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Artikel „Kauer, Ferdinand“ von Moritz Fürstenau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 461–462, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kauer,_Ferdinand&oldid=- (Version vom 3. Oktober 2024, 19:13 Uhr UTC)
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Kauer: Ferdinand K., geboren 1751 zu Klein-Thaya in Mähren als Sohn eines Schullehrers, † am 13. April 1831. Bereits im Knabenalter versah er den Organistendienst bei den Jesuiten in Znaym. Nachdem er vorübergehend als Hofmeister in Rumburg gelebt und in Tyrnau das Studium der Medicin begonnen hatte, kam er nach Wien, wo er sich ausschließlich der Musik widmete. Er lebte vom Clavierunterricht, studirte bei Heidenreich Contrapunkt und wurde im J. 1795 Director und erster Violinist bei dem Ferdinand Marinelli’schen Theaterorchester, auch hatte er die Leitung der Sängerschule über sich, welche Marinelli für junge Sänger und Sängerinnen zum Behufe seines Theaters gegründet hatte. Nachdem er noch an verschiedenen Theatern in Wien als Musikdirector oder Compositeur gewirkt hatte und seine körperlichen und geistigen Kräfte geschwunden waren, aß er das Gnadenbrod als Bratschist im Orchester des Leopoldstädter Theaters. Trotz ernstlichen Fleißes und enormer Productivität drückten den hochbetagten Mann Noth, Kummer und Elend. Am 1. März 1830 traf auch ihn das Unglück der großen Donauüberschwemmung, wodurch er seine ganze Habe, insbesondere den gesammten Musikalienvorrath verlor. So an den Bettelstab gekommen, fristete der Arme, welchem so viele Theater reiche Einnahmen verdankten, sein Leben durch milde Gaben, bis ihn der Tod am 13. April 1831 erlöste. Die Zahl von Kauer’s Compositionen ist kaum zu ermitteln. Es sind über 200 Opern und Singspiele, etwa 30 Kammerstücke, Symphonien, Trios, Quartetten, Concerte u. drgl. m. für alle Instrumente, über 20 Messen und Requiems, dann nicht weniger kleinere Kirchencompositionen, ferner eine Menge Tongemälde, Gelegenheitscantaten, Oratorien, Gesangsolfeggien und Musiklehrbücher. Wurzbach (Biogr. Lexikon II. Thl. S. 42 ff.) hat aus alten Katalogen von seinen Arbeiten zusammengestellt, so viel ihm möglich war. Am bekanntesten ward K. durch die Operette: „Das Donauweibchen.“ Wurzbach bemerkt sehr treffend: „K. bietet reichen Stoff für eine höchst interessante Monographie; sowol im Hinblicke auf seine ungewöhnlich große Productivität, wie auf seine zahlreichen, leider vielmehr ungerecht geschmähten als vorurtheilsfrei gewürdigten Arbeiten. Aber es wird vieles mühsam aus Mittheilungen seiner täglich seltener werdenden Zeitgenossen und aus längst verschollenen, schwer aufzutreibenden Journalen zusammengesucht werden müssen.“ Jedenfalls war Kauer’s erstaunliche Fruchtbarkeit dem Gehalte seiner Arbeiten nicht günstig, doch scheint er von der Kunstkritik oft zu streng beurtheilt worden zu sein. Der alte Gerber, welcher ihn im historisch-biographischen Lexikon der Tonkünstler (Leipzig 1790, Bd. I, Sp. 707) sehr hart beurtheilt, mildert diesen Ausspruch im „Neuen biogr. Lexikon“ (Leipzig 1813, 3. Bd. Sp. 18) durch folgende Worte: „Auf das berüchtigte Donauweibchen in den kritischen Theaterjournalen zu schimpfen, gehört gegenwärtig zum guten Tone; indeß sich trotz aller dieser üblen Nachrede, alt und jung, vornehm und gering, hinzudrängen, um das Haus und die Theaterkasse zu füllen, so oft es gespielt und wiederholt wird. In der That eine sonderbare Erscheinung! Da ich nie Gelegenheit gehabt habe, das Stück zu sehen, so kommt es mir um so weniger zu, den Herren Kunstrichtern zu widersprechen, wenn sie an dem unnatürlichen, läppischen und tollen Inhalte des Stückes Aergerniß nehmen. Was ich aber von der dazu gehörigen Musik, freilich auch nur für Blasinstrumente arrangirt, ohne ein gesungenes Wort gehört habe, das Alles war niedlich, munter, gefällig, witzig und voll neuer artiger Gedanken und Einfälle. Welcher Mensch, der Sinn und Ohr für Musik hat, kann es also einem ehrlichen Manne verdenken, wenn er sich an einer solchen Musik ergötzt? Mögen Andere, die nur Sinn für die sogenannte Harmonie des Versbaues haben, immerhin die Tragödie und mit ihr die Kunst des Dichters bewundern, wie er die Ausgelassenheit der Leidenschaften, das triumphirende [462] Laster und die leidende Unschuld mit lebendigen Farben schildert und dem Zuhörer die Thränen des Mitleids entlockt. Macht uns aber ein Künstler durch seine Kunst einen frohen Augenblick, was jetzt eben nicht zum Alltäglichen gehören möchte, so sei er willkommen und wäre es auch in Gesellschaft eines Donauweibchens! Der gebildete Mann, durch die Musik erheitert, wird über die Thorheiten im Stücke lächeln, und der Pöbel, den zu bessern doch alle Kunst, selbst des ernsten Tragikers, verloren sein möchte, findet hier wenigstens Gelegenheit, sich einmal auf eine unschuldige Weise zu erlustigen. Man mache, statt allen Schimpfens auf die schlechten Opern und auf den schlechten Geschmack der Opernliebhaber, lieber bessere Opern, oder aber schaffe sich musikalische Ohren an, so wird das Vergnügen über die Schönheiten in der Darstellung der einen Kunst, das Mißvergnügen über die Gebrechen in der anderen verdecken und ertragen helfen.“