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Artikel „Nürnberger, Woldemar“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 24 (1887), S. 57–58, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:N%C3%BCrnberger,_Woldemar&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 11:50 Uhr UTC)
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Nürnberger: Woldemar N., der Sohn des Vorigen, wurde am 1. October 1818 zu Sorau geboren, erhielt seinen ersten Unterricht vom Vater, besuchte dann das Gymnasium in Landsberg a. W. und studirte seit 1838 in Berlin, Leipzig und Halle Medicin. Während seiner Studienzeit und auch später noch unternahm er große Reisen, auf denen er meist selten betretene Wege einschlug, und durchwanderte Deutschland, Holland, die Schweiz, Istrien, Italien, das südliche Frankreich und Algerien. Nachdem er sich 1843 in Berlin die Würde eines Doctors der Medicin erworben, ließ er sich in Landsberg a. W. als praktischer Arzt nieder, und daselbst ist er am 17. April 1869 gestorben. N. ist als Schriftsteller sehr productiv gewesen; seine Schriften erschienen meist unter dem Pseudonym M. Solitaire oder M. Solitar. Er debütirte mit einem Epos „Josephus Faust“ (1842), das freilich noch manches Unreife bietet, aber doch insofern Beachtung verdient, als es sich viel selbständiger bewegt als die meisten Behandlungen dieses Stoffes, welche dem Meisterwerke Goethe’s folgten. In seinen „Bildern der Nacht“ (1852), einer Sammlung von lyrischen und epischen Dichtungen, drückt sich schon seine ganze Eigenthümlichkeit aus, die aber in seinen novellistischen Arbeiten noch viel greller zu Tage tritt. Von letzteren sind hervorzuheben: „Die Erben von Schloß Sternenhorst. Signor Satans erste Liebe“ (1847), zwei Erzählungen; „Die Tragödie auf der Klippe“ (1853); die Seenovellen „Trauter Herd und fremde Wege“ (1856); die Novellen „Dunkler Wald und Gelbe Düne“ (1856); „Celestens Hochzeitsnacht“ (1858); „Erzählungen bei Nacht“ (1858); „Erzählungen bei Licht“ (1860); „Diana Diaphora oder die Geschichte des Alchymisten Imbecill Kätzlein“ (III, 1863), ein phantastischer Roman, und „Erzählungen beim Mondenschein“ (1865). „N. ist ein Meister in grellbeleuchteten Notturnos; der deutsche Föhrenwald, die Meeresküste mit den gelben Dünen und schroffen Klippen sind seine Lieblingsscenen und er versteht es vortrefflich, uns in eine ahnungsvoll unheimliche Stimmung zu versetzen.“ Er hat das Leben scharf beobachtet, aber doch wesentlich nur die düsteren, wilden und abenteuerlichen Seiten desselben hervorgehoben; er hat Natur und Menschen fast lediglich in jenen Situationen belauscht, wo sie Grauen einflößen. Seine [58] Stoffe sind die socialen Leiden und Gebrechen, die Leidenschaften unter dem Deckmantel der Cultur und gesellschaftlichen Bildung, mit Vorliebe schildert er das Elend der unteren und die Verderbtheit der oberen Classen. Dabei entfaltet er eine reiche, aber ungezügelte Phantasie, und dieser Mangel an Mäßigung läßt ihn in seiner Darstellung im allgemeinen und in seinen Bildern im besonderen oft barock und geschmacklos erscheinen. Besonders ist dies der Fall, wenn das Tragische mit dem Komischen vermischt wird. „Die grelle Häufung unvermittelter Contraste und das Abenteuerliche, das er uns vorführt, macht selten den Eindruck des wahren Erlebnisses, sondern nur den des wüsten Traumes.“ Dennoch erinnern einzelne Schilderungen dieses Autors, z. B. in „Charitinnen. Phantasiestücke und Humoresken“ (1847); in „Koralla. Eine humoristische Stadtgeschichte“ (1856) u. a. nicht zu Ungunsten an E. T. A. Hoffmann. Zu Nürnberger’s besten Erzeugnissen gehören die schon oben genannten See-Novellen, in deren einer, „Der Engel der Wogen“, er einen wirklich poetisch reinen Eindruck erreicht. Das dramatische Gebiet hat N. nur leise berührt; nur in einem Lustspiel „Die beiden Finkenstein“ hat er sich versucht (1849); ebenso hat er uns nur in einem Werke „Der Gang zum Leman“ (1855) Reisebilder aus seinem Wanderbuche vorgeführt.

Adolf Stern, M. Solitaire, eine kritische Skizze. Leipz. 1865. – H. Kurz, Geschichte der deutschen Nationallitteratur, 4. Bd., S. 687. – Gottschall, Die deutsche Nationallitteratur des 19. Jahrh., 4. Bd., S. 395.