ADB:Oppenheim, Heinrich Bernhard

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Oppenheim, Heinrich Bernhard“ von Karl Wippermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 396–399, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Oppenheim,_Heinrich_Bernhard&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 22:52 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Oppenheimer, David
Band 24 (1887), S. 396–399 (Quelle).
Heinrich Bernhard Oppenheim bei Wikisource
Heinrich Bernhard Oppenheim in der Wikipedia
Heinrich Bernhard Oppenheim in Wikidata
GND-Nummer 118951009
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|24|396|399|Oppenheim, Heinrich Bernhard|Karl Wippermann|ADB:Oppenheim, Heinrich Bernhard}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118951009}}    

Oppenheim: Heinrich Bernhard O., Publicist, geb. am 20. Juli 1819 in Frankfurt a. M., stammte aus einer seit längerer Zeit hier angesehenen jüdischen Bankiersfamilie. Er besuchte das dortige Gymnasium, studirte die Rechte in Göttingen, Heidelberg und Berlin und wirkte im Anfange der 1840er Jahre in Heidelberg als Privatdocent für Staatswissenschaften und Völkerrecht. Hier gab er einige Schriften staatsrechtlichen Inhalts heraus, so 1842 „Studien der inneren Politik“ und eine „Geschichte und staatsrechtliche Entwickelung der Gesetzgebung des Rheins“; doch ließ er sich von seinem Fach gern immer mehr auf das Gebiet politischer Tagesfragen führen. In „Staatsrechtlichen Betrachtungen über Regierungsfähigkeit und Regentschaft, mit besonderer Rücksicht auf die Thronfolge in Hannover“, trat er in Weil’s „Constitutionellen Jahrbüchern“ (Bd. 2, Stuttg. 1843) gegen die Thronfolgefähigkeit des damaligen blinden Kronprinzen Georg von Hannover auf. Die Neigung [397] zur Publicistik gewann bei ihm bald derart die Oberhand, daß er, von Haus aus zu sorgenfreiem Leben in Stand gesetzt, die Lehrthätigkeit aufgab. Sein letztes Werk als akademischer Lehrer war ein „System des Völkerrechts“ (Frankfurt a. M. 1845). Die Fragen der Bewegung von 1848 nahmen ihn sehr in Anspruch; seine schwachen Versuche als praktischer Politiker sind jedoch gescheitert und ließen ihn immer mehr als einen Mann nur der Feder und der Theorie erscheinen. Er war am 9. März einer der Redner in der aufgeregten Berliner Volksversammlung „unter den Zelten“, wo es sich um eine die Volkswünsche enthaltende Adresse der Stadtverordneten an den König handelte. Seit Ende März trat er mit A. Ruge und Meyen als Hauptredacteur der Berliner Zeitung „Die Reform. Organ der demokratischen Partei“ auf. Dieselbe wurde am 22. April unter die Aufsicht eines Comités gestellt, welches aus den Abgeordneten d’Ester, Joh. Jacoby, Stein, sowie den Vorständen des „Volksclubs“, des „demokratischen Clubs“ und des „Centralausschusses der demokratischen Arbeiter“ bestand. Das Blatt Oppenheim’s zählte zu Mitarbeitern Bakunin, Heinzen, Herwegh und nannte sich seit dem 10. September 1848 „Organ der Linken der Nationalversammlung“. Ende April 1848 bewarb er sich in Berlin um ein Mandat für die deutsche Nationalversammlung, hielt aber in der Abneigung gegen eine persönliche Berührung mit der Volksmasse die Ablegung eines politischen Glaubensbekenntnisses für unnöthig. Genügend hierfür hielt er seinen Hinweis in der „Reform“ auf seine Schriften, auf seinen Grundsatz, „daß die Völker nur in der Freiheit für die Freiheit reif“ würden und auf seine Erklärung, daß die Opposition, zu welcher er gehöre, niemals Zugeständnisse gemacht habe. Die Berliner Volksmassen hatten aber kein Interesse für Oppenheim’s System des Völkerrechts und dergleichen; der bloß mit der Feder auftretende Candidat genügte ihnen nicht, wenn auch dessen Blatt allerdings sogar für Abschaffung der „Soldateska“ aufgetreten war. O. war eben zum Volksredner nicht geeignet und empfand wohl auch eine Scheu vor der praktischen Vertretung seiner in der Studirstube weitgehenden Theorien. Um so mehr aber glaubte er sich auf die schriftstellerische Thätigkeit hingewiesen zu sehen. Gleich nach Octroyirung der preußischen Verfassung sprach er sich in einer Schrift „Kaltblütige Glossen zu der Verfassungsurkunde vom 5. December 1848“ (Berl. 1848) dahin aus, die Regierung habe „nur gezwungen nachgegeben, um ihr nacktes Leben zu fristen“. In Preußen war aber bald nicht mehr die Zeit für eine derartige Wirksamkeit. O. begab sich daher 1849 wieder nach Baden, um für die dortige Revolution zu wirken. Von seiner nächsten Thätigkeit dort liegt nur ein Bericht von Häusser vor. Dieser erzählt in seiner „Geschichte der badischen Revolution“, S. 417, auf Grund der Acten, O. habe in Karlsruhe das Privatcabinet des geflüchteten Großherzogs erbrochen, um „mit ungeduldiger Neugier nach Cabinetsgeheimnissen zu forschen“. Im Mai 1849 wurde er von Brentano, dem Leiter der provisorischen Regierung, an K. Blind’s Stelle, zum Redacteur der amtlichen „Karlsruher Zeitung“ bestellt, welche dann alsbald die Franzosen „für die europäische Freiheit und die Verbrüderung der Nationen auf den Posten der Ehre, an den Rhein“, rief. Beim Ausbruch des Zwiespalts zwischen der gemäßigten Richtung Brentano’s und der terroristischen G. Struve’s nahm O. am 5. Juni 1849 in Karlsruhe an der Versammlung Theil, welche den Letzteren an die Spitze zu bringen suchte. Nachdem dieß mißlungen, wurde er von der amtlichen Zeitung entfernt. Sein Verhalten in Baden beruhte im Grunde auf einer Ungeschicktheit des Theoretikers, der durch eine gewisse rigorose Verfolgung seiner Vorstellungen nach Art J. Jacoby’s auf Abwege geräth; von Häusser aber hat er das Zeugniß erhalten, daß er „der echte Repräsentant der Art von Demokraten“ sei, „welche die schmutzige Grundfarbe der badischen Revolution [398] bildete“. Von Baden aus begab sich O. auf Reisen nach der Schweiz, Frankreich, Holland und England. 1850 zurückgekehrt, gab er noch in demselben Jahre eine „Philosophie des Rechts und der Gesellschaft“ heraus. Dann wandte er sich in einer Schrift „Zur Kritik der Demokratie“ mit großer Bitterkeit gegen die von der siegreichen Reaction den Demokraten gemachten Vorwürfe, warf aber zugleich letzteren selbst die Schuld am Unterliegen bei, weil sie sich weniger gegen „die Lüge des Scheinconstitutionalismus als gegen die rohe Gewalt des Despotismus“ gewandt haben. In den Reden von Gagern und Genossen erblickte er eine „Blumenlese des Verraths“; die Revolution erklärte er für berechtigt, wenn die Gewalt nur um ihrer selbst willen ausgeübt werde; eine Unterstützung der Demokraten durch das Ausland hielt er für wünschenswerth, „damit sich die Völker nicht vereinzelt hinschlachten lassen“. 1854 gab er ein „Praktisches Handbuch der Consulate aller Länder“ heraus. In einer Schrift „Deutschlands Noth und Aerzte“ (1859) bekämpfte er die Idee eines deutschen Parlaments neben dem Bundestage. Es folgte seine Schrift „Ueber die Kunst, mit einer Verfassung zu regieren. Ein Vademecum für constitutionelle Minister und solche, die es werden wollen“ (auch in „Demokr. Studien“ von Walesrode, Hamburg 1861). Darin läßt er einen deutschen Diplomaten in einem Briefe an seinen Sohn ein förmliches System der Umgehung von Recht und Gesetz aufstellen. 1861 schrieb O. „Ueber Ministerverantwortlichkeit“ und seit October 1862 gab er in Berlin die „Deutschen Jahrbücher für Politik und Litteratur“, eine im Sinne der demokratischen Seite der Liberalen des preußischen Landtags gehaltene Zeitschrift heraus. In besonderen Schriften behandelte er „Die Lassallesche Bewegung im Frühjahr 1863“ und unter dem Titel „Die Deutschen im Ausland und das Ausland in den Deutschen“ (1865), geißelte er das unpatriotische Verhalten der Deutschen im Auslande. Sehr bezeichnend für seine ganze Richtung schilderte er in der Schrift „Ueber politische und staatsbürgerliche Pflichterfüllung“ (1864), „die Abnahme des Idealismus“ als die Grundursache der politischen Krankheit, welche er in „einer zu großen Accommodationsfähigkeit an die veränderten Umstände“ erblickte. Eine Anzahl seiner erwähnten politischen Schriften gab er nebst Kritiken über Stahl, Tocqueville, Riehl heraus unter dem Titel „Vermischte Schriften aus bewegter Zeit“ (Stuttg. u. Lpzg. 1866). Die Ereignisse von 1866 bewirkten eine große Wandlung bei O. Während Jacoby die Opposition fortsetzte und Koryphäen der gemäßigten Liberalen sich mit der neuen Ordnung nicht recht befreunden konnten, wurde diese von O. mit Freude begrüßt. Er ward Mitglied des von der preußischen Fortschrittspartei und dem liberalen linken Centrum niedergesetzten Centralwahlcomités, welches am 12. November 1866 einen Aufruf bezüglich der Wahlen zum ersten norddeutschen Reichstage erließ und in Altpreußen eine rege Thätigkeit entfaltete. Er trat am 17. December 1866 sogar wieder in einer Berliner Volksversammlung für eine starke deutsche Centralgewalt Preußens und für eine entscheidende Mitwirkung des Parlaments bei der Gesetzgebung und Steuerbewilligung auf. Das Comité verbreitete diese Rede als Flugblatt. Ein anderes Flugblatt[WS 1] Oppenheim’s, „Die Ehre steht auf dem Spiel“ wurde weniger verbreitet, weil die Abgeordneten, welche sich am 17. November 1866 als neue Fraction der nationalen Partei constituirt hatten, gegen dasselbe als zu radical protestirten. Andererseits wurde er für eine festere Organisation der nationalliberalen Partei thätig, als diese von der Fortschrittspartei wegen zu großer Zugeständnisse bei Feststellung der Bundesverfassung angegriffen wurde. Freilich suchte er gemeinsam mit v. Unruh in einem Aufrufe vom 18. October 1867 die Freundschaft mit der Fortschrittspartei aufrecht zu erhalten und machte zeitweise auch den radicalen Standpunkt wieder geltend. So in seinen „Friedensglossen zum Kriegsjahr“ [399] (1871) und in seinem Werke „Benedict Franz Leo Waldeck“ (Berl. 1873). Im allgemeinen aber führte ihn seine Hinwendung zur nationalen Politik zum ersten Male zu einer schriftstellerischen Behandlung unmittelbar praktischer Fragen. Seine erste wirthschaftliche Schrift war „Ueber Armenpflege und Heimathsrecht“ (1870). 1872 schrieb er mehrere volkswirthschaftliche Aufsätze in die „Gegenwart“. In dem Werke „Der Kathedersocialismus“ (Berl. 2. Aufl. 1873) lieferte er eine kritische Charakteristik der Bestrebungen und Schriften der mit jener Bezeichnung belegten Fraction der wissenschaftlichen Nationalökonomen, welche er als „Zukunftsphantasten auf Lehrstühlen der Hochschulen“ bezeichnete und auch in der „Gegenwart“ (1872, Nr. 41 u. 42) durch eine „Blumenlese aus der Eisenacher Socialconferenz“ reizte. Daran schloß sich sein Angriff gegen eine Rede, welche Prof. R. Wagner in Berlin am 12. October 1871 in der dortigen „freien Versammlung evangelischer Männer“ über die sociale Frage gehalten hatte. Wagner antwortete mittelst „Offenen Briefs zur Abwehr manchesterlicher Angriffe“. Am 10. Januar 1874 für Reuß ä. L. in den Reichstag gewählt, trat er hier als Referent über Änderungen der Gewerbeordnung von 1869 auf. Seine Ansichten hierüber legte er im Näheren in der Schrift „Ueber Gewerbegerichte und Contractbruch“ nieder. Bei den Reichstagswahlen vom 10. Januar 1877 in Reuß einem Socialdemokraten unterlegen, hielt er sich andauernd zur nationalliberalen Partei, deren Wahlaufrufe vom December 1876 und August 1879 er unterzeichnete. In Berlin wohnend, befand er sich in ständigem Verkehr mit den Führern dieser Partei. 1876 und 1877 erschienen in „Unsere Zeit“ (Bd. 12 u. 13) Aufsätze Oppenheim’s „Zur inneren Geschichte Preußens seit 1866“, welche einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Geschichte der Fortschrittspartei in Preußen bilden. Ein Aufsatz von ihm über „Die Hilfs- und Versicherungscassen der arbeitenden Classen“ erschien als Heft 56 der „Deutschen Zeit- und Streitfragen“, sein Aufsatz über „Die Gewerbefreiheit und d. Arbeitsvertrag“ im 5. Bde. der „Deutschen Volksschriften“ (Bresl. 1880). Seine Ansichten über Tagesfragen legte er 1879 in der „Gegenwart“, in „Nord und Süd“ und in der Berliner Zeitung „Die Tribüne“ nieder. Seine letzte Arbeit war die Vorrede zur 2. Aufl. seines Buchs über Waldeck. Darin klagte er, daß noch so Wenige in Deutschland die Politik als Fach ergreifen und daß das Publicum solchen die Wahlkreise nicht entgegenbringe. Das war, wie in der Besprechung dieser erst nach Oppenheim’s Tode erschienenen Auflage (in der „D. Rundschau“ vom Juni 1880) hervorgehoben wurde, der Ausdruck eines „persönlichen Schmerzes, eine Zurücksetzung in stolzer Seele zu fühlen.“ O. starb in Berlin am 29. März 1880. Die Gedächtnißreden bei der Trauerfeierlichkeit hielten v. Forckenbeck, Kapp und Berth. Auerbach. – Nekrol.: Nat.-Ztg. Nr. 148, Berl. Tagebl. Nr. 149 v. 31. März, Deutsch. Montagsbl. Nr. 14 v. 5. April (v. K. Braun) u. Nr. 19 v. 10. Mai 1880 (v. Dan. Sanders). Ehrende Worte der Erinnerung wurden ihm gewidmet von K. Braun am 21. October 1880 bei Eröffnung des volksw. Congresses in Berlin.

Grenzboten 1848, 2. Sem. 3. Bd. S. 176 („Hr. O.“). – Wolff, Berl. Revolut.-Chronik Bd. 1, (Berl. 1851). – Struve, Gesch. der drei Volkserhebungen in Baden (Bern 1849) S. 214. – Nat.-Ztg. 1885, Nr. 380 Feuill.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Fluglatt