ADB:Müller, Theodor (Philologe)

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Artikel „Müller, Theodor“ von Gustav Gilbert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 677–678, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BCller,_Theodor_(Philologe)&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 08:29 Uhr UTC)
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Müller: Theodor M., geboren am 9. März 1816 zu Clausthal, erhielt seine Schulbildung auf dem dortigen Gymnasium, wo sein damaliger Lehrer Dr. Wiese, der spätere vortragende Rath im preußischen Unterrichtsministerium und Decernent für die höheren Schulen, ihn veranlaßte, sich dem philologischen Studium zu widmen. Ostern 1835 bezog M. die Georgia Augusta zu Göttingen, wo er sich bis Ostern 1839 vorzüglich unter der Leitung von Otfried Müller, v. Leutsch, Jakob Grimm, Dahlmann und Gervinus mit classischer Philologie und Geschichte beschäftigte. Im Jahre 1838 gewann er durch seine „commentatio de rebus Thuriorum“ den akademischen Preis und promovirte zugleich. Hierauf siedelte er 1839 nach Paris über, wo er längere Zeit zubrachte und zusammen mit seinem Bruder, Dr. Karl Müller, an der Sammlung und Bearbeitung der fragmenta historicorum Graecorum thätig war. Der erste Band derselben, welcher in Paris bei Didot 1841 erschien, trägt deshalb auch seinen Namen neben dem des Bruders, während die folgenden Bände das ausschließliche Eigenthum Karl Müller’s sind. Nach Deutschland zurückgekehrt, bekleidete M. vorübergehend eine Lehrerstelle am Gymnasium zu Celle, um dann noch einmal ins Ausland und zwar nach London zu gehen und sich hier weiter im Englischen auszubilden: er war daselbst Lehrer an einem Institute. So durch den Aufenthalt in Frankreich und England vorbereitet, habilitirte er sich 1845 in Göttingen als Privatdocent der neueren Sprachen. Seine akademische Thätigkeit war von Anfang an sehr ausgebreitet. Neben Exegetica die sich auf Shakespeare, Chaucer, Molière, Racine, Corneille bezogen, hielt er Vorlesungen über Geschichte der englischen Sprache und englischen Litteratur, über englische Grammatik und französische Grammatik, über Geschichte der französischen Litteratur und der französischen Sprache. Die französische Grammatik behandelte er vom vergleichenden Standpunkte, mit Heranziehung der übrigen romanischen Sprachen. Bald zog er das Angelsächsische in den Kreis seiner Behandlung, bei der er gewöhnlich seine eigene Chrestomathie (1854) zu Grunde legte. Seine täglichen praktischen Uebungen auf dem Gebiete der französischen und englischen Sprache waren besonders beliebt, wie er zugleich eine Romanische Gesellschaft leitete, in der er mit seinen Schülern Altfranzösisch, Provençalisch, Tasso’s befreites Jerusalem u. A. trieb; daneben hielt er Privatissima im Englischen, Französischen, Italienischen und Spanischen. In allen seinen Vorlesungen, die klar und fesselnd zugleich waren, versammelte er eine bis zu seinem Tode immer wachsende zahlreiche Zuhörerschaft um sich, die in aufrichtigster Verehrung und [678] Dankbarkeit ihm anhing. Im J. 1846 zum Mitgliede der wissenschaftlichen Prüfungscommission für Schulamtscandidaten gemacht, wurde M. 1853 außerordentlicher und 1867 in Folge eines Rufs nach Gießen ordentlicher Professor. Einer größeren litterarischen Thätigkeit stand die angestrengte Lehrthätigkeit hindernd im Wege. Doch hat sich M. außer einer Anzahl von Recensionen und Abhandlungen in verschiedenen Zeitschriften namentlich durch die wiederholte Bearbeitung der „Chanson de Roland“ ein unleugbares Verdienst erworben. Dreimal hat er dieselbe herausgegeben und zwar 1851, 1863, 1878. Während die Ausgabe von 1863 noch bemüht war, die in der Oxforder Handschrift überlieferte anglonormannische Ueberarbeitung von argen Entstellungen zu reinigen, hat er in der Ausgabe von 1878 versucht, den Text des normannischen Originals herzustellen. Den zweiten Theil der Arbeit, welcher außer Erläuterungen und Glossar historische Untersuchungen über das Rolandslied und dessen verschiedene Redactionen enthalten sollte, hat M. leider nicht vollenden können. Aus seinem handschriftlichen Nachlaß hat H. Hilmer eine angelsächsische Grammatik 1883 herausgegeben. Nach 36jähriger angestrengter Thätigkeit starb M. nach kurzem Krankenlager am 14. April 1881.