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Artikel „Gomarus, Franciscus“ von Jacob Cornelis van Slee in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 363–365, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gomarus,_Franciscus&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 03:18 Uhr UTC)
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Gomarus: Franciscus G. „Es ist gewiß“, sagt Hugo Grotius irgendwo, „daß fast alle Streitigkeiten in der christlichen Kirche von der haarspaltenden Untersuchung subtiler Lehrsätze herrühren, welche an sich weder selig machen noch verdammen.“ Ein Satz, der für die Geschichte der niederländischen Kirche sehr zutreffend ist, namentlich für die Geschichte des 17. Jahrhunderts und leider ist dies einem der ausgezeichnetsten Theologen seiner Zeit zu danken. Wiewol die remonstrantischen Streitigkeiten ihren tieferen Grund schon im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts in dem Uebergewicht des Calvinismus über die mildere Religionsauffassung im Geiste Zwingli’s hatten, so ist nicht zu verkennen, daß der dauernde Erfolg, den der calvinische Geist errang, hauptsächlich das Werk des G. ist. Dieser viel gelobte und viel gescholtene Mann ward am 30. Jan. 1563 zu Brügge in Flandern geboren; seine reformirten Eltern wanderten 1578 um ihres Glaubens willen nach der Pfalz aus; hier ward der Knabe dem gelehrten [364] Johann Sturm in Straßburg zum Unterricht übergeben, welcher ihm tiefe Verehrung für Calvin einflößte. Diese Hochachtung ward noch mehr genährt, da G. drei Jahre später zu Neustadt den Unterricht des aus Heidelberg vertriebenen Ursinus genoß, 1582 zu Oxford und Cambridge unter Raynaldus und Whitaker studirte und, als die calvinistischen Lehrer nach Heidelberg zurückgekehrt waren, dort seine Studien vollendete. Dieser Entwicklungsgang ist nicht zu übersehen, wenn man Gomarus’ späteres theologisches System richtig beurtheilen und sein Verhalten gerecht würdigen will. Die gewaltsame Unterdrückung des Calvinismus in der Pfalz war wenig geeignet, den feurigen Anhänger Calvin’s und Beza’s milde zu stimmen, und die von den streng Lutherischen 1593 bewirkte Aufhebung der reformirten Gemeinde zu Frankfurt a. M., welcher G. seit 1587 als Prediger diente, steigerte seinen tiefen Widerwillen nur noch höher. Diesem, dem Calvinismus so völlig ergebenen Manne nun übertrugen die Curatoren der Leidener hohen Schule eine theologische Professur, welche er, nachdem er sich in Heidelberg den Doctortitel erworben, 1594 antrat. Da die kirchlichen Zwistigkeiten sich damals noch innerhalb der Leidener Gemeinde nicht geltend machten, lebte er anfangs seinem Amte friedlich und in gutem Einvernehmen mit seinen gemäßigten Collegen Franciscus Junius und Lucas Trelcatius sen. Mit dem Tode des Junius aber 1602 trat ein Wendepunkt in seinem Leben ein. Die Curatoren der Leidener Universität schlugen an der Stelle des verstorbenen Junius den Amsterdamer Prediger Jacob Arminius vor, welcher, wie man wußte, dem strengen Calvinismus nicht zustimmte. Alsbald stachelten die Amsterdamer Prediger Helmichius und Plancius den G. zur kräftigen Bekämpfung dieser Wahl auf. Aber den Curatoren der Universität wollte scheinen, dieser Widerstand sei nicht „aus gutem Herzen hergekommen“. Sie beharrten daher bei ihrem Vorhaben und wußten durch ein Colloquium im Hause des Universitätscurators Janus Dousa im Haag zwischen G. und Arminius, jenen zu beruhigen, indem dieser zu Römer 7 eine befriedigende Erklärung der christlichen Freiheit gegenüber dem Mosaischen Gesetze gab, und die Curatoren den G. als ersten Professor anerkannten. Es ist dem G. nicht ganz ohne Grund Schuld gegeben, daß seine Eifersucht sich bei diesem Verfahren nicht weniger geltend gemacht habe, als sein Widerwille gegen die vom strengen Calvinismus sich entfernende Denkungsart seines Gegners. Die große Gelehrsamkeit und das exegetische Talent des Arminius war ganz geeignet, den Vorrang, welchen G. bisher an der Hochschule genoß, in Frage zu stellen, und da Arminius, der 1603 sein Amt antrat, nicht nur von den Curatoren viele Ehrenbezeigungen erhielt, sondern auch großen Beifall unter den Studirenden erntete, fühlte sich die Eitelkeit des G. nicht wenig gekränkt. Bald schlug der Streit in hellen Flammen aus. Die Erklärung des Römerbriefes führte den Arminius zur Besprechung einiger die Prädestination betreffenden Sätze. G., von den strengen Calvinisten aufgestachelt, stellte ihnen alsbald einige Theses entgegen, die er von seinen Schülern vertheidigen ließ. Daraus entspann sich ein in seiner Heftigkeit stets wachsender Zwist, welcher sich bald vom Hörsaale auf die Kanzel übertrug und die ganze Kirche in Feuer setzte. Eine Unterhandlung zwischen Arminius und Cuchlinus einer- und G. und Lucas Trelcatius jun. andererseits, 1605 von der südholländischen Synode veranlaßt, führte nicht zu Ruhe und Frieden, obwol die Unterhändler ausdrücklich erklärten, sie seien in der Hauptsache der Lehre nicht verschiedener Ansicht, eine Erklärung, welche auch von G. unterzeichnet ward. Die strengkirchliche Partei blieb unversöhnlich. Aufs neue reizte sie G., der ihres Erachtens zu viel nachgegeben hatte, zum Angriff wider Arminius auf, und bald stiegen die Zwistigkeiten zu solcher Höhe, daß die holländischen Staaten die Berufung einer nationalen Synode beschlossen. [365] Als aber auf einem am 22. Mai 1607 im Haag gehaltenen Conventus praeparatorius die streng Kirchlichen gewahrten, daß die Staaten dabei eine Revision der symbolischen Schriften und die Beilegung der Zwistigkeiten bezweckten, verweigerten sie jede Annäherung und vergrößerten vielmehr noch die Kluft, indem sie sich der Staatsgewalt in kirchlichen Dingen zu unterwerfen weigerten. Die geplante Synode unterblieb und als Arminius bald nachher seinen „Goudsche Catechismus“ herausgab, verbitterte sich der Streit dermaßen, daß die Staaten G. und Arminius 1608 zur genaueren Darlegung ihrer Lehren vorforderten. Aber auch diese, am Ende desselben Jahres nochmals wiederholte Verantwortung. blieb ganz ohne Erfolg, vielmehr machte nun G. seinem Gegner offen den Vorwurf der Ketzerei. Heftig widersetzte er sich bald nachher, als Arminius in einem Colloquium wider die Gnadenwahl auftrat; ein neues von den Staaten 1609 angeordnetes Colloquium darüber führte ebensowenig zum Frieden. G. blieb unerschütterlich und trieb die Consequenzen seines theologischen Systems bis auf die äußerste Spitze. Er scheute sich nicht einmal, als Arminius am 17. October 1609 gestorben war, sein Gedächtniß zu verspotten in seiner „Waarschuwing“, einer wider den Verfasser der „Christelyke en ernstige vermaning aan R. Donteclock gerichteten Schrift. Als im folgenden Jahre die Curatoren der Universität, welchen die Unbeugsamkeit und Unverträglichkeit der Kirchlichen zuwider waren, den gemäßigten und freisinnigen Conrad Vorstius an Stelle des Arminius zu berufen wünschten, widersetzte sich G. mit allen Kräften. Sein Widerspruch blieb aber fruchtlos; dadurch auf’s höchste erbittert, beschloß er 1611 seine Stellung zu Leiden aufzugeben. Jetzt zog er nach Middelburg, wo er in der Gemeinde als Prediger und an der dort gestifteten hohen Schule als Professor der Theologie und des Hebräischen wirkte und sich jeder Einmischung in die kirchlichen Streitigkeiten enthielt. 1614 gewährte ihm die Universität zu Saumur eine Professur, welche er aber 1618 mit dem theologischen Lehrstuhl zu Gröningen vertauschte. Während seiner Abwesenheit hatten sich die Zustände im Vaterlande geändert: die Remonstranten, nicht mehr von den Ständen gestützt[WS 1], hatten wenig zu hoffen von einer parteiischen und ihnen feindseligen nationalen Synode, deren Zusammenkunft zu Dordrecht schon festgestellt war. Dort also erschien auch G. als Vertreter der Hochschule zu Gröningen, und erwies sich als einer der leidenschaftlichsten Gegner der Remonstranten. Seine Heftigkeit führte ihn sogar manchmal über die Grenzen der Klugheit hinaus und sein blinder Parteieifer veranlaßte den energischen Widerspruch seiner eigenen Parteigenossen Thysius aus Harderwick und Martinius aus Bremen. Dennoch übte er einen bedeutenden Einfluß auf die Haltung der Synode aus und trug viel zur Verdammung der remonstrantischen Lehre bei. Dreiundzwanzig Jahre wirkte er an der Hochschule zu Gröningen bis zu seinem Tode (am 11. Januar 1641) als ein tüchtiger und gelehrter Theologe. Der weiteren Betheiligung an den kirchlichen Streitigkeiten enthielt er sich, erwarb sich dagegen Verdienste durch die Revision der Uebersetzung des A. T., 1633. Gewiß verdient er das Lob eines scharfsichtigen Theologen, dessen Gelehrsamkeit, wiewol scholastischer Art, nicht zu unterschätzen ist. Besonders ist er auch als Exeget zu nennen wegen seiner zu Leiden 1637 herausgegebenen „Lyra Davidis“ und seiner „Expositiones locorum nonnullorum Matthaei, Marci et Joannis“ Seine sämmtlichen Werke erschienen zu Amsterdam in Folio 1645 und 1664.

Ueber die Quellen für seine Biographie vgl. van der Aa, Biogr. Woordenb., und Glasius, Godgel. Nederl.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: gegestützt