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Artikel „Herbrot, Jakob“ von Georg Mezger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 45–48, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Herbrot,_Jakob&oldid=- (Version vom 25. April 2024, 11:25 Uhr UTC)
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Herbrot: Jacob H., der letzte zünftige Bürgermeister von Augsburg, war der Sohn eines aus Schlesien nach Augsburg eingewanderten Kürschners, der sich in die Zunft eingeheirathet hatte, aber bei einem Streit auf dem Zunfthaus erschlagen worden war. Sein Geburtsjahr scheint 1490 zu sein; ein eigenes Hauswesen begann er um 1520 mit einem nur mäßigen Vermögen; denn zu seinem „durch Wucher“, wie seine Gegner schmähten, erworbenen Vermögen von 400 Fl. hatte ihm seine Frau Maria, eine Tochter des Kaufmanns Lorenz Kraffter, nur weitere 800 Fl. zugebracht. Aber sein bald bedeutender Handel mit Pelzwerk und Kostbarkeiten verschiedener Art, sowie Geldgeschäfte, wozu der Verkehr der Reichstage Gelegenheit bot, machten ihn zum wohlhabenden, bald zum reichen Mann, der durch die Einrichtung seines Hauses, die darin gefeierten Feste und seinen weitberühmten Garten den Glanz der reichsten Haushaltungen in der Stadt überbot. Der Kürschnerzunftmeister trat in die Kaufleutestube über und spielte hier schnell die hervorragendste Rolle an der Spitze der mit den Geschlechtern nicht gleiche Wege verfolgenden Gemeinde. Der Reformationsbewegung scheint er sich schon sehr frühe angeschlossen zu haben. Seit 1522 war sie in Augsburg immer kräftiger vorgeschritten, so daß 1534 die Messe abgeschafft und der evangelische Gottesdienst überall eingeführt wurde, 1537 die katholische Geistlichkeit sogar die Stadt verlassen mußte. H. mag dabei schon mitgewirkt haben; denn im folgenden Jahre, von wo an wir seine Wirksamkeit genau verfolgen können, lernen wir ihn schon als einen Mann von großem Einfluß unter der Bürgerschaft kennen. Nicht mit gleicher Begeisterung waren die Geschlechter für die religiöse Neuerung eingetreten, wie die Zünfte. Aber sie waren zu schwach, um der Volkssache einen Damm entgegenzusetzen; denn die Zahl ihrer Familien war seit 1368 von 51 auf 7 zusammengeschmolzen. Als um 1538 das Patriciat durch die Aufnahme von 39 neuen Familien ergänzt wurde, erhob sich eine heftige, wenn auch erfolglose, Opposition dagegen; es war „H. mit seinem Anhang“, den seitdem die Patricier als ihren Hauptgegner anzusehen gewohnt waren. Daß er nicht mit Unrecht eine Gefahr für die Verfassung der Stadt in dieser Vermehrung der Geschlechter gesehen hatte, lehrte die Folgezeit. Seitdem erweiterte sich die Kluft immer mehr. Die Kaufleute errichteten 1539 eine eigene Stube, und sie war der Herd des selbstbewußten Vorgehens der Bürgerschaft auf kirchlichem und politischem Gebiet, das nothwendig die Stadt mit dem Kaiser in Collision bringen mußte. H. und innig mit ihm verbunden, sein Freund Georg Oesterreicher, waren die Seele aller dieser Bestrebungen. Zwar wuchs dadurch nur die Mißgunst der Geschlechter gegen den „Meister Pellifex“, der dadurch auch ihre Handelsinteressen gefährdete, aber seine Beredsamkeit, seine Freigebigkeit, seine Verbindungen an den Höfen der Fürsten, die Repräsentationsgabe des weltkundigen Mannes, welche derjenigen der Patricier, die so gern über das Ungeschick der Bürger dazu spotteten, nichts nachgab und sein entschiedenes Eintreten für den evangelischen Glauben und seine Prediger sicherte ihm um so mehr die Gunst des Volkes, das in ihm seinen natürlichen Führer sah. Seine Stellung befestigte sich immer mehr; wir [46] finden ihn als Vertreter der Stadt bei dem Wormser Religionsgespräch (1541), auf dem Nürnberger Reichstag (1542), bei der Feststellung der Grenzen der Markgrafschaft Burgau und bei Verhandlungen wegen eines neueingeführten Zolles in München (1543), bei dem Schiedsgericht zwischen der Stadt Donauwörth und der Familie Fugger (1544), als Berather bei der Einführung der Reformation in Donauwörth (1545) und bei vielen anderen Anlässen. Wie groß sein Ansehen in der Stadt war, zeigt sich am besten darin, daß ihn Sebastian Schertlin „seinen Landesherrn“ zu nennen pflegte. Seinen Höhepunkt aber erreichte H., als er in dem wichtigen J. 1546 das Bürgermeisteramt bekleidete. Schon seit dem Eintritt in den schmalkaldischen Bund hatte die Stadt die kaiserliche Ungnade zu fühlen bekommen. Sie wurde hineingezogen in die Unternehmungen gegen Heinrich von Braunschweig, die großen Geldopfer, die dadurch nöthig wurden, brachten H. zwar manche Anfeindung, vermochten seine Stellung aber nicht zu erschüttern. Auch jetzt, wo der Bruch mit dem Kaiser und die Kriegsgefahr immer drohender wurde, hielt die Bürgerschaft in ihrer großen Mehrheit zu ihm; Sorge für den evangelischen Glauben und reichsstädtisches Selbstgefühl bestärkte sie in ihrer Haltung. H. und Schertlin hatten die Zuversicht noch zu erhöhen vermocht, als sie am 16. August 1545 auf dem Frohnhof eine Musterung der Bürgerschaft hielten; H. selbst zog im Harnisch voran, sein Sohn, Georg Fugger und Jacob Adler trugen die Rennfahne; 3596 Mann zu Fuß und 470 zu Pferd betrug die kriegstaugliche Mannschaft. Schmähten auch die Gegner über das „von dem übermüthigen H. angestellte Kinderspiel“, man ließ sich nicht irre machen; selbst im Augenblick der Entscheidung verhallten die warnenden Stimmen aus den Reihen der Geschlechter wirkungslos, obwol selbst Herbrot’s patricischer College, der entschieden evangelisch gesinnte Hans Welser, gegen den Krieg war. Als nun (im Juli 1546) Schertlin’s Zug gegen Füssen und die Eroberung der Ehrenberger Klause der Siegeszuversicht neue Nahrung zugeführt hatte, wagte sich der reichsstädtische Trotz noch kühner hervor; Schmähschriften gegen den Kaiser erschienen; ein Schützling Herbrot’s, der Prädicant Bernhard Occchino, war darin am rührigsten. Aber nur zu bald erfolgte der Umschlag. Anfangs August war H. mit Welser zur Begrüßung der Fürsten in Donauwörth gewesen, am 15. August hatte er dem Kriegsrath zu Reichertshofen angewohnt und vergebens für eine energische Kriegsführung zu wirken gesucht; bereits im October sah die Stadt ihre Mannschaft wieder in ihren Mauern; Schertlin hatte sich schon durch die Feinde durchschlagen müssen; am 27. November hatten die Fürsten ihr Lager bei Giengen verlassen und die oberdeutschen Städte preisgegeben. Obwol der Muth der Bürger noch immer nicht gebrochen war, wurde Herbrot’s Stellung jetzt eine äußerst schwierige. Während Anton Fugger sich in Eßlingen und Ulm bemühte, „einen christlichen leidlichen Vertrag“ von dem Kaiser zu erhalten, fiel H. die schwere Aufgabe zu, der Bürgerschaft die harte Nothwendigkeit, sich zu fügen, klar zu machen. Viele waren für die äußerste Gegenwehr, die Prädicanten bestärkten sie; Schertlin, den Karls Haß besonders als Opfer ausersehen hatte, wollte nicht weichen. Als endlich nach langen Verhandlungen der unerbittliche Kaiser einen letzten Termin von 40 Stunden für die Annahme seiner harten Friedensbedingungen gesetzt hatte (bis zum 24. Januar), gelang es H., Schertlin, von dem man noch Tags zuvor einen Plan zur Vertheidigung der Stadt hatte ausarbeiten lassen, gegen das Versprechen völliger Schadloshaltung bei allen bevorstehenden Vermögensverlusten zum freiwilligen Abzug zu vermögen. Die Gesandten leisteten in Ulm die verlangte fußfällige Abbitte, die auf 150 000 Fl. endlich ermäßigte Strafsumme wurde gezahlt, indem Anton Fugger und H. der Stadt durch große Vorschüsse der Stadt zu Hülfe kamen, des Kaisers Kriegsvolk zog in die Stadt ein, deren Bedrängnisse sich mehrten, weil von allen Seiten die maßlosesten Entschädigungsansprüche [47] an sie gestellt wurden; aber besonders drückend lastete die Sorge wegen der Religionsfrage auf den Gemüthern, in der niemand dem Kaiser traute. Als nun am 18. Juli 1547 der Cardinal Otto von Truchseß, und zwei Tage später der Kaiser selbst eingezogen war, wurden wirklich mehrere Kirchen für den katholischen Gottesdienst weggenommen, der evangelische offen von den Spaniern verhöhnt; zuletzt mußten die Prädicanten froh sein, daß sie überhaupt noch predigen durften. Bald (19. August) hatte H. auch die schmerzliche Aufgabe zu erfüllen, den von 400 Spaniern escortirten gefangenen Kurfürsten von Sachsen nach Augsburg einzuholen. Aber das Schwerste kam noch. In der Voraussicht, daß des Kaisers Zorn noch in einem andern Blitzstrahl über die trotzige Reichsstadt sich entladen werde, hatte H. schon während der Verhandlungen in Ulm alles aufgeboten, um zu verhüten, daß Augsburg der Sitz des nächsten Reichtags werde. Ihm bangte für die demokratische Verfassung der Stadt. Ein am 18. Juni an ihm geübter Erpressungsversuch, wo er, plötzlich in die kaiserliche Pfalz citirt, nur gegen eine Bürgschaft von 25 000 Fl. – 80 000 waren zuerst verlangt worden, – loskam, bestätigte schon, wie begründet seine Befürchtung war. Als nun der Reichstag geschlossen, das verhaßte Interim verkündigt war – eine Maßregel, die noch der zünftische Rath vornehmen mußte – wurden am 3. August plötzlich die Bürgermeister, der große und kleine Rath und angesehene Bürger vor den Kaiser citirt und ihnen nach einer scharfen ungnädigen Ansprache eröffnet, daß die bisherige Verfassung abgeschafft sei und dafür ein neues, rein patricisches Stadtregiment eingesetzt werde. Die Zünfte wurden aufgehoben, die Zunfthäuser verkauft, der Erlös dem neuen Rath übergeben. Auf Herbrot’s Person war der Zorn des Kaisers durch die Geschlechter besonders gelenkt worden, jetzt nach ihrem Sturze machten sie ihrem Hasse noch durch Processe gegen ihn Luft, in denen er jedoch vor den Gerichten Recht behielt. Dazu erschienen schändliche Pasquille und Spottgedichte über ihn. Sie vermochten ihm die Volksgunst nicht zu nehmen. Ja sogar in höheren Kreisen wußte er sich zu halten, wie seine Ernennung zum Rath des Königs Ferdinand, seine Erhebung in den Adelstand und die glänzende Hochzeit seines Sohnes in Wien mit einem Freifräulein von Hieburg zeigt. Auch für seine politische Wirksamkeit schien sich noch einmal die Bahn zu eröffnen. Des Kaisers Despotismus, der durch ganz Deutschland fühlbar war, steigerte auch in Augsburg, wo das spanische Kriegsvolk übel hauste, die Unzufriedenheit, die zum Ingrimm wuchs, je mehr auch der evangelische Gottesdienst unterdrückt wurde. Man sah um so mehr zu dem bewährten Volksmann H. auf, der die Kühnheit hatte, die 1551 vertriebenen Prädicanten in seinem Hause noch einige Zeit zu beherbergen. Als endlich die rücksichtslose Ausnützung seines Sieges dem Kaiser auch die bisherigen Freunde entfremdet hatte, und Kurfürst Moritz mit seinen Verbündeten gegen Tirol zog, konnten H. und sein Freund Oesterreicher, die schon hinter dem Rücken des Raths mit diesen verhandelt hatten, es wagen, offen für sie aufzutreten. Als der Rath die Bürgerschaft versammelte und zum Widerstand gegen die Fürsten aufforderte, erklärten die Beiden, sie hätten und wüßten keinen Feind, und die Gemeinde zeigte eine so entschiedene und drohende Haltung, daß der Rath die Unmöglichkeit, die Stadt dem Kaiser zu erhalten, erkannte und abtrat. Am 4. April 1552 ritten die Bundesfürsten in die Stadt ein; Kurfürst Moritz nahm sein Absteigequartier bei H. Nun wurden die Zünfte und die vor 1548 bestandene Verfassung sowie der evangelische Gottesdienst wiederhergestellt; H. sah sich wieder an der Spitze der Stadt als Bürgermeister. Aber keiner der Patricier wollte sein College sein; mit Mühe bestimmte man endlich Anton Rudolf zur Annahme der Wahl. Jedoch das Eingreifen der Fürsten in die städtischen Angelegenheiten, ihre starken Geldforderungen, [48] sowie die Weigerung der Geschlechter, einen Vertrag wegen Aufrechterhaltung der Zunftverfassung einzugehen, erschwerte Herbrot’s Stellung sehr. Zudem wurde Schertlin, der jetzt rücksichtslos mit seinen Entschädigungsforderungen hervortrat, lästig. Als nun vollends der Passauer Vertrag kein Wort zum Schutze des zünftischen Regiments enthielt, sah man mit Bangen der Ankunft des Kaisers entgegen. Am 20. August erschien er; fünf Tage später wurde der ganze Rath abgesetzt, den Zünften ihr Gold, Silber und alle Baarschaft abgenommen, ihre Bücher und Register verbrannt, der Kaufleutestube ein Verweis ertheilt. Ein rein patricischer Rath trat an die Stelle. Hiemit war Herbrot’s politische Rolle ausgespielt, aber auch die Lebenskraft der Stadt war gebrochen. Daß über die gefallene Größe sich die Schmähsucht wieder in Spottliedern und Pasquillen erging, kann nicht wundern, sagte man sich doch, daß es mit des Kaisers Einwilligung geschehen sei, als in der Nacht vor dessen Abzug Graf Jost von Zorn Herbrot’s schönen Garten verwüstete und die Gebäude niederbrannte. – Für die Dauer war für H. in Augsburg kein Aufenthalt mehr. Er wurde pfalzgräflicher Rath und Pfleger in Lauingen, nachdem er sein Geschäft, in welchem er schwere Verluste erlitten hatte, 1557 den Söhnen übergeben hatte. Die Lage war damals noch keine ungünstige; 750 958 Fl. betrugen die Activa, 583 961 Fl. die Passiva. Da er sich aber nicht ganz von dem Geschäfte losgelöst hatte, aus dem er sich eine Rente von 3600 Fl. vorbehielt, hielten sich die Gläubiger an ihn, als gegen die Söhne, die schon länger in Geldverlegenheiten waren, 1562 auf der Frankfurter Messe vollends ein Sturm losbrach. Nur gering war die Ueberschuldung: 545 014 Fl. Activa gegen 554 623 Fl. Passiva. Dennoch konnte der alte H. kein Geld aufbringen; seine alten Augsburger Feinde sorgten dafür, daß er keins bekam. „Der Herbrot ist verdorben; sein Weib vor Leid gestorben; des freut sich jedermann“, so jubelte man dort in Spottliedern. Es wurde zuletzt ein Gantverfahren gegen ihn eröffnet, und da seine Söhne geflüchtet waren, der 74jährige Mann nach Neuburg in die Schuldhaft abgeführt. Dort starb er in einer Herberge am 21. April 1574. Die Prädicanten hatten ihm als Zwinglianer das Abendmahl verweigert; nicht einmal ein ehrliches Begräbniß wollte man ihm gestatten; mit Mühe erreichte es der Landvogt Ilsung, daß er in einem Winkel des Gottesackers am frühen Morgen beerdigt wurde. Noch nach seinem Tode tönte der Haß seiner Gegner in Spottliedern fort.

Theils die Schmähsucht der Zeitgenossen, theils die Befangenheit der späteren Zeitgenossen hat das Bild des merkwürdigen Mannes getrübt, dem erst die neueste Zeit Gerechtigkeit widerfahren ließ. Nachdem v. Liliencron in den histor. Volksliedern (IV. S. 573 ff.) ihn besser gewürdigt hatte, hat Hecker in der Zeitschr. d. hist. V. v. Schw. u. Nbg. I. 1. S. 34–98 und 3. S. 257–310 eine actenmäßige Schilderung seines Wirkens gegeben. Auf diesen Arbeiten und auf handschriftlichem Material der Lindauer Stadtbibliothek und der Bibliothek des hist. Vereins in Augsburg fußt das Vorstehende.