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Artikel „Müller, Joachim Eugen“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 562–564, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BCller,_Joachim_Eugen&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 17:01 Uhr UTC)
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Müller: Joachim Eugen M., Topograph, geb. 1752 zu Engelberg, † Anfang 1833 daselbst. Der Sohn eines armen Zimmermanns im schweizerischen Hochthale Engelberg, das damals noch einen kleinen selbständigen Gotteshausstaat des Abtes von Engelberg unter dem Schirme der vier Waldstätte ausmachte, ergriff M. schon von Jugend auf den Beruf des Vaters und wanderte [563] mit demselben vielfach auswärts auf Arbeit, versuchte sich auch, doch mit nicht viel Glück, auf anderen Feldern der Thätigkeit. 1781 trat er in klösterlichen Dienst, und dazu versah er das Amt eines Gemeindeweibels. Ein Kenner und Liebhaber der Berge, dazu ein Gemsjäger, eignete er sich völlig dazu, die großartigen Arbeiten des Aarauers Joh. Rudolf Meyer (vgl. Bd. XXI, S. 588), von 1787 an, zu unterstützen. Bei Anlaß einer Besteigung des Titlis hatte Meyer zuerst M. kennen gelernt, und dieser schlichte Gebirgsmann vermochte gleich anfangs schon die Skizzen, welche der Meyer in dessen Auftrage begleitende Topograph Joh. Heinr. Weiß aus Straßburg angefertigt, zu prüfen und zu verbessern. Nach einem Aufenthalte in Aarau arbeitete nun M. den ganzen Winter auf 1788 zu Hause in Engelberg, skizzirte und modellirte, und bis zum Frühjahre hin konnte er schon eine von ihm ausgeführte plastische Darstellung der Umgegend von Engelberg zu Meyer bringen. So schloß derselbe am 3. März mit M., als mit „einem erfahrenen Bergmanne, der laut dargestellten Probestücken die Kenntniß besitzt, dergleichen Berggegenden in Gips darzustellen“, einen Vertrag ab, welchem zufolge M. zunächst auf ein Jahr zum Behufe der Förderung der Absichten Meyer’s gänzlich in dessen Dienste trat. M. also, und nicht Weiß, wie dieser, ungetreu der Wahrheit, die Sache gerne darstellte, brachte Meyer’s schöpferischen Gedanken, eine Reliefkarte der ganzen Schweiz anlegen zu lassen, der Ausführung näher. Schon bis Frühling 1789 war dann nach Arbeiten an Ort und Stelle ein Relief des Berner Oberlandes erstellt, welches die Berner Regierung von Meyer, unter ausdrücklicher Anerkennung der Anregungen desselben, als Geschenk annahm. In den nächsten Jahren dehnte M. seine Arbeiten weiter aus, von den Walliser Alpen durch das ganze Centralgebirge bis nach Vorarlberg hinein, unter immer selbständigerer Gestaltung seiner Stellung zu Meyer, da sich M. mit Weiß bei dessen wenig berechtigten Anmaßungen stets schlechter vertrug. Meyer übertrug jetzt die Reliefarbeiten ganz an M., welcher sie über ungefähr die Hälfte der Schweiz, vom Genfersee zum Bodensee, im Maßstabe von 1/60000, bis 1797 vollendete, und eben nach diesem Relief zeichnete nun Weiß den sogenannten Meyer’schen Schweizer Atlas, dessen Blätter nur lobenswerth sind, soweit sie auf M. beruhen. Leider mußte Meyer nachher 1803 in Folge Nöthigung der französischen Regierung dieses Original-Relief um einen wahrhaft lächerlich geringen Preis abgeben (seit 1811 steht dasselbe im Invaliden-Hotel zu Paris). Aber außerdem hatte M., zunächst wieder für seine Reliefs, abgesehen von geometrischen Bestimmungen, auch als Panoramenzeichner, „mit richtigem Blick, aber ungeübter Hand“, sehr fleißig sich bethätigt. Vom Jahre 1797 an trat M. aus Meyer’s fortdauerndem Dienste aus, blieb aber mit seinem früheren Auftraggeber in immerwährender freundschaftlicher Verbindung und führte auch noch später einzelne Arbeiten für ihn aus. Sonst arbeitete er nun für eigene Rechnung. So verfertigte er insbesondere das 1817 für die Zürcher Stadtbibliothek erworbene etwas über 800 Quadratstunden darstellende Relief eines großen Theiles der schweizerischen Alpen und Voralpen, das durch seine ausgezeichnete Genauigkeit den überraschendsten Eindruck noch heute erweckt; ganz vorzüglich gelungen ist auch das eben daselbst stehende Relief des Engelberger Thales. Andere Arbeiten schenkte M. an Kloster Engelberg, an die Regierung von Obwalden, oder sie kamen durch Ankauf nach Berlin, Stuttgart, Sigmaringen, u. s. f. – Der bescheidene Mann hatte inzwischen in seiner Heimath bedeutende Achtung erlangt. 1798 wurde er Engelberger Thalammann, 1800 in der helvetischen Epoche Oberaufseher der Straßen und Brücken im Kanton Waldstätte, und auch nachher, als Engelberg erst zum Halbkanton Nidwalden, seit 1816 zu Obwalden geschlagen worden war, wurden ihm ansehnliche kantonale und Gemeindeämter [564] übertragen. – M. ist in seinen Arbeiten noch jetzt kaum übertroffen. „Für alle Zeiten ist er als großartiger Förderer der schweizerischen Topographie in dankbarstem Andenken zu bewahren“: so urtheilt über ihn Rudolf Wolf.

Vgl. eben Rudolf Wolf’s Geschichte der Vermessungen in der Schweiz (1879), S. 123–141, besonders S. 126, sowie die darauf beruhende Abtheilung der Abhandlung von Dr. J. H. Graf, Johann Rudolf Meyer und dessen Reliefs der Schweiz (im Archiv des histor. Vereins des Kantons Bern, Bd. XI, S. 1–28, 1883).