ADB:Christiani, Rudolf
Christoph Joh. Rud. Ch.) bekleidete dort seit 1793 die Stelle eines deutschen Hofpredigers und kam 1810 als Primarius der Johanniskirche und Superintendent nach Lüneburg. Der Sohn, seit seinem 12. Jahre auf deutschen Schulen erzogen, studirte in Göttingen die Rechte, wurde Michaelis 1818 Doctor und ließ sich dann als Advocat in Lüneburg nieder. Ende des J. 1824 wurde er interimistischer Stadtsecretair und blieb in diesem „anspruchslosen Aemtchen“ bis zu seiner Pensionirung im 1846, wo eine neue Stadtverfassung in Lüneburg eingeführt wurde. Wie schon auf der Universität, so ergab er sich auch nachher mit Vorliebe belletristischen Beschäftigungen, ohne daß von seiner insbesondere auch der nordischen Litteratur zugewandten Muße jetzt oder später Proben an die Oeffentlichkeit gelangt wären. Seine litterarischen Neigungen brachten ihn im J. 1825 mit Heinrich Heine zusammen, dessen Eltern damals in Lüneburg lebten. „Der gebildetste Mann im ganzen Hannöverschen“, wie der Dichter ihn vorzustellen liebte, hat dessen argen Spott, aber auch seine warme Zuneigung erfahren. Er hat ihm den unsterblichen Beinamen des Mirabeau’s der Lüneburger Haide – seit dem 1832 verfaßten Gedichte: an einen ehemaligen Goetheaner (Werke 17, 234), während die bekannten Verse: diesen liebenswürdigen Jüngling u. s. w. irrthümlich auf Ch. bezogen werden – zu danken, aber auch den vollen Beweis seines Vertrauens erhalten, als er ihn testamentarisch zum Herausgeber seiner Werke bestellte, ein Auftrag, der übrigens unausgeführt geblieben ist. Durch die Bekanntschaft mit Heine kam Ch. auch in das Haus des Hamburger Onkels und lernte dort seine nachherige Frau, eine zu Bordeaux geborene Bruderstochter Salomon Heine’s, Charlotte Heine, die vom Onkel reich ausgesteuert wurde, kennen. – In die Oeffentlichkeit trat Ch. im J. 1831. Seine Beredsamkeit, die eine allerdings unserm Geschmack befremdliche Mischung von juristischer Deduction und lyrischen Aufschwüngen zeigt, sein schlagfertiger Witz, seine entschiedene Parteistellung verschafften ihm bald einen hervorragenden Platz in der zweiten Kammer der hannoverschen Ständeversammlung. Sein politischer Standpunkt, den er nicht blos gegen die Regierung, sondern auch gegen Dahlmann und Stüve zu wahren hatte, war der eines vorgeschrittenen Liberalen, oft mit Hinneigung zu dem Muster Norwegens, so daß Dahlmann scherzend von der Verfassung Christiania’s als Christiani’s lieber Tochter reden durfte. An der Berathung des Staatsgrundgesetzes nahm er eifrig Antheil und war Mitglied fast sämmtlicher Conferenzen, die [214] zur Ausgleichung der abweichenden Beschlüsse beider Kammern gehalten wurden. Obschon er sich gegen die meisten Capitel des Entwurfs im Einzelnen erklärt hatte, trat er doch bei der Schlußabstimmung am 13. März 1833 für die Annahme des Ganzen ein. Anstatt den Beweis von Mäßigung und Patriotismus, der in solchem Votum lag, anzuerkennen, benutzte die Regierung des Königs Ernst August es nachmals gegen seinen Urheber, bald um ihn dem Bundestage als Demagogen und seine Aeußerung wegen des darin herrschenden Widerhalls revolutionärer Banalideen zu denunciren, bald um in einer königlichen Proclamation das Land vor dem Manne zu warnen, der nach seinen eigenen Worten nie ein auf dem bestehenden Rechte beruhendes Staatsgrundgesetz gewollt habe. Dies erbitterte Auftreten war allerdings nicht ohne Grund. Ch. war einer der eifrigsten und ausdauerndsten Kämpfer für die durch königliche Willkür umgestoßene Verfassung. Er gehörte allen ständischen Versammlungen dieser Zeit an, stand mit an der Spitze der kurzlebigen zweiten Kammer vom Sommer 1841, wurde dann aber nach der Neuwahl vom November desselben Jahres durch Urlaubsverweigerung von weiterer politischer Thätigkeit im Lande ausgeschlossen. Es waren zunächst Privatangelegenheiten, die ihn im Herbst 1846 nach Kopenhagen führten. Aber eine schon früher geknüpfte Beziehung zu König Christian VIII. ward die Veranlassung, ihn zwei Jahre in Dänemark festzuhalten und seinen Namen in die schleswig-holsteinische Angelegenheit zu verwickeln. Der König, unbefriedigt von dem dänischen Commissionsbedenken und tief verletzt durch das Kieler Gutachten, trug Ch., der in der Anerkennung des Rechts der Herzogthümer auf untrennbare Verbindung, nicht aber in der Successionsfrage mit den deutschen Ansichten übereinstimmte, als einem beiden Nationalitäten befreundeten Manne die weitere Untersuchung der streitigen Punkte auf und ließ ihm zu dem Zwecke die dänischen Archive öffnen. Erst vier Wochen vor dem Tode des Königs wurden die von Ch. als die wichtigsten bezeichneten Acten aufgefunden und ihm zugänglich gemacht, so daß die Arbeit nicht zu einem äußern Abschluß gekommen zu sein scheint; denn ein Verhältniß zu K. Friedrich VII. und dessen Regierung stellt Ch. aufs bestimmteste in Abrede. „Auf diese vollkommen unabhängige, wissenschaftliche Forschung des Privatmanns beschränkt sich einzig und allein meine Beziehung zu der fraglichen Angelegenheit,“ erklärte er in öffentlichen Blättern, als sich bei seiner Rückkehr nach Deutschland im November 1848 die Angriffe erneuten, die im Jahre vorher wegen seiner Parteinahme und seiner angeblichen Preßthätigkeit für Dänemark gegen ihn erhoben waren. „Nie habe ich einen einzigen Buchstaben in der betreffenden Streitfrage mittelbar oder unmittelbar drucken lassen,“ ein Ausspruch, an dessen Zuverlässigkeit bei einem Manne, dessen Feder ebenso schwer als seine Zunge leicht in Bewegung zu setzen war, nicht zu zweifeln ist. Eine Rolle im öffentlichen Leben hat er seit seiner Heimkehr nicht mehr gespielt. Er starb zu Celle während seines dortigen Aufenthalts als Geschworener am 21. Jan. 1858.
Christiani: Rudolf Ch., wurde den 27. Jan. 1797 zu Kopenhagen von deutschen Eltern geboren. Sein Vater (s. o.- Strodtmann, Heine’s Leben 2, 6. Max Heine, Erinnergn. an H. Heine, S. 67. Hannov. Portfolio 2, 181, 353. Hamburg. Corresp. v. 30. Dec. 1848 Nr. 310.