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Artikel „Hißmann, Michael“ von Carl von Prantl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 503, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hi%C3%9Fmann,_Michael&oldid=- (Version vom 27. Dezember 2024, 02:09 Uhr UTC)
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Hißmann: Michael H., geb. am 25. Sept. 1752 in Hermannstadt in Siebenbürgen, † am 14. August 1784 in Göttingen, woselbst er studirt und (1776) mit einer „Dissertatio de infinito“ promovirt hatte, worauf er ebendort 1782 außerordentlicher und 1784 ordentlicher Professor der Philosophie wurde. Eine reiche und bedeutsame schriftstellerische Thätigkeit wurde durch seinen frühen Tod beendigt; dieselbe begann mit „Geschichte der Lehre von der Association der Ideen“ (1777) und „Psychologische Versuche“ (1777, 2. Aufl. 1788), woneben er gleichzeitig eine „Abhandlung über die angeborenen Begriffe“ (im Teutschen Merkur, 1777) und „Ueber den Hauptzweck der dramatischen Poesie“ (im Teutschen Museum, 1777) veröffentlichte. Darauf folgte „Anleitung zur Kenntniß der auserlesenen Litteratur in allen Theilen der Philosophie“ (1778), welche eine für die damalige Zeit sehr dankenswerthe Bücherkunde enthält, sowie das „Magazin für die Philosophie und ihre Geschichte“ (6 Bde., 1778–83) sich das Verdienst erwarb, eine große Anzahl von philosophischen Abhandlungen aus den Veröffentlichungen der Pariser und der Berliner Akademie in deutscher Uebersetzung zu allgemeinerer Kenntniß gebracht zu haben. Zu gleicher Zeit erschienen seine „Briefe über Gegenstände der Philosophie“ (1778) und bald darauf „Untersuchungen über den Stand der Natur“ (anonym 1780), sowie eine Uebersetzung der Schrift Condillac’s[WS 1] über den Ursprung der menschlichen Erkenntniß (1780); außerdem übersetzte er De Brosses’[WS 2] Traité de la formation mécanique des langues, ferner die ersten 15 Bände von Delisle’s Histoire universelle und Demeunier, Les moeurs et les usances des peuples; seine letzte Schrift war ein in warmer Hingabe verfaßter „Versuch über das Leben des Freyherrn v. Leibnitz“ (1783). Das Hauptfeld seiner litterarischen Thätigkeit lag in der Psychologie, welche eben zu jener Zeit in den Fluß zahlreicher Controversen zu kommen begann. Er vereinigte dabei die geschichtliche Richtung des vorigen Jahrhunderts, indem er mit großer Belesenheit in die frühere Litteratur zurückgriff, mit der neu auftauchenden Forderung einer auf Erfahrung begründeten Seelenkunde, und somit war er ein lebhafter Gegner des Dogmatismus der Wolffianer, sowie er sich auch in sehr heftigen Ausdrücken gegen die Kirchenväter (besonders Augustin)[WS 3] und überhaupt gegen die Theologen äußerte. Es war der englisch-französische Sensualismus, welchen er in Deutschland mit allem Nachdrucke vertrat, indem er sich an Locke, Condillac, Bonnet, Helvetius, Robinet, Hartley, Search, Priestley u. A. anschloß und in solchem Sinne grundsätzlich die Immaterialität und Einfachheit eines eigenen Seelenwesens bestritt. Dabei übte er auch eine scharfsinnige Kritik an den Ansichten des von ihm übrigens hoch geachteten Leibniz und griff schneidig in die damaligen Streitigkeiten über den sog. influxus physicus ein, welcher ihm nur dann als erklärlich erschien, wenn die Seele eine materielle Complexion sei. Eine einläßliche Geschichte der Psychologie (welche wir allerdings erst noch von der Zukunft erwarten müssen) würde an H. einen immerhin hervorragenden Autor zu besprechen haben.

Die dürftigen Notizen über sein Leben und Angabe der Büchertitel siehe bei Pütter, Versuch einer Gelehrten-Geschichte von der Georg-Augustus-Universität, Bd. II. S. 64.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Étienne Bonnot de Condillac (1714–1780), französischer Geistlicher, Philosoph und Logiker,
  2. Charles de Brosses (1709–1777), französischer Jurist und Philologe
  3. Augustinus von Hippo