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Artikel „Falk, Ed. Wilh. Ludwig“ von Theodor Kolde in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 547–549, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Falk,_Ludwig&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 19:34 Uhr UTC)
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Falk: Ed. Wilh. Ludwig F., trefflicher Kanzelredner, wurde 26. Jan. 1801 in Tribus bei Treptow geboren, wo sein Vater Geistlicher war. 1803 siedelte er mit seinen Eltern nach der schlesischen Heimath seiner Mutter und zwar nach Landeshut über. Von dem Vater und auf der Ritterakademie zu Liegnitz vorgebildet, bezog er Ostern 1820 die Universität Breslau, um Theologie zu studiren. Nach vollendetem Studium und mehreren Candidatenjahren, die er als Hauslehrer in Skarsine bei Trebnitz zubrachte, wurde er 1826 Pastor in Netschkau[1] bei Striegau in Schlesien, 1829 in Schweidnitz und folgte 1829 seinem Vater im Amte als Pastor an der Gnadenkirche in Landeshut, bald auch als Superintendent der Diöcese. Eine größere Wirksamkeit eröffnete sich ihm, als er, der schon als tüchtiger Prediger bekannt war und in dieser Beziehung mit dem befreundeten katholischen Amtsgenossen, Heinrich Förster, dem nachmaligen Bischof von Breslau, wetteiferte, 1838 nach Breslau berufen wurde. Eine durch und durch unionistische Natur, wie F. war, so daß ihm das Streben nach einer durchdringenden Union Lebensaufgabe war, stand er nicht an, seine Unionsliebe dadurch praktisch zu erweisen, daß er, der Lutheraner, das erste Pastorat an der reformirten Hofkirche in Breslau annahm. Bald war er einer der gefeiertsten Prediger der Provinz und hatte als Seelsorger, sowie als freundschaftlicher Berather der angesehensten Familien, besonders der schlesischen Aristokratie, die damals in Breslau ihren Mittelpunkt hatte, einen weitreichenden, segensreichen Einfluß. Sehr wider seinen Willen wurde eine von ihm am Reformationsfeste 1843 gehaltene und durch den Druck veröffentlichte Predigt über 2. Tim. 1, 12 (sie erlebte fünf Auflagen) die Ursache einer heftigen litterarischen [548] Fehde, die die ganze schlesische Kirche in Spannung erhielt. F. war darin ebenso begeistert für das protestantische Recht christlicher Subjectivität aufgetreten, als er mit Entschiedenheit bei warmer Anerkennung der Ueberzeugung des Katholicismus sich gegen das selbstsüchtige, lieblose, Andersgläubigen die Seligkeit absprechende Papstthum erklärte. Hieraus erwuchs ein langwieriger Streit über das Seligkeitsdogma, der, ohne daß sich F. daran weiter betheiligte, von Seiten der Katholiken durch E. Baltzer[2], Buchmann etc., von Seiten der Protestanten durch Suckow, Krause, Boehmer geführt wurde und eine ganze Litteratur hervorrief (s. W. Boehmer, Ueber den confessionellen Streit etc., Breslau 1844). Die allgemeine Aufregung war eine so große, daß sich der Minister Eichhorn veranlaßt sah, dem friedfertigen Urheber des Streites, dem nichts widerwärtiger war, als alles „Zanken“ und der so gern die katholische Kirche in seine ideale Union mit hineingezogen hätte, eine ernste Rüge wegen seiner vermeintlichen Angriffe auf die katholische Kirche zu ertheilen, Schon 1844 Beisitzer der schlesischen Provinzialsynode wurde F. (seit 1841 Consistorialrath) auch 1846 nach Berlin zur Generalsynode berufen. In dieser denkwürdigen Versammlung kirchlicher Notabeln hat F. vermöge seiner großen Rednergabe und Schlagfertigkeit, sowie durch die Freimüthigkeit seines Auftretens, das auch den Gegnern Achtung abnöthigte, nicht unbedeutenden Einfluß gehabt. Mit Eifer kämpfte er gegen die beabsichtigte katholisirende Bevormundung der Theologiestudirenden und gegen die Verpflichtung der Ordinanden auf die Symbole, welche Verpflichtung er geradezu für unmoralisch erklärte. „Der heilige Geist schaffe und forme sich seine Mittel, um zu wirken – – aber er bedarf keiner Barrikaden, um die Kirche gegen Ketzerei zu umschanzen; er bedarf keiner Schnürstiefeln auf dem Wege, denn er hat keine Achillesferse.“ Obwol von der tiefsten Ehrfurcht vor den Symbolen erfüllt und kaum von ihrem Inhalt sich entfernend, warnte er doch im Interesse der Union und der subjectiven evangelischen Freiheit „vor dem Drängen nach kirchlicher Positivität“ und vor der „Ansteckung der frommen Verzückung derer, die gleich den Zitterern und Springerquäkern die ehrwürdigen Symbole der Väter, vor allem die Augustana, umtanzen, als wären sie ein goldenes Kalb“. In seiner Gemeinde konnte er mit seinem unirten Standpunkt zu seinem größten Schmerze nicht durchdringen, gerieth sogar mit seinem Presbyterium, das, geführt von seinem streng reformirten Amtsgenossen Dr. Gillet, sich immermehr der Union entfremdete, in Conflicte, sodaß er sich endlich entschloß, um des Gewissens willen, unter Protest gegen die damalige „unfruchtbare Zwittergestalt von Union“ dem Gegner zu weichen. (Vgl. F., „Abschiedspredigt“, Breslau 1855 und die pamphletartige Schrift von Gillet, „Falk’s Abschiedspredigt und die Geschichte“, Breslau 1855, 20 Bogen!!). Er verließ 1855 Breslau und übernahm das Pastorat in Waldau bei Liegnitz, das er bis zu seinem Tode verwaltet hat. Als während des vaticanischen Concils die deutschen Bischöfe Miene machten, sich den infallibilistischen Gelüsten Roms zu widersetzen, hoffte er, nun schon ein Greis, noch einmal auf die Ausführbarkeit seines Lebensgedankens, auf das Zustandekommen einer wahrhaften Union, „die eine Zeugin sei der großen allgemeinen Union der Kirche, welche nicht blos unter Reformirten und Lutheranern, nein unter allen christlichen Parteien des Erdbodens ihre Anhänger hat“. „Ja, ich gehöre zu denen", schrieb er an Döllinger, mit dem er damals in Briefwechsel trat, „die nach einer Verständigung und endlichen Verschmelzung zwischen Katholiken und Protestanten sich sehnen.“ Durch kleine Gedichte, Aufsätze, Zuschriften der verschiedensten Art bis nach Rom hin suchte er während des Concils für seine große, leider nur allzu sanguinische Idee zu wirken und die Bischöfe in ihrem Widerstande zu befestigen. Er hat noch den Anfang des lange gefürchteten Culturkampfes erlebt. Nachdem er noch [549] die Freude gehabt hatte, seinen ältesten Sohn Adalbert an der Spitze des preußischen Cultusministeriums zu sehen, starb er am 20. August 1872 im Glauben an seinen Erlöser, den er sein Leben lang mit Begeisterung verkündigt hatte. Seine Predigten zeigen ihn als formgewandten, geistvollen Redner und tief frommen Mann, der in der Liebe zu Christo und dem Nächsten den Ausdruck des Glaubens, die Sicherheit seiner Hoffnung sah. Als junger Mann schon in der Zeit des absterbenden Rationalismus der Vertreter eines warmen Pectoralismus konnte er Manchem als pietistisch gelten, in seinem Alter, als gerade in seiner unmittelbaren Umgebung ein Heerd des strengen Lutherthums entstand, fing man an, ihn für einen Rationalisten zu halten – er war derselbe geblieben.

Außer den schon angegebenen Quellen vgl. Krüger, Die Generalsynode von 1846.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 547. Z. 16 v. u. l.: Metschkau … und folgte 1832 seinem Vater etc. [Bd. 7, S. 796]
  2. S. 548. Z. 7 v. o. l.: J. B. Baltzer. [Bd. 7, S. 796]