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Artikel „Mangelsdorf, Richard“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 169–170, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mangelsdorf,_Richard&oldid=- (Version vom 17. Dezember 2024, 20:06 Uhr UTC)
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Mangelsdorf: Richard M., Schachspieler, wurde am 9. Juni 1823 zu Leipzig geboren. Zwar gehört der überaus gewissenhafte und ernste Mann nicht zu den Meistern, welche der Glanz ihres Namens in der Schachwelt allgemein feiern läßt, trat auch in der Oeffentlichkeit wenig selbstschöpferisch hervor; vielmehr war er ein stiller, feiner Beobachter des schachlichen Lebens, voll tiefer Kenntniß des Schachspiels und seiner geheimen Reize, insbesondere der Problemcomposition. Als solcher erfreute er sich seltenen Rufs, zumal er auch ein tüchtiger Kämpe sowie einer der besten Löser aller Zeiten war, vorzüglich heimisch in der Theorie der Spieleröffnung. Als sog. „Problemkoch“ – ein in Schachkreisen geläufiger terminus technicus für den Entdecker von Nebenlösungen bei Aufgaben – galt M. als Autorität ersten Ranges. Was für ein Ansehen er gerade in dieser Hinsicht genoß, thue ein Beispiel dar. Im Problemturnier des Deutschen Schachbundes zu Frankfurt a. M. war ein „Vierzüger“ Professor J. Berger’s in Graz mit dem ersten Preise ausgezeichnet worden. M. entdeckte nachträglich für diesen Vierzüger eine versteckte feine Nebenlösung. L. v. Bilow, der Verfasser des launigen „Schachstruwwelpeter“, feierte damals im Anschluß an diesen Vorfall Mangelsdorf’s Verdienste in einem netten parodistischen Gedichte „Die Nebenlösung“, aus dem nachstehende, Mangelsdorf’s Fähigkeiten über Berger’s Erfolg hinaus verherrlichende Strophe bezeichnend lautet: „Du hast Caissens [= Schach] Gunst erfahren. Die sich in ihrem Tempel scharen, Sie ehren, Meister, deine Macht. Doch einer lebt noch, dich zu ‚kochen‘; Bis der dich nicht correct gesprochen, Gib acht, ob’s selbst in Graz nicht kracht, Problemzertrümmerer, er der Alte von Leipzigs Illustrirter Spalte“. Letztere Anspielung bezieht [170] sich darauf, daß M. 1862 an die Stelle des großen Schachtheoretikers Dr. Max Lange (s. A. D. B. LI, 577) als Redacteur der Schachspalte in der Leipziger „Illustrirten Zeitung“ getreten war und diese Rubrik umsichtig, gediegen und gewissenhaft geleitet hat. So gelangte sie in erster Linie durch seine Sorgfalt zu hohem Ansehen. Sein journalistischer Ruf war gefestet, als er Ende 1881 die Leitung an Johannes Minckwitz d. Jüng. (geb. 1843; s. den Artikel J. M.) abgab. Am 23. Januar 1894 ist M. in seiner Geburtsstadt Leipzig gestorben, wenige Tage nach dem „Schachkanzler“ Hermann Zwanzig. Er hat sich als liebenswürdiger Schachmäcen, als Gönner wie als Förderer, bewährt. Dieses feinsinnigen Richters über jede Gattung von Schachaufgaben scharfes kritisches Urtheil war gefürchtet und zugleich beliebt; keiner verfuhr im Entscheid so vorsichtig als er, so gründlich und gerecht, wenn ihm Schachgebilde vorlagen, um sie zu würdigen und seinen Spruch zu fällen.

Hauptsächlich nach dem Jubiläumsaufsatz „Schachaufgabe Nr. 3000 der Illustrirten Zeitung“ in deren Nr. 3203 v. 17. Novb. 1904, S. 739. Daneben benutzt die Notiz bei Ad. Kohut, Berühmte israelitische Männer und Frauen II (1900), 255, in welches Compendium M., wie zugestandenermaßen, mancher Andere (S. 432) vielleicht versehentlich eingereiht worden ist.