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Artikel „Häberlin, Johannes“ von Karl Friedrich Ledderhose in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 276–278, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:H%C3%A4berlin,_Johannes&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 17:55 Uhr UTC)
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Häberlin: Dr. Johannes H., ein in Basel gebildeter Missionar, ist in Tuttlingen, einer würtembergischen Oberamtsstadt, den 19. Aug. 1808 geboren, gest. am 12. Novbr. 1849 auf dem Hugly bei Calcutta. Seine Eltern, der Schuhmacher Joh. Konrad H. und Regina, geb. Ruf, erzogen ihn christlich und gewöhnten ihn frühe an das Gebet und das Wort Gottes, wie er selber erzählt. Auch hielten sie ihn zur Schule und zur Arbeit an. Ein eifriger Geistlicher, Rommel, wurde auf den lernbegierigen, empfänglichen Knaben aufmerksam, und machte ihn mit den Hauptwahrheiten eines ächten Christenthums bekannt. Schon vom 12. Lebensjahre an las er Missionsnachrichten und andere geistliche Schriften. Nach seiner Confirmation ließ ihn der Vater zur Schuhmacherprofession einschreiben. H. sagt selber: „Bis in mein 15. und 16. Jahr bemühte ich mich, nur dem zu leben, der für mich gestorben ist“, aber nach dieser schönen Jugendzeit gerieth er, wie er bekennt, auf bedenkliche Abwege. Er raffte sich aber bald wieder auf und las theosophische Schriften, wie Jakob Böhme’s „Weg zu Christo“. Es war an dem Pfingstfeste 1826, als der oben genannte Helfer Rommel gewaltig predigte und einen mächtigen Eindruck auf das Herz des Jünglings machte. Mit einer Macht, wie noch nie vorher, erwachte in ihm das Verlangen, in den Missionsdienst zu treten. Er trug seinen Wunsch in einem von ihm geschriebenen kurzen Lebenslaufe dem Comité der Basler Missionsgesellschaft am 4. Novbr. 1826 vor. Sie berief ihn in die Anstalt, in welcher er vom 22. April 1827 bis 13. Decbr. 1830 gründliche Studien machte. Schon vorher, – er war erst 18 Jahre alt, – hatte er in der Schweiz einen Besuch gemacht. Sein Reiseziel galt dem Basler Missionshause. Wie glücklich fühlte er sich, als er nun in den Kreis der jungen Männer treten durfte, welche sich dort auf den köstlichen Beruf vorbereiteten, Prediger des Evangeliums unter den Heiden zu werden. Er war ein fleißiger Zögling und namentlich warf er sich mit Eifer auf das Gebiet der Sprachen. Wenn er sich – was in den Mußestunden geschah – mit der Lectüre eines Werkes beschäftigte, so machte er sich jederzeit Auszüge. Er war alsdann Meister des Inhalts des Gelesenen. Es stand ihm ein ausgezeichnetes Gedächtniß und ein klarer Verstand zu Gebote. Nach einem Uebereinkommen mit der kirchlichen Missionsgesellschaft Englands hatte das Basler Missionshaus auch unsern H. dieser Gesellschaft überlassen. Im J. 1831 kam er nach London und trat daselbst in die Missionsanstalt von Islington. Hier betrieb er ganz besonders [277] das Sanskrit und Hindostan und machte sich mit den theologischen Werken Englands bekannt. Nachdem er die Ordination durch den Bischof von London erhalten hatte, reiste er mit drei Basler Zöglingen nach Calcutta in Ostindien. Sie hatten die Freude, in Gesellschaft des Bischofs Wilson die Seereise machen zu dürfen. Wort und Beispiel dieses ausgezeichneten Mannes wirkten gesegnet auf die vier jungen Evangelisten. Wilson fand bald die hervorragenden Eigenschaften Häberlin’s heraus und interessirte sich besonders für ihn. Kishnagore war Häberlin’s erster Missionsplatz. Diese Mission stand noch in ihrer Kindheit und wenige Bekehrungen durfte H. sehen. Zwei oder drei Schulen wurden vom Missionar Dürr und ihm gegründet, um Sanskrit zu treiben. Doch das genügte ihnen nicht. Kaum hatte sich H. die Sprache angeeignet, so fing er auch schon an, den Eingebornen das Evangelium zu verkündigen, und nicht ohne Erfolg. In Jellinghi und Bhoirab wurde von ihm und seinem nachfolgenden Arbeiter Krückeberg der Beweis geliefert, welche Macht das ächte Christenthum ausübt. Hierauf erhielt er den Auftrag, in den Dörfern südlich von Calcutta zu wirken. Hier war eine Bewegung zu Gunsten des Christenthums entstanden, das Feld war reif zur Ernte. Dort arbeitete er mit entschiedenem Erfolge bis zum J. 1836, er taufte mehr als 60 Bekehrte. Aber es gab auch heftigen Widerstand. H. wollte mit zwei jungen Leuten zur Kirche gehen, um sie zu taufen. Da stellte sich ein Haufe fanatischer Hindus, die mit Knüppeln bewaffnet waren, ihm entgegen, um ihm die Jünglinge mit Gewalt zu entreißen. Es gelang ihnen nicht, aber sie hinderten wenigstens an diesem Tage die Taufhandlung. An einem andern Tage wurde sie vollzogen. Das Evangelium machte siegreiche Fortschritte. Nach dieser Zeit angestrengter Thätigkeit erhielt H. den Auftrag, in Calcutta ein Seminar zur Bildung von Lehrern und Katechisten zu gründen. In kurzer Zeit meldeten sich zehn junge bekehrte Hindus. Jedermann freute sich über dieses Unternehmen, weil man hoffen durfte, daß von eingeborenen Arbeitern am gesegnetsten gewirkt werden könne. Wie Alles, so griff H. auch dieses Werk mit Eifer und Energie an, aber es stellte sich bald heraus, daß manche von den Zöglingen entweder zu alt waren, um wissenschaftliche Studien mit Erfolg machen zu können, oder andere lieber schließlich eine weltliche Anstellung, andere den Handel vorzogen. Gerade während er im Seminar lehrte, bereitete er zwei hoffnungisvolle Jünglinge zur Taufe vor und stand auf dem Punkte, sie in den Schooß der Kirche aufzunehmen, da wurden sie ihm weggenommen und in ein anderes Erziehungshaus gebracht. Dies und andere unangenehme Erfahrungen wirkten nachtheilig auf seine Gesundheit. Er sah sich genöthigt, im Juli 1837 nach Europa zurückzukehren. In England angekommen, wurde H. dazu verwandt, soweit es seine geschwächte Gesundheit zuließ, theils in Kirchen, theils in öffentlichen Versammlungen für die Sache der Mission zu wirken. Er kam auch in sein Heimathland Würtemberg. Hier ehrte ihren gelehrten Landsmann die Universität Tübingen mit der Würde eines Doctors der Philosophie. Zurückgekehrt nach England machte ihm die große britische und ausländische Bibelgesellschaft den Antrag, als ihr Agent nach Calcutta zu gehen. Am Ende des J. 1839 trat er seine neue Stelle mit frischer Kraft und Energie an. Um das Werk der Bibelverbreitung mit mehr Erfolg zu betreiben, miethete er ein geräumiges Haus. Er beschäftigte nun die Presse. Typengießerei und Buchbinderei folgte nach. Eine neue Ausgabe des hindostanischen Neuen Testamentes wurde bewerkstelligt. Es war ein herrlicher Plan, Indien mit heiligen Schriften zu versehen, aber die Arbeit war zu viel für eines einzigen Mannes Schultern. Auch erforderte die Aufsicht über die eingebornen Arbeiter zu große Anstrengung. Nach fünf Jahren legte er die Stelle als Bibelagent nieder. Hatte doch ein Choleraanfall einige Zeit vorher ihn an den Rand des Grabes [278] gebracht und wirklich erholte er sich nie mehr vollständig. – Und doch wäre es klug gewesen, jetzt wieder nach Europa zur Stärkung seiner gebrochenen Gesundheit zurückzukehren. Als er aber zurückkehren wollte, war es zu spät. Er brannte von Eifer, für Indien zu wirken, und trug sich mit dem Plane, eine Centralmission für Indien zu gründen. Schon im J. 1844 schrieb er Briefe auf Briefe an das Comité nach Basel, sich der Noth der armen Heiden im Osten von Calcutta zu erbarmen. In Basel gab es wol Zöglinge, die geeignet waren, dem Rufe zu folgen, nur fehlte es an Geldmitteln. H. ließ sich aber nicht leicht abtreiben, es gelang ihm, wohlgesinnte reiche Engländer für diesen Plan zu gewinnen; auf Veranlassung von Basel gründete er einen Verein von englischen Freunden, die sich für den Unterhalt und die Leitung der Basler Zöglinge verbindlich machten. Im J. 1846 zogen bereits drei Brüder nach Ostbengalen und nachdem sie sich der Sprache in etwas bemächtigt hatten, zogen sie aus, den Heiden das Evangelium zu verkündigen. Alles ging erfreulich von Statten. H. schrieb um neue Hülfe, man könne zehn, zwanzig Missionare brauchen, für ihren Unterhalt sei reichlich gesorgt. Es folgten im J. 1848 fünf weitere Brüder. Auch wandte er sich an den alten Goßner nach Berlin und man muß sagen, daß H. der eigentliche Gründer der so reich blühenden Kolhs-Mission ist, die hauptsächlich von Goßner’schen Missionaren bedient wird. Es ging alles vortrefflich vorwärts. Nur mußte man sich immer wieder sagen: Wird H. auch auf die Länge die großen Ausgaben für diese Mission auftreiben können? Und diese Frage fand leider nicht die genügende Antwort. Die Basler Missionare kamen einst von ihrem gesegneten Missionsfeldzuge in den Osten auf ihre Stationen zurück, da fanden sie den Dr. H. bereits mit dem Tode ringend. Am 6. Novbr. 1849 mußte er krank und elend auf ein Boot gebracht werden, um das heiße Bengalen so schnell als möglich zu verlassen und nach Europa zu eilen. Das Boot verließ die Station Dacca am 9. Novbr. mit dem Kranken und seiner Gattin. Am 12. Novbr. las ihm seine treue Gehülfin das Capitel vom guten Hirten (Joh. 10) vor. Bei der Stelle: „Ich bin gekommen, daß sie das Leben und volle Genüge haben sollen“, überzog sich sein Angesicht mit seliger Freude. „Ob sein Herz getrost sei?“ fragte sie ihn. „Ganz freudig“, sagte er, und sank sterbend in ihre Arme. Er fühlte kaum die Bitterkeit des Todes. Es war mit ihm ein talentvoller und bedeutender Missionar vom Schauplatze seiner Thätigkeit geschieden. Dieses plötzliche und unerwartete Ende erregte im Herzen seiner Freunde ein tiefes, herzliches Bedauern. Noch zwei Jahre vorher hatte er ein Werk geschrieben: „Sanscrit anthology being a collection of the best small poems in the Sanscrit Language“, Calcutta 1847.

Ueber ihn: The christian intelligencer. 1850. S. 93. Der evangelische Heidenbote, April 1850.