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Artikel „Harring, Harro Paul“ von Karl Ernst Hermann Krause in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 641–643, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Harring,_Harro_Paul&oldid=- (Version vom 20. Dezember 2024, 00:18 Uhr UTC)
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Harring: Harro Paul H. wurde am 28. August 1798 zu Ibensdorf im schleswig’schen Amte Husum als Sohn eines Hofbesitzers geboren. Zuerst im Zollwesen angestellt, ging er bald nach Kopenhagen, um sich der Schlachtenmalerei zu widmen, besuchte zu diesem Zweck 1819 auch die Kunstakademie zu Dresden. Im J. 1820 hielt er sich in Wien und Würzburg auf, von wo er nach Dänemark zurückkehrte. Doch bald trieb ihn sein zum Abenteuerlichen geneigter Sinn als Freiheitskämpfer nach Griechenland (1821), wo er im Philhellenencorps focht. Da aber der Erfolg seinen Erwartungen nicht entsprach, ging er nach Rom, wo er sich ein Jahr aufhielt, dann nach Wien, um sich wieder ganz der Kunst zu widmen, hierauf lebte er abwechselnd in der Schweiz und in München, dann wieder in Wien als Theaterdichter am Theater an der Wien, privatisirte dann in Prag und ging später nach Warschau (1828), um als Cornet in ein russisches Gardelancierregiment einzutreten. Als 1830 die [642] Julirevolution in Frankreich ausbrach, nahm er seinen Abschied und kehrte nach Deutschland, zunächst nach Braunschweig, zurück. Wegen demagogischer Umtriebe aus Baiern und Sachsen ausgewiesen, begab er sich nach Straßburg, wo er die Zeitung „Das constitutionelle Deutschland“ herausgab, betheiligte sich am Hambacher Feste (1832), floh aber wieder nach Frankreich. Dort hielt er sich in der Gegend zwischen Dijon und Chalons und 1834 in Dijon selbst auf. Hier knüpfte er Verbindungen mit Mazzini an und nahm am Savoyerzuge Theil, was aber am 11. Mai 1836 im Bade Grenchen zu seiner Verhaftung und Einkerkerung in Solothurn führte. Doch wurde er bald wieder in Freiheit gesetzt und erhielt nicht lange darauf nebst Mazzini und Ruffini das Bürgerrecht in Grenchen. Gleichwol ward er bald aus dem Canton Basel ausgewiesen und in Bern aufs neue verhaftet. In der Folge aus der ganzen Schweiz ausgewiesen, begab er sich über Calais nach London. Im Mai 1837 wurde er in einem Pistolenduell verwundet und lebte nun auf der Insel Helgoland, aber auch hier bekam er sehr bald Streitigkeiten mit dem Gouverneur, wurde verhaftet und auf ein Kriegsschiff gebracht. 1838 im September finden wir ihn auf der Insel Jersey, im Winter 1838–39 wieder auf Helgoland, dann in Bordeaux, 1841 in Brügge in Holland, später in England, Frankreich, Brasilien; im August 1843 ging er von Rio Janeiro nach den Vereinigten Staaten, wo er dann als Maler und Schriftsteller lebte. Erst das Revolutionsjahr 1848 lockte ihn wieder nach Deutschland; er hielt sich bald in Hamburg auf, bald in Rendsburg, wo er die Zeitung „Das Volk“ herausgab, wurde 1849 auch von hier verbannt, wandte sich nun nach Christiania, wo er durch revolutionäre Schriften Norwegen zum Aufstande gegen die monarchische Verfassung des Landes zu erregen suchte. In Folge dessen mußte er im Mai 1850 auch von hier wieder weichen. Er ging zuerst nach Kopenhagen, fand aber hier nicht die gewünschte Aufnahme und wandte sich dann wieder nach London, wo er als Mitglied eines europäischen demokratischen Centralcomités in sehr gedrückten Verhältnissen lebte. Als er sich im J. 1854 in Hamburg zeigte, wurde er alsbald verhaftet; nur durch die Vermittlung des amerikanischen Consuls kam er los und konnte nach Amerika gehen, wo er sich bis 1856 in Rio Janeiro aufhielt, dann nach England zurückkehrte. Von Jersey aus bat er die dänische Regierung, ihm nur ein Plätzchen auf vaterländischem Boden zu gewähren, wenn auch in einem Staatsgefängniß. Die Regierung gewährte ihm zwar seinen Wunsch, allein es gefiel ihm denn doch nicht, davon Gebrauch zu machen, sondern er lebte in den kümmerlichsten Verhältnissen abwechselnd in London und Jersey. Schließlich wurde der Unglückliche gemüthskrank und litt, worüber man sich freilich kaum noch wundern kann, an Verfolgungswahnsinn. Er ließ sich in diesem Zustande von Zeit zu Zeit Zeugnisse über gute Führung von den Behörden ausstellen, die er dann seinen vermeintlichen französischen und russischen Verfolgern zustellen ließ. Am 21. Mai 1870 fand man ihn auf dem Fußboden seines Schlafzimmers in London todtliegend, er hatte sich mit Phosphor, den er von Zündhölzern abgeschabt hatte, vergiftet. – H. war ein sehr fruchtbarer Schriftsteller, namentlich auf dem Gebiete des Romans, des Dramas und der politischen Lyrik. Von seinen vielen Schriften seien genannt: „Blüthen der Jugendfahrt“, 1821. „Cypressenlaub“, Erzählungen, 1825. „Erzählungen“, 1826. „Serenaden und Phantasien eines friesischen Sängers“, 1828. „Rhonghar Jarr, Fahrten eines Friesen in Dänemark, Deutschland, Ungarn, Holland, Frankreich, Griechenland und der Schweiz“, 1828, 4 Thle. „Der Carbonaro zu Spoleto, politisch-satirische Novelle“, 1831. „Rosabianca, das hohe Lied des friesischen Sängers im Exil“, 1831. „Die Schwarzen von Gießen oder der deutsche Bund“, 1831, 2 Bde. „Skizzenbuch aus den Tagen vor und während der [643] polnischen Revolution vom J. 1830“, 1832. „Faust im Gewand der Zeit, ein Schattenspiel mit Licht“, 1833. „Die Passionsmöve, Psalmen eines Verbannten“, 1838. „Republikanische Gedichte“, Bd. I. Heft I., 1848. „Dolores, ein Charaktergemälde aus Südamerika“, 1858–59, 2 Thle. „Moses zu Tanis“, historisches Drama, 1859. „Die Dynastie“, Trauerspiel in 5 Aufzügen, 1859 (seine letzte Dichtung) etc.

Vgl. Lübker u. Schröder, Lexikon der Schleswig-Holsteinischen etc. Schriftsteller von 1796–1828, Bd. I. S. 223 u. 24, etc. Alberti, Lexikon der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller, 1829–66, Bd. I. S. 326–29. Brümmer, Deutsches Dichter-Lexikon, Bd. I. S. 320 u. 21.