ADB:Madersperger, Joseph (2. Artikel)

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Madersperger, Josef“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 150–152, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Madersperger,_Joseph_(2._Artikel)&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 13:38 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Mack, Martin Josef
Nächster>>>
Maier, Adalbert
Band 52 (1906), S. 150–152 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Josef Madersperger in der Wikipedia
Josef Madersperger in Wikidata
GND-Nummer 123035333
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|52|150|152|Madersperger, Josef|Ludwig Julius Fränkel|ADB:Madersperger, Joseph (2. Artikel)}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=123035333}}    

Madersperger *): Josef M. (eigentlich Mattersperger), der eigentliche Erfinder der Nähmaschine, wurde am 6. October 1768 als Sohn des Schneidermeisters Georg M. zu Kufstein geboren. Dieser fleißige Mann, seit 1803 in Wien als bürgerlicher Schneidermeister Stadtbürger und in auskömmlicher Existenz, war ein vorwärtsstrebender Kopf in seinem Fache. Nachdem 1790 der Engländer Th. Saint in seinem Vaterlande ein Patent auf eine Maschine zum Sohlennähen erhalten, welche mit einem endlosen Faden arbeitete und wahrscheinlich den Kettenstich herstellte, führte Josef M. als erster im J. 1814 seine, 1807–8 erfundene einigermaßen brauchbare Nähmaschine in Wien aus und stellte sie während des „Wiener Congresses“ öffentlich aus: zwei Jahrzehnte früher als der Amerikaner E. Howe. Sie beruhte noch auf dem Princip der Handnäherei, verwendete zwei Fäden zur Bildung einer Naht und lehnte sich an das Verfahren des Webens an. „Es war eine Maschine, die auf dem festgespannten Stoff eine gerade Naht nähte, indem von unten zwei Nadeln neben einander durchgestoßen wurden, deren Zwirn Maschen bildete, durch die ein Kettenfaden mit der Hand gezogen werden mußte. Die Maschine nähte vor- und rückwärts und erwies sich nicht nur zum Abnähen von Decken und der sogenannten Doppelstoffe, sondern auch später zum Kleidernähen als durchaus brauchbar, da sie eine sehr feste Naht lieferte.“ Obwol sich M. schon der [151] öhrspitzigen Nadel – dies war „das Wichtigste bei der Erfindung der Nähmaschine“ – bediente und mit zwei Fäden, von denen der eine die Kette bildete, operirte, blieb seiner Maschine, die zunächst zum Abnähen von Steppdecken bestimmt war, wegen ihrer constructiven Unvollkommenheit – namentlich den Kettenfaden mit der Hand durchziehen zu müssen – kein nennenswerther, wenigstens kein dauerhafter Erfolg beschieden. M., der den Kettenfaden durch eine seitens der Maschine regulirte Schützenvorrichtung durchziehen lassen wollte, erreichte es 1817, daß seine Maschine auch in krummen Linien und kleinen Bogen nähte. Das alsdann von Kaiser Franz von Oesterreich verliehene Privileg konnte er, da er weder öffentliches noch privates Capital dafür flüssig zu machen verstand, nicht ausbeuten. Von 1807 bis 1839 arbeitete M. an Verbesserung und Vervollkommnung seines Erzeugnisses und opferte dafür allmählich sein durch Fleiß und Sparsamkeit sauer erworbenes Vermögen. Indessen strichen praktischer vorgehende Amerikaner, die sich die Erfahrungen an Madersperger’s Experimenten zu nutze gemacht hatten, Ruhm und klingenden Gewinn ein, insbesondere Elias Howe, nach dessen richtigen Gedanken W. Hunt schon 1834 zu New-York erfolglos eine Maschine gebaut hatte, löste das Problem endgültig, genügte auch in constructiver Hinsicht ziemlich den Anforderungen, bis 1851 und 1859 J. M. Singer seiner genannten und ungenannten Vorgänger Ergebnisse zusammenfassend für seine siegreich vordringende Nähmaschine verwerthete. Aber 1850, in demselben Jahre, in dem die Kunde von der „Erfindung“(!) der Nähmaschine durch E. Howe über den Ocean herüberkam, war M. hochbetagt am 3. September im 82. Lebensjahre im Städtischen Bürger-Versorgungshause St. Marx zu Wien fast mittellos und halbvergessen gestorben: einer aus der Schar jener rastlosen gemeinnützigen und uneigennützigen Erfinder, welchen die Ernte ihrer Saat zu sehen oder gar zu genießen versagt geblieben.

Der Pflicht der Dankbarkeit ist seine Vaterstadt Kufstein, auf Betreiben des dortigen Schneidermeisters Anton Stigger, nachgekommen, indem sie am 6. und 7. Juni 1903 die späte Ehrenschuld abtrug. In den prächtigen Anlagen bei der Kienberg-Klamm wurde da Josef Madersperger’s hübsches Denkmal von Theodor Khuen, unter Theilnahme eines großen Festzugs, in Anwesenheit der Behörden, Corporationen und Abordnungen von weither und unter riesigem Fremdenzufluß, enthüllt, so wie es Wiener Großindustrielle, nämlich die Chefs der Nähmaschinenfabrik Rast und Gasser, Josef Anger und Söhne, Rezler und Komarek, durch Zusammensteuern gestiftet hatten. Die Festrede des Wiener Fabrikanten August Rast gedachte des Erfinders in tief empfundener Dankbarkeit und entwarf ein Lebensbild. Ein Weihelied des ausgezeichneten Wiener Chormeisters Eduard Kremser folgte, und an Madersperger’s Wohnhaus ward eine Gedenktafel von Innsbrucks und Kufsteins Schneidermeistern angebracht. In der Städtischen Turnhalle konnte man inzwischen das, vom Wiener Gewerbemuseum (jetzt in der Technischen Hochschule) zur Verfügung gestellte Original der Madersperger’schen ersten Nähmaschine besichtigen. Des bescheidenen Mannes Ehrenmonument zeigt dort seine Büste, von Inschriften umgeben, die sein Verdienst und die Stifter des Denkmals verewigen. Eine Straße neben der Kinkstraße, wo sein Geburtshaus steht, hieß schon mehrere Jahre vorher nach ihm.

Ausführliche Aufsätze im „Tiroler Grenzboten“ (Kufstein Nr. 23 u. 24 vom Juni 1903 (Auszug daraus Münchn. Neueste Nachrichten Nr. 265 vom 9. Juni 1903, S. 4) und „Allg. Oesterr. Schneiderzeitung“ vom 1. Juli 1903, beide mit Berichten über die Enthüllung. Hinweise auf alle zwei durch den unermüdlichen Madersperger-Agitator Anton Stigger (s. o.) und [152] die Kufsteiner Bürgermeisterei. Abbildung des Madersperger-Denkmals aus dem „Interessanten Blatt“ (Wien) im „Tiroler Grenzboten“ Nr. 23, sowie auf Postkarten mit kurzem Text. – Vgl. übrigens Meyer’s Conversationslexikon5, XII, 737: Nähmaschine.

[150] *) Ergänzung zu Bd. XX, S. 34.