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Artikel „Du Cros, Joseph August“ von Harry Breßlau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 446–449, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Du_Cros,_Joseph_August&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 13:26 Uhr UTC)
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Du Cros: Joseph August du C, geb. bald nach 1640, † 8. Februar 1728 zu Gottorp bei Schleswig. Der überwiegende Einfluß, welchen Frankreich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts insbesondere in Deutschland gewonnen hatte, äußert sich nicht blos in der unmittelbaren Einwirkung, welche der Hof von Versailles auf die Politik der deutschen Fürsten ausübte, sondern auch in der hohen Werthschätzung, die man französischen Beamten, oft ohne Rücksicht auf ihre persönlichen Eigenschaften und nur um ihrer Nationalität willen beilegte. Nirgends und zu keiner Zeit haben französische Abenteurer, bisweilen von zweifelhafter Herkunft und noch zweifelhafterem Vorleben, ein günstigeres Feld für ihre Thätigkeit gefunden als im Zeitalter Ludwigs XIV. und an den Höfen der deutschen Kleinfürsten. Manche von ihnen haben in Heer und Verwaltung treffliche Dienste geleistet und die mehr im Sinne der Neuzeit entwickelten Formen der französischen Administration in die oft noch in mittelalterlichen Anschauungen zurückgebliebene deutsche Regierungsweise eingeführt. Größer aber ist die Zahl derjenigen welche, der mit einem treffenden Ausdruck sogenannten „diplomatischen Halbwelt“ angehörig, als politische Agenten und Commissionäre eine höchst zweideutige Rolle gespielt, häufig genug aber durch Gewandtheit und Dreistigkeit großen Einfluß gewonnen und sich bis zu den ersten Staatsämtern emporgeschwungen haben.

Ihrer Zahl gehört Joseph August Du C. an. Wenig ist über seine Jugend bekannt. In der Gascogne geboren, einem dort vielverbreiteten Geschlecht entstammend, das in einzelnen Zweigen zur Noblesse de robe gehört zu haben scheint, war er in seiner frühesten Jugend in ein Dominicanerkloster gesandt worden, dem er wol in den sechziger Jahren entlief, um im Ausland sein Glück zu versuchen. Er begleitete zuerst den Marquis de la Ville nach Candia und beschrieb dessen Reise und die Belagerung von Candia in einem 1669 zu Lyon [447] veröffentlichten Werk. Dann erschien er zu Anfang der siebziger Jahre in Deutschland, versuchte durch Vermittlung der französischen Gesandten Marquis d’Angeau und Graf de Verjus sich dem großen Kurfürsten zu nähern, dessen Geschichte zu schreiben er sich erbot, und faßte nach mehrjährigen vergeblichen Bemühungen endlich am holsteinisch-gottorpischen Hofe, der damals zu Schweden und Frankreich in intimen Beziehungen stand, festen Fuß. 1675 finden wir ihn als holsteinischen Gesandten in London, nachdem ihm Ludwig XIV., an den er gleichfalls eine Mission erhalten hatte, die Zulassung in Frankreich verweigert hatte. Es muß ihm gelungen sein, mit Hülfe des französischen Gesandten, in dessen Solde er auch hier stand, schnell das Vertrauen Karls II. von England zu gewinnen; im Anfang des folgenden Jahres schon ging er im englischen Auftrag nach Kopenhagen und Stockholm. Während der ostensible Zweck seiner Sendung ganz unverfänglich war, rühmt er sich selbst mit geheimen Aufträgen von größter Tragweite versehen gewesen zu sein, und wir dürfen ihm Glauben schenken, da es gut bezeugt ist, daß die Gesandten der Alliirten in London durch ihre Beschwerden seine Zurückberufung veranlaßt haben. In noch geheimnißvolleres Dunkel hüllt sich eine andere Sendung Du Cros’ nach Nimwegen im Auftrages Karls II. Sein Aufenthalt hier und im Haag war nur von kurzer Dauer (etwa 28. Juli bis Anfang Aug. 1678) aber der Erfolg desselben war höchst bedeutend; der am 1./10. August abgeschlossene Separatfrieden der Niederlande mit Ludwig XIV. durchkreuzte die Combinationen derjenigen, welche England in den Kampf gegen Frankreich hineinzuziehen strebten, und hat, wie Sir W. Temple, der englische Gesandte in Nimwegen, schreibt, das Geschick der Christenheit gänzlich umgestaltet. Durch welche Manöver Du C. dies Ergebniß erzielt hat, entzieht sich bis jetzt unserer Kenntniß; jedenfalls war es zu nicht geringem Theil sein Verdienst, wenn in den Nimweger Frieden eine Clausel eingeschaltet wurde, welche die Wiederherstellung des durch Dänemark depossedirten Herzogs von Holstein verfügte. Du C. ist nachher noch ungefähr ein Jahr als Gesandter und dann wie es scheint noch längere Zeit ohne officielle Stellung in London geblieben, bis er, von Schulden überhäuft, im Mai 1681 sich „heimlich aus dem Staube machte“. Er war damals schon zum Protestantismus übergetreten und mit einer gewissen Clara v. Urrye aus einer schottischen Adelsfamilie vermählt. Du Cros’ Geschicke während der nächsten Jahre sind noch wenig bekannt. Er trat von den holsteinischen in dänische Dienste über, war mit einer Sendung nach Polen betraut, während deren er sich, wie ihm später vorgeworfen ward, in verbrecherische Umtriebe mit dem Grafen Tekely eingelassen haben soll, und ward zum dänischen Etatsrath ernannt. 1684 schon scheint er, vielleicht in Folge der seit dem vorigen Jahre wieder heftiger entbrannten Streitigkeiten zwischen Dänemark und Holstein, mit Beibehaltung seines Titels entlassen zu sein. Er versuchte in Deutschland sein Glück, im November 1684 treffen wir ihn in Hannover, dann ging er in das gelobte Land der Kleinstaaterei, den fränkischen Kreis. Nach einem wie es scheint längeren Aufenthalt im Ansbachischen begab er sich Ende 1685 oder Anfang 1686 an den Hof des Markgrafen Christian Ernst von Brandenburg-Baireuth. Es war die Zeit, als in Folge der Aufhebung des Edicts von Nantes große Schaaren von französischen Réfugiés in Deutschland Zuflucht suchten und fanden. Du C. erbot sich, eine Anzahl solcher Flüchtlinge, besonders Leute von Ansehen und Vermögen, im Baireuthischen anzusiedeln und dadurch die „Commercien in das Land zu bringen“; der vertrauensvolle Fürst ging auch auf seine Vorschläge ein, schenkte ihm nicht unbedeutenden Grundbesitz und ernannte den Franzosen zu seinem geheimen Rath und Vicepräsidenten der Commercien. In der That führte Du C. eine Anzahl von Flüchtlingen ins Land: aber die Erwartungen des Markgrafen [448] erfüllten sich in keiner Weise: statt der reichen Kaufleute kamen nur „Balbiere, Perruquenmacher und Bauern“, die denselben gemachten Versprechungen wurden nicht erfüllt, die zur Ausführung seiner Pläne angewiesenen Gelder scheint Du C. zum guten Theil für sich verwandt zu haben. Da nun auch der Kurfürst von Brandenburg den Markgrafen vor den gefährlichen Intriguen seines jüngsten Geheimraths, der noch im französischen Solde stehe, warnte und aus der Schweiz Briefe kamen, welche Du C. als einen gefährlichen Atheisten und Spinozisten verdächtigten, schritt der Markgraf gegen ihn ein. Nicht zufrieden damit daß Du C. seine Aemter niederlegte, ließ er ihn des Landes verweisen, zog die ihm gemachten Schenkungen ein und belegte, um seine Gläubiger zu befriedigen, sogar sein Mobiliarvermögen mit Beschlag. Ein langjähriger Rechtsstreit, der sich hieran schloß, führte erst nach 10 Jahren zu einer Abfindung Du Cros’.

Letzterer hatte seine Irrfahrt durch Deutschland indessen fortgesetzt und begab sich zuletzt nach Kursachsen, wo er am 30. Decbr. 1687 das Rittergut Stötteritz bei Leipzig kaufte, um sich mit seiner Familie und einigen Réfugiés daselbst niederzulassen. Indessen die Geschäfte, in die er sich einließ, schlugen fehl, und sein lebhafter Geist fand an dem stillen Landleben nicht lange Befriedigung.

Schon 1692 befand er sich daher wieder in „publiquen Affairen“ auf Reisen. Im Juni d. J. finden wir ihn in Cleve, wohin er von Norddeutschland geeilt war, gleichzeitig mit Kurfürst Friedrich III., von hier aus blieb er im eifrigen Verkehr mit dem hannöverschen Hof, der durch Leibnitz und die Herzogin Sophie vermittelt ward. Spätere Aeußerungen Du Cros’ deuten an, daß er im hannöverschen Auftrag dorthin gegangen und daß es ihm gelungen sei, eine völlige Annäherung beider Höfe zu erzielen: die Thatsachen stimmen dazu, Friedrichs III. Besuch in [WS 1] Hannover, den Ernst August im December in Berlin erwiederte, dann die warme Unterstützung der neunten Kurwürde durch Brandenburg bezeichnen in der That eine Veränderung in dem Verhältniß der so nahe verwandten Fürsten, welche einen derartigen geheimen Einfluß wahrscheinlich macht. Wie dem auch sei: seit 1692 war Du C. an den Höfen von Berlin und Hannover eine gern gesehene Person, bezog Pensionen von beiden und knüpfte mit dem brandenburgischen leitenden Minister Beziehungen an, die bald die allervertraulichsten wurden und Du C. in die intimsten Geheimnisse der brandenburgischen Politik einführten. Wahrscheinlich Danckelmann’s Einfluß war es auch, der Du C. seine Stellung in Holstein-Gottorp wieder verschaffte. Die nächsten Jahre hindurch sehen wir ihn dann in höchst eifriger und erfolgreicher Thätigkeit. Zugleich in den Diensten der drei Höfe von Berlin, Hannover und Gottorp, verhandelte er bald für den einen, bald für den andern, bald für alle zugleich, unaufhörlich zwischen diesen Städten, Hamburg und Dresden hin- und herreisend. Nicht alles, was er gethan hat, ist noch zu erkennen; zu den officiellen Acten ist wol nur der kleinste Theil gekommen. Er bemüht sich in Berlin für die neunte Kur, überwacht in Dresden die Umtriebe Astfeld’s und Schöning’s, verhandelt in Hannover in der Sache von Sachsen-Lauenburg, schließt für Holstein Verträge mit Brandenburg und vertritt dasselbe 1696 auf dem Congreß von Pinneberg als bevollmächtigter Minister, bis er auf schwedische Veranlassung – der Großkanzler Graf Oxenstierna ist sein Feind – abberufen wird. Daneben findet er dann noch zu Privatverhandlungen für Danckelmann Raum und Zeit, bald mit Mecklenburg, bald mit Wolfenbüttel, macht Geldgeschäfte verschiedener und nicht immer reinlicher Natur, und greift dann wieder in die hohe Politik zurück, indem er Projecte entwirft, dem Kurfürsten Friedrich Pommern und Stettin zu verschaffen und darüber alles Ernstes unterhandelt. Auf der innigen Verbindung mit Danckelmann beruhte sein ganzer Einfluß, und als Ende 1697 die Stellung des bis dahin allmächtigen Ministers ernstlich erschüttert wurde, that er, was in [449] seinen Kräften stand, um ihn zu stützen. Als das vergeblich blieb, ward er in den Sturz mitverwickelt: in Berlin wie in Hannover fiel er in Ungnade, nur seine genaue Kenntniß „aller secreta“ der brandenburgischen Politik schützte ihn vor noch härterer Behandlung und nöthigte glimpflich mit ihm zu verfahren.

Indeß sein elastischer Geist ließ sich nicht niederbeugen. Hatte er bisher in hannöverischem Auftrage für die neunte Kur gewirkt, so hatte er doch nicht unterlassen, daneben mit dem erbittertsten Gegner derselben, Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, Beziehungen anzuknüpfen. Um so leichter ward ihm nun die kühne Schwenkung vollends auszuführen: am 23. April 1698 erhielt er seine Ernennung zum braunschweigischen Etatsrath für „die ausländischen affairen“ und zum Drosten des Amtes Schöningen, in welchem letzteren er nun seine Wohnung für einige Zeit nahm. Ueber seine Thätigkeit in dieser Stellung ergeben die Acten nicht viel: aber sicher ist, daß Du C. auch bei Anton Ulrich bald in hohen Gnaden stand. Seit 1703 war er, nachdem seine erste Frau verstorben, mit einem hessischen Edelfräulein, Elisabeth v. Rotzmann, einer Nichte des Fürstabts Adalbert von Fulda verheirathet, 1704 verlegte er seinen Wohnsitz nach Hamburg, von wo er dem Herzog über alle wichtigen politischen Vorgänge fortdauernd berichtete, nebenbei aber immer noch für Holstein-Gottorp thätig war. Im October 1707 zum Geheimrath befördert, wurde er 1708 zum Subdelegirten des Herzogs von Braunschweig in der kaiserlichen Commission ernannt, welche zur Schlichtung der Streitigkeiten zwischen Rath und Bürgerschaft zu Hamburg zusammentrat. Von vornherein bei dem kaiserlichen Gesandten mißliebig, kam er indessen, als er die wirklichen und vermeintlichen Rechte seines Herzogs aufs energischste wahrte, mit diesem und bald auch mit den anderen Mitgliedern den Commission in einen so erbitterten Conflict, daß der Kaiser seine Abberufung verlangte und ihm später sogar den Aufenthalt im Reiche untersagte. Du C. mußte sich daher nach Schleswig zurückziehen: in Gottorp hat er fast noch 20 Jahre von den aus zwiefachem Bankerott geretteten Resten seines Vermögens, und von den Pensionen, die er von Holstein und Wolfenbüttel bezog, gelebt. 1728 ist er im Alter von fast 90 Jahren, halb erblindet gestorben.

Schon während seines Londoner Aufenthaltes war er litterarisch thätig gewesen: eine Anzahl von politischen Brochuren, natürlich alle französisch (fertig deutsch sprechen oder schreiben hat er nie gelernt), haben sich von ihm erhalten, ohne daß dieselben von bedeutenderem Werthe wären: am interessantesten sind eine Schrift von 1692 gegen Sir W. Temple und eine andere von 1713 über die militärischen Vorgänge in Holstein. In seinen letzten Jahren hat er sich noch mit größeren Plänen getragen, eine Übersetzung der „Römischen Octavia“ Herzog Anton Ulrichs ins Französische, sowie die Herausgabe von Memoiren beabsichtigt, doch ist er dazu nicht mehr gekommen. Daß wir die letzteren nicht erhalten haben, mag man besonders beklagen. Unleugbar ein Mann von großen Talenten, schmiegsam und gewandt, nur gerade mit so viel Charakter, wie ihn seine Stellung vertragen konnte, an den verschiedensten Höfen zu Hause, in alle Geheimnisse eindringend, muß Du C. viel über die geheime Geschichte jener Zeiten, die Vorgänge hinter den Coulissen, von denen unsere anderen Quellen schweigen, und die doch oft von so großer Wichtigkeit waren, zu berichten gehabt haben.

Vgl. Breßlau, Actenstücke zur Gesch. Jos. Aug. du Cros’, Berlin 1875. Ueber du Cros’ Aufenthalt in Leipzig s. Kirchhoff, Gesch. der reformirten Gemeinde in Leipzig, Leipzig 1874. Im übrigen beruht die vorhergehende Darstellung auf ungedrucktem archivalischem Material.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Besuch in Besuch in