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Artikel „Heidegger, Joh. Konrad“ von Georg von Wyß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 297–299, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heidegger,_Konrad&oldid=- (Version vom 9. Dezember 2024, 01:11 Uhr UTC)
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Heidegger: Joh. Konrad H., Bürgermeister in Zürich; geb. 1710, † 2. Mai 1778 – bildete sich in Zürich, Neuenburg, Lausanne und Berlin frühe vielseitig und gründlich in Philosophie, Sprachkunde und Naturwissenschaften aus und trat in Zürich in die öffentlichen Geschäfte, in welchen er eine durch Verdienste um seine nächste Heimath und um die Schweiz ausgezeichnete Bahn zurücklegte. Seit 1741 Mitglied des zürcherischen Großen Rathes wurde H. zunächst in den Kirchen- und Schulangelegenheiten wirksam, wie er auch schon 1734–1737 sich der öffentlichen Bibliothek (Stadtbibliothek) besonders angenommen und in Gemeinschaft mit J. Hch. Rahn[WS 1] den ersten wissenschaftlichen, 1744 gedruckten Catalog derselben angefertigt hatte und 1746 J. Geßner (s. d. A.) bei Stiftung der zürcherischen naturforschenden Gesellschaft eifrig unterstützte. 1752 Mitglied des Kleinen (täglichen) Rathes, und 1757 des Geheimen Rathes, 1759 Staatssekelmeister, widmete H. theils der Finanzverwaltung, theils fortdauernd dem Schulwesen seine Aufmerksamkeit und regte für Letzteres 1765 einen Reformplan an, der insbesondere J. J. Breitinger’s lebhaftesten Beifall fand und ein paar Jahre später in den obersten Behörden Gegenstand der Berathungen wurde. Vorzüglich aber fand H. jetzt in den wichtigsten politischen Angelegenheiten Verwendung und wurde hier von großem Einfluß. Die Beziehungen zwischen Zürich und Bern und diejenigen Frankreichs zur Schweiz bestimmten wesentlich den Gang der schweizerischen Dinge. In den ersteren bildeten die verschiedenen Anschauungen der beiden „Orte“ (Cantone) rücksichtlich der Streitigkeiten des Abtes von St. Gallen mit der ihm untergebenen Landschaft Toggenburg, deren Jene sich angenommen, einen schwierigen Punkt. Frankreichs enge Beziehungen zu den katholischen Orten, seit seinem Bunde von 1715 mit denselben, und sein Wunsch auch die evangelischen Städte für eine solche Verbindung zu gewinnen, erforderten der Letzteren ganze Vorsicht, bei der unter Umständen bedrohlichen Macht dieses Nachbars. Nach beiden Richtungen hin wurde H. thätig, indem er als zürcherischer Abgeordneter in Bern und bei auftragsgemäßem Besuche beim französischen Botschafter in Solothurn, Chavigny (1753–1762), freundschaftliche Verbindungen mit einflußreichen bernerischen Magistraten und mit Chavigny anknüpfte, und dadurch volle Verständigung zwischen Zürich und Bern und eine Haltung Frankreichs herbeiführte, die sich störender Einmischung in die schweizerischen, zumal die toggenburgische Frage enthielt und den evangelischen Orten freundlich blieb ohne auf ein förmliches Bündniß zu dringen. Die Uebereinkunft von Baden, vom 27. September 1755, zwischen Zürich, Bern und dem Abte von St. Gallen und der von beiden Städten vermittelte Vergleich von Frauenfeld, vom 30. März 1759, zwischen dem Abte und den Toggenburgern, wodurch die letzten Streitigkeiten beseitigt wurden, erfolgten unter Heidegger’s wesentlicher Mitwirkung. Ueber das Verhältniß zu Frankreich und die Art wie H. auf Chavigny hierin einwirkte, s. die bemerkenswerthe Unterredung Beider vom September 1756. (Archiv f. schweiz. Geschichte und Landeskunde. H. von Hch. Escher und J. J. Hottinger, Zürich 1827. Bd I, S. 13). Auch in der freilich erfolglosen Mediation von Zürich, Bern und Frankreich in den inneren Streitigkeiten von Genf im Jahr 1766/1767 war H. neben seinem zürcherischen Collegen, Statthalter Hch. Escher (s. Bd. 6, S. 352/3) thätig. So hatte er 16 Jahre lang gewirkt, als er am 12. Novbr. 1768 an Stelle des verstorbenen J. J. Leu (s. d. A.) zum Bürgermeister erwählt wurde. Zehn Jahre lang stand H. nun, neben einem älteren Collegen, an der Spitze des zürcherischen Gemeinwesens und mittelbar der Schweiz; Jahre vielfältiger von ihm theils angeregter, theils kräftig unterstützter Verwaltungsmaßregeln von wohlthätigstem Einfluß. Die 1765 von ihm betonte Reform der öffentlichen Schulanstalten in der Stadt Zürich, wurde 1768 vom Großen [298] Rath an die Hand genommen und schloß 1773 mit Durchführung eines von dem Grundgedanken getragenen Planes, neben der gelehrten auch bürgerliche Bildung zu erzielen, die Realien neben den humanistischen Studien zu umfassen, die Richtungen zu unterscheiden und dennoch Zusammenhang und Einheit im Ganzen zu bewahren. (S. Nachricht von den neuen Schulanstalten in Zürich 1773 – von Leonhard Usteri verfaßt – und: Troxler, I. P. V., Luzerns Gymnasium und Lyceum, Glarus 1823. S. 59/60). Zur Ergänzung bot die im folgenden Jahre 1774 von Leonhard Usteri begründete öffentliche Töchterschule auch für die Mädchen einen über die Elementarstufe hinausgehenden Unterricht dar. 1778 wurde eine, freilich noch dürftige „Landschulordnung für den Canton Zürich“ aufgestellt. Auch die von Statthalter Hch. Escher ausgegangene Stiftung des Waisenhauses, 1771, fand Heidegger’s fördernden Beifall. Für Hebung der Landwirthschaft war unter seinem Einflusse die naturforschende Gesellschaft durch Ausschreibung von Preisfragen, Unterstützung tüchtiger Landwirthe u. s. w. bemüht. Die Obrigkeit erließ Verordnungen betreffend die Forstwirthschaft (1773), den Kartoffelbau (1775), das Straßenwesen (1774), die Fischereien (1776). In den letzten Jahren von Heidegger’s Amtsführung waren es aber wieder die äußeren Verhältnisse der Schweiz, die ihn vorzugsweise in Anspruch nahmen. Seit 1756 hatte sich die Weltlage völlig verändert; die Beziehungen zwischen den festländischen Staaten waren ganz neue. Die erste Theilung von Polen, 1772, zeigte, wessen sich kleinere Staaten von benachbarten Großmächten zu versehen haben; das Auftreten Josephs II. weckte Mißtrauen in der von drei Seiten durch die Gebiete des Kaiserhofes umschlossenen Schweiz. Eine Annäherung an Frankreich schien jetzt auch für die evangelischen Orte um so eher Vortheil zu bieten, als dadurch volle Uebereinstimmung in die Haltung aller Eidgenossen nach außen kommen und für Frankreich jedes Motiv wegfallen mußte, sein Verhalten zur Schweiz auf inneren Zwiespalt in derselben zu gründen. Als Ludwigs XV. Tod 1774 eine schmähliche Regierung endigte und sein persönlich achtbarer und wohlwollender Nachfolger, Ludwig XVI., den sämmtlichen Cantonen den Gedanken eines einheitlichen Bündnisses mit Frankreich von sich aus empfehlen ließ, befreundeten sich auch H. und die einflußreichsten Mitglieder der zürcherischen und bernerischen Obrigkeiten mit diesem Gedanken. So begannen denn im Herbste 1775 die Unterhandlungen theils zwischen den evangelischen und den katholischen Orten unter einander, theils beider Gruppen mit dem französischen Botschafter Vergennes. Sie führten schließlich zur Einreichung eines zwischen den Cantonen vereinbarten Entwurfes eines Bündnisses mit der Krone Frankreich an Vergennes im März 1777, zur Discussion desselben mit dem Botschafter und zum Abschlusse des am 25. August 1777 in Solothurn feierlich beiderseits beschworenen Bundes. H., in allen diesen Verhandlungen in erster Linie betheiligt, konnte am letzten feierlichen Akte des Bundesschwures nicht mehr Antheil nehmen. Schmerzhafte Krankheit hatte ihn im Mai 1777 in Solothurn befallen, verließ ihn auch zu Hause nicht mehr und machte am 2. Mai 1778 seinem Leben ein Ende. Nur mühsam und mit Unterbrechungen hatte er noch an den Berathungen theilnehmen können, durch welche eine in Zürich zwischen der Bürgerschaft und der Obrigkeit anläßlich der Ratifikation des französischen Bündnisses entstandene Verfassungsstreitigkeit im December 1777 endliche Erledigung fand. In Zürich fühlte man tief den Verlust des ungewöhnlich bedeutenden Mannes, wie es besonders der greise Bodmer und Dr. Hans Caspar Hirzel (s. d. A.) aussprachen und ein Verein von Verehrern Heidegger’s stiftete seinem Gedächtnisse ein Denkmal – bestehend in einem ehernen Brustbilde Heidegger’s von der Hand des Bildhauers Sonnenschein – das noch jetzt die Halle der Stadtbibliothek, den Lieblingsaufenthalt Heidegger’s [299] in Mußestunden, als schönste Zierde schmückt. – Von wissenschaftlichen Arbeiten Heidegger’s erschien im Drucke nur eine kleine 1752 verfaßte Abhandlung, in den Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Zürich (1. Jahrg. 1761): „Erzählung einiger Beobachtungen in den Torffeldern in Rüti“. –

Neujahrsblätter der Stadtbibliothek in Zürich von 1779 und 1846. Neujahrsblatt des Waisenhauses in Zürich 1861 (Biographie Heidegger’s, von Dr. jur. Jb. Escher[WS 2]). Hirzel, Dr. Hs. C., Denkrede auf Herrn Hs. C. Heidegger etc. Zürich 1779. –


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Johann Heinrich Rahn (1709–1786), Naturwissenschaftler; s. NDB 21, S. 112.
  2. Johann Jakob Escher-Bodmer (1818–1909), später Oberrichter des Kantons Zürich.