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Artikel „Nutius“ von Karl Steiff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 65–66, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Nutius&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 14:19 Uhr UTC)
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Nutius (oder Nuyts) ist der Name eines Geschlechts von Buchdruckern und Buchhändlern, das von 1540–1639, also genau hundert Jahre, in Antwerpen geblüht hat. Die Reihe eröffnet 1540 Martin N. (I.), der sich anfangs auch M. Nuyts Vermeere oder M. Vermeere, lateinisch Martinus Meranus, M. de Mera nannte, also vermuthlich von einem der holländischen Orte Meer stammte, wiewol er später als Antwerpener Bürger erscheint. Schon dieser Stammvater der Buchdruckerfamilie verband mit dem Druck auch den Verlag und das Sortiment. Nach seinem 1558 erfolgten Tode führte die Wittwe das Geschäft fort, bis 1565 der Sohn Philipp N. an ihre Stelle trat. Des letzteren Namen finden wir bis 1586 auf den Drucken, dann aber erscheint statt seiner wieder ein Martin N. (II.), nicht sein Sohn, wie man aus der Nachfolgerschaft schließen möchte, sondern wie er ein Sohn des alten Martin N. (vgl. das Widmungsschreiben beider Brüder in des Joh. Garcia Tractatus de expensis etc. von 1586). Auch ein Jacob N. kommt, wenn Schwetschke, Codex nundinarius S. 38 recht berichtet, um diese Zeit vor, doch nur einmal im J. 1601. Das Hauptgeschäft war jedenfalls nach wie vor in den Händen des genannten Martin II. und als dieser 1608 starb, wurde es unter der Firma der „Erben des M. N.“, später der „Söhne des M. N.“ weiter geführt, wobei es öfter mit anderen Buchhandlungen, namentlich mit der des Joh. Meursius associirt erscheint. Unter jenen Söhnen treten mit Namen je einmal Matthäus N. (?), 1612, und Johannes N., 1621, öfter aber Martin N. (III.) hervor und dieser letztere ist es denn auch, der von 1623 an das Geschäft allein übernimmt und bis zu seinem Ableben im J. 1638 fortführt. Von seinen Erben wurde, so viel bekannt, im folgenden Jahre noch ein Werk herausgegeben, dann verschwindet der Name N. aus der Geschichte des Buchhandels und der Buchdruckerkunst. Die meisten der Genannten waren bedeutende Leute, die, höher gebildet, wie sie waren, mit den Gelehrten auf gleichem Fuße verkehrten und ihre Stellung und ihre Kenntnisse für ihr Geschäft zu nützen verstanden. Dennoch hat diese Buchdruckerfamilie noch nicht die gebührende Beachtung gefunden und es sind darum auch die persönlichen Verhältnisse der einzelnen Glieder derselben noch nicht klar gestellt. Nur die Werke ihrer Officin und ihres Verlags sind bis jetzt verzeichnet worden in dem Essai sur l’imprimerie des Nutius von C. J. N(uyts), 2. éd. Bruxelles 1858. Man findet hier etwas mehr als 400 solcher Drucke aufgeführt, gewiß eine stattliche Zahl, und doch sind dies weit nicht alle. Es läßt schon die Zusammenstellung in Schwetschke’s Codex nundinarius auf einen ungleich größeren Umfang des Geschäfts der N. schließen, wenn da z. B. aus der Zeit von Martin N. II. Erben allein an nach Frankfurt [66] gelieferten Verlagswerken das Doppelte der Zahl aufgeführt wird, die sich in genannter Bibliographie für dieselbe Zeit verzeichnet findet. Unter den Enkeln des alten M. N. war übrigens Druck und Verlag, wenn auch recht umfangreich, doch qualitativ betrachtet von geringerer Bedeutung; es war fast ausschließlich jesuitische Litteratur, was von ihnen gepflegt wurde, und dabei nehmen nichtwissenschaftliche Werke, Schriften praktisch-theologischen Inhalts und Schulbücher für die Jesuitencollegien den breitesten Raum ein. Bedeutender und mannigfaltiger war der Verlag unter den Söhnen des alten Meisters; es sei nur auf die große schöne Ausgabe des „Corpus juris civilis“ von 1576 aus der Zeit Philipps – und aus der Zeit Martin N. II. auf das mit 153 prächtigen Bildern geschmückte Werk des Hieronymus Natalis: Adnotationes et Meditationes in Evangelia von 1594 bezw. 1595 hingewiesen. Die erste Stelle unter den N. dürfte aber dem zeitlich ersten von ihnen, dem Begründer des Geschäfts, gebühren, der, wie er selbst in seiner Jugend sich längere Zeit in Spanien aufgehalten, so später als Drucker und Verleger auf die spanische Litteratur sich vorzugsweise geworfen und um deren Verbreitung sich wirkliche Verdienste erworben hat. In einem speciellen Zweige derselben, dem der Romanzendichtung, war er selbst als Sammler und Redacteur thätig und der von ihm zuerst ohne Datum, dann 1550, 1554 und öfter herausgegebene „Cancionero de romances“, wahrscheinlich die erste Sammlung dieser Art, ist für die Wissenschaft noch heute von Bedeutung. Wie es ein und dasselbe Geschäft war, das von den verschiedenen Gliedern der Familie durch ein Jahrhundert fortgeführt wurde, so hatten diese alle auch ein Signet. In wechselnder Gestalt und Größe vorkommend, zeigt es als wesentliches Merkmal zwei Störche, von denen der eine dem andern, im Neste befindlichen eine Schlange bringt, dabei die Umschrift: Pietas homini tutissima virtus. Diese Marke, die uns erstmals 1546 begegnet, wurde von Martin N. I. sodann auch auf das Haus übertragen; während er früher, als seine Adresse „in sint Jacob. naest die gulden Panne, op die pleyne van de Iseren waghe“ und sodann „in den Gulden Eenhoren buyten die lamer poorte“ (so noch 1550) angegeben hatte, wird seit 1555 durchweg als Local des Nutius’schen Geschäfts das Haus „zu den zwei Störchen“ genannt. – Noch sei bemerkt, daß der Jesuit Philipp N., welcher erst in Prag und Madrid, dann in Antwerpen als Lehrer thätig war und u. a. in der Geschichte des Uebertritts der Königin Christine von Schweden zum Katholicismus eine Rolle spielte (geb. 1597, † 1661), ein Mitglied der Buchdruckerfamilie war; möglicherweise ist dasselbe der Fall mit dem Seefahrer Pieter Nuyts, welcher 1627 den nach ihm benannten Nuytsarchipel an der Südküste von Neuholland entdeckt hat.

Vgl. außer der bereits erwähnten Schrift von C. J. N(uyts), Essai sur l’imprimerie des Nutius das Dictionarium des Aelius Antonius Nebrissensis, Antw. Steelsius 1545, wo aus dem dort abgedruckten Privilegium (C. J. N[uyts] S. 121 f.) über Martin N. I., u. des Cornelius a Lapide Commentarius in Ecclesiasticum P. II, Antw. Nutius 1634, wo aus dem Widmungsschreiben (a. a. O. S. 115) über Martin N. III. nähere Details zu entnehmen sind.