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Artikel „Eichrodt, Ludwig“ von Friedrich von Weech in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 298–300, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eichrodt,_Ludwig&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 02:02 Uhr UTC)
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Band 48 (1904), S. 298–300 (Quelle).
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Eichrodt: Ludwig E. wurde am 2. Februar 1827 zu Durlach in Baden geboren. Sein Vater, ein hervorragender Jurist, war verhältnißmäßig jung, erst 46 Jahre alt, Präsident des Ministeriums des Innern unter Großherzog Leopold von Baden geworden, starb aber schon wenige Monate nach seiner Ernennung am 28. December 1844. An den verschiedenen amtlichen Wohnsitzen des Vaters in Durlach, Säckingen, Heidelberg, Karlsruhe, genoß der Sohn seine Schulbildung, zuletzt an dem recht guten Gymnasium in Karlsruhe, wo der nur ein Jahr ältere Josef Victor Scheffel gleichfalls den Grund zu seiner classischen Bildung legte. Mathematik, sowie Physik und Chemie, die damals an den badischen Gymnasien in den obersten Classen gelehrt wurden, traten in seiner Neigung hinter Geschichte, Litteraturgeschichte und Encyklopädie der Philosophie zurück, der deutsche Aufsatz war seine Stärke, gefiel indeß bei seiner Vorliebe für eine gewisse Keckheit und für Uebermuth in der Diction und bei seiner Begabung alle Dinge mit Humor zu betrachten, den Mitschülern oft besser als den Lehrern. Vom Vater, der selbst als Dichter geschätzt wurde und dessen von der geläufigen Phrase freien Gelegenheitsgedichte alle ein Hauch wahrer Poesie durchwehte, hatte Ludwig die poetische Ader geerbt, den Humor wol von der Mutter, von der er selbst sagt, sie „hatte ein wahres Talent zum Lachen“. Seine ersten dichterischen Versuche reichen in das Knabenalter zurück, in den oberen Gymnasialclassen entfaltete er schon eine außerordentlich große Fruchtbarkeit auf diesem Gebiete, im Verein mit gleichgestimmten Freunden. – Im Herbst 1844 bezog E. die Universität Heidelberg, an welcher er sechs Semester zubrachte, bis die Revolution des Jahres 1848 am Aschermittwoch [299] d. J. dem letzten Semester ein vorzeitiges Ende bereitete. Ein siebentes Semester, das vierte in der Reihe, im Sommer 1846, verlebte er in Freiburg. Daß er Jurist werden sollte, stand von Anfang an fest und er ergriff dieses Fach eben so gern oder ungern als er jedes andere ergriffen hätte; seiner innersten Neigung nach fühlte er sich wol eigentlich zum Magister der freien Künste prädestinirt, da aber die Verhältnisse ein Brotstudium verlangten, so war es für E. das Nächstliegende, Jura zu studiren. Der nur zu frühe Tod des Vaters hatte jede Möglichkeit, eine andere Berufswahl zu treffen, abgeschnitten. Seine Studien betrieb er mit Eifer und Verständniß und fügte den landläufigen Fachvorlesungen solche aus dem Kreise der philosophischen Facultät hinzu: bei dem Germanisten Hahn, dem Philosophen Röth, dem Historiker Häusser u. A. Dem frohen Burschenleben, mit einer Hinneigung zu ausgesprochen liberaler, nahezu radicaler Richtung widmete E. gern die freien Stunden. Auch zu dem durch seinen Jugendfreund Scheffel weithin bekannt gewordenen „Engeren“ fehlte es nicht an Beziehungen. Ein Lichtstrahl, der zuerst während der Studienzeit in sein Dasein fiel und später sein ganzes Leben mit Glanz und Wärme erfüllte, war die herzliche, ja leidenschaftliche Neigung zu Fräulein Elise Fuchs aus Monzingen im Nahegau, die am 2. Januar 1860 seine Frau wurde und ihm im gleichen Jahre, in welchem er aus dem Leben schied, im Tode folgte.

Als er sich zur Staatsprüfung vorbereitete, während das badische Land von den Stürmen der Revolution erschüttert wurde, im April 1849, wurde E. von schwerer Krankheit befallen, deren Nachwehen bis in das Jahr 1851 herabreichten, in welchem er das Staatsexamen bestand. Ehe er die hierdurch eröffnete Laufbahn im staatlichen Dienste beschritt, bewegten seine Phantasie verschiedene Pläne, welche ihm andere Pfade eröffnen sollten. Er dachte wol daran auszuwandern, er wollte Maler, wollte Schauspieler werden, sich als Romanschriftsteller, als Journalist, als Geschichtsforscher im Archivdienst eine erfreulichere Zukunft eröffnen. Verständiger Rath, auf den er glücklicherweise, wol auch unter dem wohlthätigen Einflusse der geliebten Braut, hörte, brachte ihn von solchen Gedanken ab und er begann als Actuar im Bezirksamt in Achern der Verwaltung und Rechtsprechung seines Heimathlandes zu dienen. An verschiedenen Orten, in Durlach, in Bruchsal, in Karlsruhe, in Stockach, in Bühl bei Baden, war er zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten, mit Fleiß und Umsicht thätig, bei der Bevölkerung sehr beliebt und verehrt, bis er endlich 1871 als Oberamtsrichter in Lahr eine Stätte fand, in der er sich als Beamter wie als Mensch gleich wohl fühlte. Hier erlebte er wie sein letztes Glück so auch seinen letzten Tag. Sanft entschlief E. nach längerer Krankheit am 2. Februar 1892. Was seinem Leben die Bedeutung gab, die ihn aus dem Rahmen seiner Fachgenossen heraushebt und seinem Namen ein dauerndes Andenken sichert, ist seine große und eigenartige dichterische Veranlagung. Von seinen Dichtungen werden wol weniger die lyrischen und dramatischen Werke ihn lange überleben, wol aber die mit gesundem und echtem Humor geschaffenen Verse, die, mit der berühmt gewordenen „Wanderlust“ beginnend, ihren Weg durch Deutschland und über Deutschlands Grenzen hinaus fanden. Die Münchener „Fliegenden Blätter“ waren das erste Organ, welches diesen Versen voll Witz und Wohllaut eine kaum von anderen erreichte Verbreitung gewann. Es waren weder Parodien noch Caricaturen, obwohl sie sich zum Theil an hochberühmte Werke großer Dichter anschlossen, sondern in ihnen lebte das herzliche Lachen, das durch Thränen herausklingt. Dabei war in seiner Dichtung ein voller Klang von Romantik und ein lauter Schall patriotischer Begeisterung und ein feines Verstehen localer und provinzieller Eigenart – [300] alles, nur keine Ziererei, keine Unnatur, keine unreine Phantasie, am allerwenigsten hochtrabende Selbstgenügsamkeit oder geschmacklose Blasirtheit. Von seinen humoristischen Dichtungen sind wol am populärsten geworden die „Auserlesenen Gedichte von weiland Gottlieb Biedermaier, Schulmeister in Schwaben“ und „Erzählungen des alten Schartenmaier, mit einem Anhange von Buchbinder Treuherz“. Mit der „Wanderlust“ und dem „Biedermaier“ konnte keine seiner anderen Dichtungen an Erfolg wetteifern. Doch eine letzte große Freude erlebte E. noch zwei Jahre vor seinem Tode, als im Verlag von Bonz & Comp. in Stuttgart 1890 in zwei Bänden „Gesammelte Dichtungen von Ludwig Eichrodt“ in würdiger Ausstattung erschienen. Daß auch die deutsche Jugend des wackeren Dichters nicht vergißt, dafür sorgt die Aufnahme vieler seiner Dichtungen in das deutsche Commersbuch.

A. Kennel, Ludwig Eichrodt. Ein Dichterleben. Lahr 1895.