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Artikel „Freytag, Wilhelm von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 374–376, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Freytag,_Wilhelm_von&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 10:18 Uhr UTC)
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Freytag: Heinrich Wilhelm v. F., kurfürstlich braunschweig-lüneburgischer Feldmarschall, am 17. März 1720 zu Estorf, Amt Stolzenau, in der Grafschaft Hoya geboren, wurde zu Hannover als Page erzogen und trat 1737 als Fähnrich beim v. Campe’schen Regiment zu Nienburg a. d. Weser in die Infanterie. Nach einer Zeit einförmigen Garnisonaufenthalts brachte der österreichische Erbfolgekrieg sechs Jahre wechselvollen Kriegslebens: die Schlachten bei Dettingen, bei Fontenoy, bei Raucourt und bei Laffeld, bildeten die Hauptetappen desselben; Fontenoy brachte die Beförderung vom sechsten Lieutenant des Regiments zum Capitänlieutenant „wegen des guten Verhaltens meiner Grenadiere, von denen aber nur vier Gesunde übrig blieben“, Laffeld einen Schuß durch die Hand. Als vor Beginn des siebenjährigen Krieges die Befürchtung einer französischen Landung die großbritannische Regierung veranlaßte, deutsche Truppen in Sold zu nehmen, befand sich F. bei dem nach England entsandten Hilfscorps, doch ging die bis zum März 1757 währende Expedition ohne kriegerische Ereignisse vorüber. Der anderwärts bereits entbrannte Kampf sollte deren bald in Fülle bieten. Das allgemein sich kundgebende Verlangen nach „leichten“, besonders für den kleinen Krieg bestimmten Truppen führte auch in Hannover zu dergleichen Formationen. Der Generalmajor und Viceoberjägermeister Graf von der Schulenburg erhielt den Auftrag, ein Jägercorps zu errichten, zu welchem auserwählte Officiere aus der Armee versetzt wurden. Unter diesen war F. Er entsprach anfangs nur ungern dem ihm gemachten Antrage; als er aber eingewilligt hatte und zum Major und zweiten Stabsofficier des Corps ernannt war, unterzog er sich zunächst mit großem Eifer den Organisationsgeschäften, welche ihm, da der Chef sich schon bei der Armee befand, ausschließlich oblagen; ebenso fiel ihm später, wo Schulenburg stets anderweit verwendet wurde, die Führung des Corps allein zu, bis er im Februar 1760 zum Chef förmlich ernannt wurde. Wachsamkeit, Unternehmungsgeist, Unerschrockenheit, militärischer Ueberblick und nie ermüdende Ausdauer trotz aller Anstrengungen eines auch während der Winterquartiere kaum unterbrochenen sechsjährigen Feldlebens kennzeichneten Freytag’s und seiner Jäger Wirksamkeit, deren Thaten jedes Blatt der Geschichte der Kriegsschauplätze in Westfalen, Hessen und Hannover, wo sie unter Herzog Ferdinand von Braunschweig fochten, erzählt und über welche er selbst u. a. sagt: „Der Feldzug von 1759 ist für mich der längste und fatiganteste, aber auch der glücklichste des ganzen Krieges gewesen, indem ich über 600 deutsche Meilen marschirt war und mehr wie 130 Officiere und 1700 Mann unter meinem Commando und in meinem Beisein zu Gefangenen gemacht sind“, und weiter: „Uebrigens waren dies (1761-2) die ersten Winterquastiere, die ich hatte, wo ich nicht auf den äußersten Vorposten stand und zu Winterexpeditionen gebraucht wurde“. Rasche Beförderung und Gratificationen waren der äußere Lohn dieser Leistungen; die glänzendste Anerkennung aber fanden sie durch die stete Vermehrung des Corps, welches mit vier schwachen Compagnien, zwei zu Pferde und zwei zu Fuß errichtet, auf deren acht von jeder Gattung und auf 2497 Mann anwuchs, nach allen Richtungen eine Mustertruppe. „Die von F. bei seinem Jägercorps eingerichteten Büchsen sind von allen bekannten die vollkommensten“, sagt Scharnhorst’s Handbuch für Officiere (neue Aufl., Hannover 1820, III. § 36). – Nach Beendigung des Krieges wurde stark reducirt; es lag nah die außerordentlichen Formationen zuerst aufzulösen; das Ansehen aber, in welchem sie standen, veranlaßte, daß aus ihnen – dem Jägercorps, den Lucknerhusaren und dem Scheither’schen Corps – zwei leichte Dragonerregimenter gebildet [375] wurden, deren Commando, nachdem Luckner, aus Verdruß über die ganze Maßregel und vielfach angefeindet, den Abschied genommen, F. übertragen wurde. Doch wurde sein Wirkungskreis bald ein weiterer. Er ward vielfach mit organisatorischen Geschäften und mit Arbeiten im Bereich der Ausbildung der Truppen beschäftigt; die eigenthümliche Lage, in welcher der Höchstcommandirende in Hannover sich befand, der seine Weisungen und Befehle von einem ohne jeglichen militärischen Beirath in London residirenden, den Verhältnissen ganz fern stehenden Kriegsherrn erhielt, erheischte häufig mündliche Vermittelung und diese lag in der Regel F. ob, welcher 1765 „General-Adjudant“ geworden war und in verschiedenen Sendungen von 1764–1783 zwölf Jahr in England zubrachte.

Im Herbst des J. 1792 folgte er dem Feldmarschall v. Reden im Commando der hannover’schen Truppen und schon der Frühling des nächsten Jahres berief den nunmehrigen Feldmarschall nochmals zu kriegerischer Thätigkeit. Das republicanische Frankreich hatte England den Krieg erklärt und dieses nahm 13000 Hannoveraner in Sold, welche bestimmt wurden, in den Niederlanden zu fechten. Mit 15 Bataillonen, 16 Schwadronen, 68 Geschützen und einem Pionierdetachement rückte das „Auxiliar-Corps“ unter F. nach Flandern und trat dort unter den Oberbefehl des Herzogs von York, eines Sohnes König Georg III. Das Verhältniß zwischen beiden Befehlshabern gestaltete sich von vornherein zu einem wenig erfreulichen: der Feldmarschall, freilich ein bejahrter Herr, dessen Kriegserfahrungen weit rückwärts lagen, dessen frühere Leistungen aber über die eines einfachen Parteigängers weit hinausgegangen waren, und welcher ursprünglich für die Stellung eines Adlatus oder gar für das Obercommando in Aussicht genommen war, ordnete sich dem 28jährigen, ganz unerfahrenen Herzoge, der in seiner Umgebung nur wenig sachliche Unterstützung fand und welchem die Geschäftsführung des englischen Commissariats die ohnehin schon nicht leichte Kriegführung sehr erschwerte, nur widerwillig unter, und so kam es zu mancherlei Mißhelligkeiten und Weiterungen, welche dem Gange der Ereignisse naturgemäß wenig förderlich waren. Kaum eingetroffen befand sich F. sammt den Seinen mitten im Kriegstrubel. Am 23. Mai nahmen sie an dem Angriff auf das verschanzte Lager von Famars Theil, diesem folgte unmittelbar die Eroberung, und am 28. Juli die Einnahme von Valenciennes, sowie die Vertreibung der Franzosen aus dem Cäsarlager am 7. August, bei welchen Gelegenheiten F. unter dem Herzoge befehligte. Als letzterem darauf die Belagerung von Dünkirchen aufgetragen wurde, hatte F. diese mit einem „Observationscorps“ von 19 Bataillonen, 33 Schwadronen und 4 Divisionen Artillerie – Hannoveraner, Engländer, Oesterreicher und Hessen – zu decken. Durch eine Reihe glücklicher Gefechte, in welchen seine Truppen u. a. 16 Geschütze, 17 Fahnen und 3 Standarten nahmen, erkämpfte er sich das erforderliche Terrain, verkannte aber dabei das Mißliche seiner Lage so wenig, daß er seinen Generaladjutanten v. Spörken zur Berichterstattung nach England sandte und daß er eine Position aussuchen ließ, in die er sich zurückziehen könne. Er hatte richtig vorausgesehen. Houchard, welcher gemessenen Befehl zur Rettung Flanderns erhalten hatte, brach gegen ihn vor, zwang das Observationscorps durch harte Kämpfe (5.–8. September), namentlich bei Arneke, Rexpoede und Hondschoote, zum Rückzuge und bewirkte dadurch gleichzeitig das Aufgeben der Belagerung von Dünkirchen. Beim nächtlichen Rückzuge durch das Dorf Rexpoede (6./7. September) ward der Feldmarschall verwundet und gerieth sogar für kurze Zeit in Gefangenschaft, aus welcher er indeß durch die heldenmüthige Hingebung seiner Truppen unter dem Generallieutenant von dem Bussche bald wieder befreit wurde. Seine Wunde nöthigte ihn aber, das Commando dem General Graf Wallmoden zu übergeben [376] und, obgleich er im Laufe des nächsten Winters noch einmal zur Armee zurückkehrte, machte doch seine Gesundheit ihm die fernere Theilnahme am Kriege unmöglich. Er übernahm daher das Commando der Truppen im Lande, welches er bis zu seinem am 2. Januar 1798 zu Hannover erfolgten Tode führte. In dem Erbbegräbnisse zu Landsbergen an der Weser ward er beigesetzt.

„Das Merkwürdigste, was mir in meinem ganzen Leben begegnet ist“, in der Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft und Geschichte des Krieges, Berlin 1853, 1. und 2. Heft. v. Sichart, Geschichte der hannover’schen Armee, Hannover, 3. und 4. Band, 1870. 1871.