u. s. w. (wie oben). 239 S. 4 und 1 S. Corrigenda über alle 4 Theile. (Königl. Bibl. in Berlin.)

4. Musica Modulatoria Vocalis, Oder Manierliche und zierliche Sing-Kunst, In welcher Alles, was von einem guten Sänger erfordert wird, gründlich und auf das Deutlichste gelehret und vor Augen gestellet wird, Allen Studiosis Musicae Modulatoriae Vocalis, sonderlich aber seinen Discipulis zu Nutz und beliebigen Gefallen ans Licht gegeben Von Wolfgang Caspar Printzen, von Waldthurn, aus der Ober-Pfaltz, Reichs-Gräflichen Promnitzischen Directore Musices und Cantore zu Sorau. Schweidnitz, In Druck und Verlag Christian Okels. Im Jahre 1678, 4. 1 Titelblatt, 3 Blätter mit der Dedication und Vorrede und 79 gez. Seiten. (Königl. Bibl. in Berlin.)

5. Exercitationes Musicae Theoretico-Practicae curiosae De Concordantiis singulis, das ist Musicalische Wissenschafft und Kunst-Uebungen von Jedweden Concordantien, in welchen Jeglicher Concordantz Natur und Wesen, Composition, eigentlicher Sitz, Production, Continuation und Progressus aus gewissen Gründen erkläret, und beschrieben werden. Allen Teutschgesinnten Liebhabern Musicalischer Wissenschafften zu fernern Nachdencken und besserer Ausübung vorgestellet von Wolfgang Caspar Printzen, von Waldthurn, der Reichs-Gräfl. Promnitz. Capell-Music bestallten Dirigenten und Cantore zu Sorau. Dresden. In Verlegung Johann Christoph Miethens, 1689. 1 Kupferstich und 6 + 24 S. 4. Dieser Theil, welcher die Intervalle im Allgemeinen behandelt, bildet die Einleitung (Prodromus) zu dem folgenden Werke, welches in einzelnen Partien erschien: Exercitationum Musicarum theoretico-practicarum curiosarum prima De Unisono: Oder, Erste Curiose Musicalische Wissenschafft- und Kunst-Ubung von dem Unisono; etc. Franckfurt und Leipzig, In Verlegung Johann Christoph Miethens, 1687. 32 S. 4. Unter demselben Titel erschienen noch folgende Abtheilungen; von der Octav; daselbst. 1687. 55 S. 4; von der Quint. 1687. 52 S. 4; von der Tertia majore. 1688. 32 S. 4; von der Quart. 1688. 46 S. 4; von der Tertia minore. 1689. 32 S. 4; von der Sexta majore. 1689. 28 S. 4; von der Sexta minore. 1689. 30 S. 4. Am Schluß 4 S. Corrigenda über alle Theile. (Königl. Bibl. in Berlin.)

6. Historische Beschreibung der Edelen Sing- und Kling-Kunst, in welcher Deroselben Ursprung und Erfindung, Fortgang, Verbesserung, unterschiedlicher Gebrauch, wunderbare Würckungen, mancherley Feinde, und zugleich berühmteste Ausüber von Anfang der Welt biß auff unsere Zeit in möglichster Kürtze erzehlet [596] und vorgestellet werden, aus Denen vornehmsten Autoribus abgefasset und in Ordnung gebracht von Wolfgang Caspar Printzen, von Waldthurn, der Reichs-Gräfl. Promnitz. Capell-Music bestallten Dirigenten und Cantore der Stadt Sorau. Dresden, in Verlegung Johann Christoph Mieths, Buchh. Gedruckt bey Johann Georgen. Anno 1690. 4. 1 Kupferstich, 1 Titelblatt, 4 S. Dedication, 223 gez. Seiten und 17 S. mit dem alphabethisch-geordneten Register. (Königl. Bibl. in Berlin.)

7. Außerdem schreibt man P. folgende musikalische Erzählungen zu: a) Musicus vexatus, oder Der wohlgeplagte, doch Nicht verzagte, sondern jederzeit lustige Musicus instrumentalis, In einer anmuthigen Geschicht vor Augen gestellet von Cotala, dem Kunst-Pfeiffer Gesellen. Freyberg. Zu finden bey Johann Christoph Miethen, Buchhändler. 1690. 204 S. 8. (Königl. Bibl. in Berlin.) b) Musicus magnanimus oder Pancalus, der großmüthige Musicant, in einer überaus lustigen, anmuthigen und mit schönen Moralien gezierten Geschichte vorgestellet von Mimnermo des Pancali gutem Freunde. Daselbst. 1691. 260 S. 8. c) Musicus curiosus, oder Battalus, der vorwitzige Musicant. In einer sehr lustigen, anmuthigen, unerdichteten und mit schönen Moralien durchspickten Geschichte vorgestellet von Mimnermo, des Battali gutem Freunde. Daselbst 333 S. 8. (b und c citire ich nach Fétis, Biographie universelle. Paris 1875. VII. Bd. p. 174.)

8. P. führt in seiner Autobiographie noch Folgendes an: „Sintemal ich die vorlängst schon angefangene Ideam Boni Compositoris, in neun Büchern, denen ich die Nahmen der neun Musen gegeben, zu Ende gebracht, und den vierdten Theil des Satyrischen Componisten, in welchem ich gewiesen, wie mancherley Fugae leicht zu erfinden, und zu componiren seyn, ausgearbeitet. Ich habe auch die Lateinische Musicam Historicam und Tractat de circulo Quintarum et Quartarum Musico, und von der Temperatur geschrieben. Die ersten beyden Tractate seyn mit vielen anderen Musicalischen Scriptis, samt allen meinen Büchern durch den am 2. Maji Anno 1684 geschehenen grausamen Sorauischen Brand, zu nichte gemacht: die letztere aber von guten Freunden, denen ich sie zu lessen gegeben, erhalten worden.“ Hist. Beschreibung der Edelen Sing- und Kling-Kunst. 1690. S. 222. Die theoretischen und musikpädagogischen Schriften Printzens gehören zum Besten, was in jener Zeit geschrieben worden ist. Seine Geschichte der Musik (vgl. Nr. 6) dagegen ist nur eine Compilation theils von geschichtlichen Nachrichten, theils von Anecdoten. Von einigem Werth ist nur die Partie, welche er als Zeitgenosse bearbeitet hat. Sein Stil ist derb und mitunter witzig. Die drei ihm zugeschriebenen Erzählungen (vgl. Nr. 7) haben culturgeschichtlichen Werth, weil sie das Leben und die Lage der Musiker im 17. Jahrhundert schildern. Die Darstellung ist aber, wenigstens in „Musicus vexatus“, den ich gelesen, Ekel erregend.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Schließendes Anführungszeichen nachgetragen.