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Artikel „Langenbeck, Heinrich“ von Adolf Köcher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 17 (1883), S. 662–664, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Langenbeck,_Heinrich&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 15:25 Uhr UTC)
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Langenbeck: Heinrich L., einer der rührigsten Staatsmänner des Hauses Braunschweig-Lüneburg, dem er als Berather von fünf Herzogen 34 Jahre lang seine Dienste gewidmet hat, war am 4. Mai 1603 zu Hamburg geboren, wo sein Vater (Johann) Oberalter im St. Nicolai-Kirchspiel war. Sein Großvater, Urgroßvater und Ururgroßvater hatten als Rathmänner und Bürgermeister in Buxtehude gewirkt. Die Familientradition gab Langenbeck’s Leben die Richtung auf den öffentlichen Dienst. Durch vielseitiges Studium, insbesondere der Philosophie, der Geschichte und der Jurisprudenz, bereitete er sich dazu vor. Nachdem er 1631 auf Grund einer Dissertation „De cessione actionum“ in Straßburg zum Dr. iuris promovirt war, nahm ihn im Mai 1634 Herzog August der Jüngere von Braunschweig-Lüneburg, um dessen Gunst er in verschiedenen poetischen Dedicationen geworben hatte, als „Rath von Haus aus“ in seinen Dienst.

Es waren äußerst bescheidene Verhältnisse, in denen L. seine Laufbahn begann, denn das Territorium des Herzogs war auf Stadt und Amt Hitzacker beschränkt. Der Tod des kinderlosen Herzogs Friedrich Ulrich eröffnete zwar schon im Sommer desselben Jahres die Aussicht auf einen größeren Wirkungskreis, und da um das Erbe des Verstorbenen, die Lande Wolfenbüttel, Grubenhagen und Calenberg ein verwickelter Rechtsstreit zwischen Herzog Augustus und dessen in Celle regierenden Vettern entbrannte, lag für L. die Gelegenheit, seinen fürstlichen Herrn sich zu verpflichten, um so näher, als dieser selbst, um den rechtsgewandten Rath an sich zu ketten, auf den Antritt der Erbschaft hin, ihm die Anwartschaft auf ein Lehen oder Allodialgut ertheilte. Dies hatte auch die Wirkung, daß L. seinem Herrn[WS 1] unentwegte Anhänglichkeit in bindendster Form angelobte und dessen Ansprüche im Successionsstreit gegen alle Welt zu vertreten versprach (Nov. 1634). Indessen als ihm ein Vierteljahr später der in Celle regierende Vetter und Rivale seines Herrn, Herzog August der Aeltere, eine Rathsstelle anbot, trug L. dessenungeachtet nicht das geringste Bedenken, den bisherigen Dienst aufzukündigen. Sein Dienstvertrag, der beiden Theilen vierteljährige Kündigung vorbehielt, berechtigte ihn freilich dem Worte nach dazu um so mehr, als der arglose Fürst dabei die sonst übliche Clausel vergessen hatte, daß ohne seine Genehmigung der Bestallte in keinen fremden Dienst sich einlassen dürfe; auch war der Vertrag durch jenes Treugelöbniß keineswegs aufgehoben, sondern im Gegentheil ausdrücklich confirmirt. Indessen für Langenbeck’s Charakter ist es doch bezeichnend, daß er sich an den Buchstaben seines Scheins anklammerte, um das Vertrauen des Fürsten zu täuschen, der arglos einem Versprechen traute, das durch jenen Vorbehalt im gleichen Augenblick entwerthet [663] worden war. Der Herzog war aufgebracht und überhäufte den unbeständigen Mann öffentlich mit den verletzendsten Vorwürfen. Er verweigerte ihm den Abschied, hielt ihn aber von allen Geschäften, zumal in der Successionssache, fern. L. verließ daher den Hof und begab sich nach seiner Vaterstadt Hamburg, die Vocation nach Celle abwartend. Die Feindschaft des Herzogs verfolgte ihn auch hierhin, derselbe warnte seinen Rivalen, August den Aelteren, vor dem pflichtvergessenen Mann, der sich zugleich in zweier Herren Dienste begeben, und dieses gar während ihres Streites um die Succession (Juni 1635). Indessen L. hatte, indem er den Dienst aufkündigte, zugleich auf das ihm versprochene Benefiz resignirt und die cellische Vocation nur unter der Bedingung angenommen, daß er zu den Geschäften des Successionsstreites nicht mit hinzugezogen würde. Michaelis 1635 trat er als Kanzlei- und Hofrath in das cellische Geheime Rathscollegium ein. August des Aelteren Bruder und Nachfolger, Herzog Friedrich (1636 bis 1648) beförderte ihn 1643 zum Geheimen Kammerrath und entsandte ihn in demselben Jahre als Principal-Commissar des Hauses Braunschweig-Lüneburg auf den westfälischen Friedenscongreß.

Mit welchen Schwierigkeiten dort die Vertreter dieses Fürstenhauses zu kämpfen hatten, und was sie erreichten, hat Referent in dem Artikel über den hannoverschen Vicekanzler Lampadius auseinandergesetzt. Trat auch Langenbeck’s Wirksamkeit gegen den Einfluß dieses seines hannoverschen Collegen zurück, so erwarb er sich doch mit ihm ein großes Verdienst um die Vertheidigung der protestantischen Sache. Der Nachfolger Herzog Friedrichs, Christian Ludwig, ernannte ihn daher 1651 zum Kanzler und verlieh ihm (1652) das Decanat des Stiftes Bardewiek. Von der unermüdlichen Wirksamkeit, die L. als Kanzler entfaltete, zeugen die zahllosen Concepte von seiner Hand, die das königl. Staatsarchiv zu Hannover verwahrt. Anfangs dem Statthalter Schenk von Winterstatt untergeordnet, wurde er nach dessen Tode (1659) der leitende Staatsmann des cellischen Hofes. Alle Zweige der Verwaltung concentrirten sich in seiner Hand. Von größeren Legationen zwar blieb der vielbeschäftigte in der Folge verschont, um so regelmäßiger aber nahm er an den häufigen Tagfahrten Theil, zu welchen das gemeinsame Interesse des braunschweigischen Hauses die Minister von Celle, Hannover und Wolfenbüttel und später auch Osnabrück behufs Feststellung gemeinsamer Politik zusammenführte. Eine eingehende Darstellung der Verdienste des Kanzlers L. würde sich daher zu einer Geschichte nicht nur des cellischen Herzogthums, sondern des gesammten Hauses Braunschweig-Lüneburg in den ersten Jahrzehnten nach dem westfälischen Frieden erweitern müssen. Denn keine bedeutsame Action ist ohne Langenbeck’s Mitwirkung erfolgt. Seine Reden und Gutachten, seine Erlasse und Instructionen zeichnen sich durch juristischen Scharfsinn aus und bekunden eine ebenso gründliche Vertrautheit mit der deutschen Staats- und Rechtsgeschichte wie umfassende Belesenheit in den Autoren des classischen Alterthums, an die er gern behufs philosophischer Vertiefung des Urtheils anknüpft. Ein schöpferischer Staatsmann ist aber L. nicht gewesen. Seine Eigenart liegt in der geschmeidigen Verarbeitung der ihm von willensstärkeren Köpfen gegebenen Anregungen. Daher beugte er sich auch nicht nur ohne Bedenken vor der rücksichtslosen Energie, mit der Herzog Johann Friedrich seine Hand nach dem Erbe des kinderlosen Christian Ludwig, seines Bruders, ausstreckte, sondern betheiligte sich auch auf das wirksamste an dem Staatsstreich, durch den Johann Friedrich nach dem Tode Christian Ludwigs, das väterliche Testament umstoßend, sich des Herzogthums Lüneburg-Celle bemächtigte (1665). Der Erbfolgekrieg, der darüber entbrannte, endigte damit, daß Johann Friedrich die cellische Beute außer der Landschaft Grubenhagen seinem Bruder Georg Wilhelm herausgab und die Regierung des durch diese [664] Landschaft vergrößerten Calenberg übernahm. L. siedelte mit Johann Friedrich nach Hannover über und nahm auch hier als Geheimer Kammerrath, Consistorialpräsident und Kanzler die Summe der Geschäfte auf seine Schultern. Sein Fürst belohnte ihn mit der Pfründe eines Propstes am Bonifaziusstift zu Hameln (1668). Bald darnach starb L. während eines Aufenthaltes in Celle am 28. Octbr. 1669.

Seine Ehe mit Anna Margaretha Schele war kinderlos. Sein letzter Wille bethätigte indem er einen guten Theil des beträchtlichen Vermögens, das er hinterließ, für milde Zwecke bestimmte, dieselbe Gesinnung, in der er bei Lebzeiten die Kirche auf der Blumenlage bei Celle gestiftet hatte. Seine reiche, 3–4000 Bände zählende Bibliothek hat er seiner Vaterstadt Hamburg vermacht, wo er auch seinem letzten Willen gemäß beigesetzt ist. Der umfassende Wirkungskreis, den er in Hannover ausgefüllt hatte, wurde von Johann Friedrich auf vier Departementsräthe, die zusammen das geheime Rathscollegium bildeten, vertheilt. Das hohe Amt, das er bekleidet hatte, wurde keinem wieder verliehen. L. ist der letzte Kanzler in Hannover gewesen.

Molleri Cimbria litterata I, 327 ff.; Jöcher’s Gelehrten-Lexikon II, 2259; Spittler, Gesch. von Hannover, II; Spiel’s Vaterländ. Archiv. 1819, 343 ff.; Havemann, Geschichte der Lande Braunschweig-Lüneburg, II bis III; Schröder, Lexikon der Hamb. Schriftsteller IV, 324 ff.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Herrrn