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Artikel „Friedel, Johann“ von Egon von Komorzynski in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 773–775, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Friedel,_Johann&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 16:37 Uhr UTC)
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Friedel: Johann F., Schauspieler und Schriftsteller aus dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Ein Prahler und Großsprecher in seinen Schriften, war F. in seiner Lebensführung ein Abenteurer ohne jeglichen sittlichen Halt. Als Schauspieler und Principal hat er das Leben des Wanderkomödianten gründlich ausgekostet; als Schriftsteller geht er stets auf Sensation [774] aus: Deutschthümelei, gepaart mit falschem Pathos, und Aufklärung, gewürzt mit allerhand Pikanterien – aus diesen Ingredienzien setzt sich seine Schriftstellerei zusammen; allerhand Liebeleien und an Ehebruch streifende Verhältnisse drücken seinem Leben den Stempel sittlicher Verkommenheit auf. – Ueber seinen Lebensgang ist wenig bekannt. Geboren ist er in Temesvar am 17. August 1755. Er wurde Schauspieler und trat schon in jüngeren Jahren in den Verband der von Emanuel Schikaneder geleiteten Wandertruppe. Mit Schikaneder befreundete er sich sehr bald und wurde sein Vertrauter. Er besuchte mit der Gesellschaft Nürnberg, Stuttgart, Rothenburg, Klagenfurt, Laibach, Salzburg, Linz, Graz und Wien. So manche von den bekannten köstlichen Ideen Schikaneder’s, Spektakelvorstellungen im Freien, Thierstücke u. ä., sind vielleicht auf Friedel’s Anregungen zurückzuführen. Nachdem Schikaneder 1784 in Preßburg zu Grunde gegangen war, ging er mit den Resten seiner Truppe, darunter F., nach Wien und veranstaltete im Winter 1784 auf 1785 Vorstellungen im Kärthnerthortheater, wobei ein Lustspiel von F., „Der Fremde“, ganz besonderes Aufsehen machte. Kurz darauf aber gab gerade Friedel’s Verhalten den Anlaß zur Auflösung der Gesellschaft. Schikaneder’s Frau, die schon lange Beziehungen zu F. unterhielt, trennte sich von ihrem Manne. Sie, F. und Schikaneder’s Bruder Urban begründeten eine neue Gesellschaft und gingen nach Klagenfurt. Im März 1788 kehrte F. mit Frau Schikaneder wieder nach Wien zurück, wo sie von Christian Roßbach die Direction des 1787 gegründeten Freihaus-Theaters übernahmen. F. aber zerstritt sich bald mit seiner Partnerin und trennte sich von ihr. Nach Klagenfurt zurückgekehrt, starb er daselbst am März 1789 – erst 34 Jahre alt!

Friedel’s Schriftstellerei zerfällt in drei Gruppen. Was zunächst seine Dramen anbelangt, so darf man nicht außer Acht lassen, daß es sich da um lediglich aus praktischen Gründen, gewissermaßen zum Hausgebrauch geschriebene Stücke handelt. Die dreiactige Posse „Christel und Gretchen“ ist nach Friedel’s eigenem Geständniß nach Keller’s „Kirmeß“ gearbeitet; zu dem bekannten Stück „Der Schneider und sein Sohn“ von Fuß hat er 1777 in Troppau einen zweiten Theil gedichtet. Frisches Leben ist in den Stücken wohl enthalten, und auch ein gewisser dramatischer Zug zeichnet sie aus, aber F. schreckt vor Plumpheiten und Derbheiten keineswegs zurück und ergeht sich mitunter andrerseits gern in salbungsvollem Predigerton: „Ein ehrliches Gewissen, die Zufriedenheit, und bei der ihre Mutter, die Tugend – diese müssen uns glücklich machen!“ wird etwa am Schluß von „Des Schneiders und seines Sohnes zweytem Theil“ als Devise angegeben. Besondere Erwähnung verdient das Lustspiel in fünf Acten „Der Fremde“ (Preßburg 1785). Die Handlung ist schablonenhaft und eintönig: im Mittelpunkt steht die Entlarvung eines Glücksritters nach Art des Riccaut durch einen ehrlichen Edelmann, der lange Zeit unter falschem Namen unter den handelnden Personen weilte und sich am Schluß zu erkennen gibt; Sentimentalität und Tugendprahlerei feiern Triumphe. Weitaus gelungener sind die Antritts- und Abschiedsreden und die Gelegenheitsdramolette Friedel’s; unter den letzteren zeichnet sich besonders „Die große Lichtputze im Lothringer Bierhaus, nebst einer Schlußrede des Kasperls“ durch ihren urwüchsigen Humor aus. – Eine zweite Gruppe besteht aus Schriften erzählenden Inhaltes. Hierher gehören die Romane „Eleonore. Kein Roman. Eine wahre Geschichte in Briefen“ (Berlin 1780–1781), „Karl und Klärchen, eine Szene aus dem letzten Kriege“ (Halle 1781) und „Heinrich von Walheim, eine wahre Geschichte“ (1785). Von Bedeutung ist am ehesten noch die Eleonore, die in der im Familienroman seit jeher beliebten Form von Briefen verschiedener Personen [775] an einander eine recht greuelvolle, mit Lüsternheit reichlich gespickte Handlung vorführt. Die josephinischen Tendenzen werden in diesem Roman glorificirt und ein abscheulicher Abbate, der zum Schluß sein Opfer nicht nur auf den Tod verwundet, sondern ihm zugleich auch – um den Sterbenden am Plaudern zu hindern – die Zunge ausschneidet, wird mit den schwärzesten Farben gemalt. Ein gewisses Geschick läßt sich auch dem Erzähler F. nicht absprechen. – In eine letzte Gruppe endlich ließen sich Frieder’s schier zahllose große und kleine Schriften zusammenfassen, in welchen er Zeitfragen und das zeitgenössische Leben behandelt. Seinen „Briefen über die Galanterien von Berlin“ (1782), die ungeheures Aufsehen erregten, folgten 1783 die berüchtigten „Briefe aus Wien verschiedenen Inhalts an einen Freund in Berlin“, später umgearbeitet und unter verschiedenen Titeln wie „Galanterien Wiens“ oder „Anekdoten und Bemerkungen über Wien“ wieder und wieder erschienen. Schonungslos gibt F. in diesem Werk die Nachahmungssucht und Ausländerei, die Genußsucht und Sittenlosigkeit der Wiener dem öffentlichen Spotte preis und feiert zugleich begeistert die Reformen Joseph’s II. Das Buch besitzt großen culturhistorischen Werth. Auch sonst hat F. gern die Geißel geschwungen: „Briefe aus dem Monde“, „Briefe aus der Hölle“ u. ä. betitelt er seine satirischen Werke. Ueber Theaterfragen hat er sich oft und gern breit oder in kurzen Zeitungsartikeln ausgelassen; er war Mitarbeiter von Reichardt’s Theaterjournal und anderen Zeitschriften und hat auch 1777 in Troppau selbst eine Wochenschrift, die „Troppauer Neuigkeiten“, redigirt. Josephinischen Geist athmen eine Reihe von Schriften, die sich mit philosophischen und theosophischen Themen befassen: hierher gehören etwa die „Rhapsodien, allen Menschenfreunden gewidmet von einem katholischen Layen“; „Nicanor und Alcedra, ein Gespräch über die Zeit“; „Ueberzeugung von Gott“; „Der Sünder, ein poetisches Fragment“; „Ueber die göttlichen, natürlichen und teuflischen Träume“ – alles gedruckt in der interessanten Sammlung „Johann Friedel’s gesammelte kleine gedruckte und ungedruckte Schriften. Den Freunden der Wahrheit gewidmet“ (1784).

Friedel’s Vielseitigkeit und Fruchtbarkeit ist erstaunlich. Hat er doch sogar 1783 die Uebersetzung eines lateinischen Werkes „Fragmente aus der Literaturgeschichte der Perser“ erscheinen lassen! Leichtigkeit der Darstellung und Anschaulichkeit des Ausdrucks sind in seinen Schriften vorhanden und versöhnen einigermaßen mit dem sensationslüsternen Inhalt. Ganz ohne Bedeutung ist Friedel’s Schriftstellerei gewiß nicht: sie ist die Production eines Mannes, der – ein seltsames Gemisch von Bildung und Rohheit, von Thätigkeitsdrang und Abenteuersucht – in den Stürmen des Lebens kläglich untergegangen ist.

Wurzbach IV, 357 ff. – Goedeke² IV, 221 f.; V, 324.