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Artikel „Braun, Isabella“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 194–196, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Braun,_Isabella&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 13:13 Uhr UTC)
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Braun: Isabella B., Jugendschriftstellerin, geboren am 12. December 1815 zu Jettingen im Mindelthale (Schwaben) als die Tochter eines Rentenverwalters des Grafen Schenk v. Stauffenberg, genoß nach dem Tode des Vaters (1827) ihre Erziehung bei den Englischen Fräulein zu Augsburg, widmete sich dem Lehrfach und erhielt 1837 eine Anstellung an der Volksschule zu Neuburg a. D. Die Uebergabe der Anstalt an klösterliche Leitung brachte für Isabella B. den frühen Ruhestand. Ihre reichen Erfahrungen, wie man zu der heranblühenden Jugend sprechen müsse, verarbeitete sie mit der Feder. Kein geringerer als der bekannte Volksschriftsteller Christoph von Schmid bevorwortete Frl. Isabella Braun’s „Bilder aus der Natur“ (1849) für die litterarische Welt. Darauf folgten „Bilder aus der deutschen Geschichte“ und „Kleine Geschichten“ (1851), womit sie ihren guten Namen begründete. Dieser gewann bald den weitesten Umfang, als der Buchhändler G. Scheitlin in Stuttgart den Verlag ihrer Schriften und die Herausgabe einer Zeitschrift für die kleine Welt, der schön illustrirten „Jugendblätter“, übernahm. Auch erschienen in rascher Folge die „Geschichten für Kinder“, das köstliche Buch über „Das liebe Brod“, „Erwins Bilderbuch“, die „Kinderstube“, der „Liedergruß“, „Mutterliebe und Muttertreue“, das „Vater unser“ und der „Grüne Wald“ — wahre Perlen der Jugendlitteratur, welche mit trefflichen Bildern von Offterdinger, Ferdinand Rothbart u. A. ausgestattet wurden. Seit 1854 in München, begann Isabella B. die umfassenden Vorbereitungen für ihre „Jugendblätter“, gewann die besten Namen als Mitarbeiter, von welchen bald die meisten in ein wirklich inniges Zusammenwirken mit der Redaction geriethen. Wer ihr näher trat, wurde gewiß von Hochachtung erfüllt, wie zielbewußt, ausdauernd und strenge sie ihre Aufgabe nahm, wie sie die Gehülfen schulte und verständnißinnig ihres kritischen Amtes waltete. „Alle, die ihr damals die Hand boten, hatten Gelegenheit, die Schärfe ihres Verstandes, den sicheren und feinen Tact und Blick ihres Geistes zu bewundern. In ihrem kleinen Salon trafen sich oft Dichter, Künstler und Gelehrte; es entwickelte sich zwischen den meisten zur Dichterin eine wahre, dauernde Freundschaft.“ Darunter befanden sich der edle Graf Franz v. Pocci, Fr. v. Kobell, Friedrich Güll, Emanuel v. Geibel, Katharina Diez u. s. w. Prinzeß Alexandra von Baiern (geboren am 26. August 1826, † am 8. Mai 1875), welche, mit schönem Talent begabt, gerne schriftstellerte und den Ertrag ihrer Feder zu ihren stillgeübten Werken der Charitas verwendete, erwählte unsere Isabella B. zu ihrem poetischen Gewissensrath und Censor, mit der ausdrück1ichen Vollmacht, ihren kritischen Stift rücksichtslos und unbarmherzig zu gebrauchen. Später kam die Prinzeß Therese von Baiern und gab mit ihrem „Ausflug nach Tunis“ (1880) eine so reife Probe ihres Schriftstellerberufes, welchen sie alsbald in ihren folgenden ethnographischen Werken glänzend bewährte. Zuletzt betrat auch noch die k. k. Erzherzogin Marie Valerie unter der Aegide der grünen „Jugendblätter“ den Weg in die Oeffentlichkeit und zwar so festen und sicheren Schrittes, welcher dem durch so zahlreiche, ausgezeichnete Schriftsteller geschmückten kaiserlichen Habsburg nur zur Ehre gereichte. Wahre Freundschaft verband die Dichterin mit der edlen [195] Familie v. Knebel-Döberitz, wodurch sich die Gelegenheit ergab, mittelst Reisen in Preußen und Pommern nicht allein ihren Gesichtskreis zu erweitern, sondern neue Beziehungen, z. B. in Düsseldorf, wo Isabella B. unter anderen auch die Freundschaft des Malers Kaspar Scheuren gewann, anzuknüpfen. Gleiche Aufnahme fand Isabella in der Familie des russischen Prinzen von Oldenburg, welche sie wie ein Kind des Hauses auf kleineren Reisen und Sommerfrischen, ja sogar bis Biarritz als hochwillkommener Gast begleitete. Im hohen Hause des Prinzen Ludwig von Baiern, insbesondere von dessen leutseliger Gemahlin, wurde die Dichterin wie eine Freundin behandelt und die kleinen Prinzen und Prinzessinnen jubelten jedes Mal bei „Tante Isabella’s“ Erscheinen. Herzog Maximilian von Baiern sendete ihr die große goldene Medaille. Als wahrer Protector der „Jugendblätter“ erschien König Ludwig II., welcher, schon im frühesten Alter mit den Schriften Isabella Braun’s vertraut, bei jeder Gelegenheit die Herausgeberin seiner Huld versicherte. Isabella B. war nicht allein unter den Ersten, welche durch die Ludwigsmedaille für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet wurden, der ihr immerdar gnädige König ehrte sie auch durch eine Schriftstellerpension, welche wesentlich beihalf, ihre durch schwere Krankheiten heimgesuchten letzten Lebensjahre erträglicher zu gestalten. Während man früher in dem sträflichen Wahne lebte, für die Jugend sei geradezu alles gut genug, wagt jetzt Niemand mehr geringschätzig auf diesen anscheinend unbedeutenden Nebenzweig der Litteratur herabzublicken. Das Glück und Heil der Familie hängt davon ab, wie und was die Kinder lernen und ob sie zu Treibhauspflanzen oder zu praktischen und wahren Menschen gebildet werden. Die Jugendlitteratur ist freilich vielfach ins Kraut geschossen und nur zu häufig über die Ufer ihrer Befugnisse getreten. Was Isabella B. auf diesem Gebiete leistete, obwol alle ihre Erzeugnisse nicht immer auf gleicher Stufe der Vollendung stehen, erwies sich doch immer als gute, echte Hausmannskost, welche, von einem ethischen Gedanken heilsam durchsäuert, dem Seelenleben der Jugend niemals eine moralische Indigestion bereitet. Ueberall lacht rothbackiger Lebensmuth heraus und ein ungesuchter, wohlthuender Humor, insbesondere wenn sie in die Fülle ihrer eigenen Lebenserinnerungen griff, ein Gebiet, auf welchem sie bei Jung und Alt die gleiche Theilnahme weckte. Sie entwarf rasch und leicht, schrieb fröhlich im Eindruck der ersten Wärme, unterzog aber alle ihre Erzeugnisse einer sorgfältigen Feile und Politur. Niemals ermüdete sie, das Fertige einzureißen und in neuer Fassung wieder aufzubauen. Einige ihrer nächsten Freunde, welche ihre ganze Begabung kannten und schätzten, drangen vergeblich in sie, das engere Gebiet der Jugendschriftstellerei zu erweitern und größere Stoffe von allgemeinem Interesse vorzunehmen — sie widerstand jedoch immer, fest auf ihrem einmal gewonnenen Territorium verharrend. Sie hätte das Zeug und Material gehabt, weiteren Flug zu wagen. Wenn sie bisweilen im trauten Gespräch den Schatz ihrer Erinnerungen erschloß, so kamen eine Fülle der anziehendsten Geschichten zum Vorschein, welche ihr in anmuthig fesselnder Erzählung vom Munde flossen und der Darstellung durch eine Fernan Caballero oder Amelie Godin und E. v. Dincklage werth gewesen wären; sie verwahrte ein Capital von Charakteren, welche ein routinirter Novellist und Romanschreiber gerne ausgemünzt hätte. Sie aber wehrte alle diese Zumuthungen ab und blieb ihrer Domäne unverbrüchlich treu, für welche sie jedoch, nicht allein des jüngeren Publicums sicher, allmählich außer dem reiferen Alter auch die Eltern als dankbare Leser in demselben Maaße gewann, wie ihr aus den früheren kleinen Lesern neue Mitarbeiter und Freunde erwuchsen. Die „Jugendblätter“ gingen nach G. Scheitlin’s Ableben (1867) in den Besitz der [196] Firma Braun & Schneider (München) über, wo sie zeitgemäß mit dem xylographischen Bilderschmuck dieser Anstalt ausgestattet, nach Isabella Braun’s Tode von ihrer Nichte J. Hummel weitergeführt, eine stetig anwachsende, im J. 1899 aus 45 Bänden bestehende Bibliothek bilden und schon in zweiter und dritter Generation die gleiche erfreuliche Aufnahme finden. — Neben den „Jugendblättern“ entstanden unter Isabella Braun’s unermüdlicher Feder noch viele ihrer selbständigen Büchlein, wie die meisterhaft skizzirten „Lebensbilder“ (1856), die „Wahren Geschichten“ (1858) und die wirklich preiswürdige Erzählung „Die Stiefmutter“ (2. Aufl. 1872), womit die Dichterin einem weitverzweigten Aberglauben gründlich entgegenarbeitet, dann die öfter aufgelegte Geschichte „Heinrich Findelkind“ (der Gründer jenes Hospizes auf dem heut zu Tage von der Eisenbahn durchschnittenen, früher so gefahrvoll zu passirenden Arlberg); das praktische „Namen-Büchlein“ (1861), das „Mancherlei“ (1867), die Erinnerungen „Aus meiner Jugendzeit“ (1871). Schließlich ging Isabella B. an eine Sammlung ihrer Erzählungen in zwölf Bändchen (jedes unter eigenem Titel wieder ein Ganzes) bei J. F. Schreiber in Eßlingen und neuerdings bei L. Auer in Donauwörth. Isabella B. starb am 2. Mai 1886 zu München.

Vgl. Beil. 246 d. Allgem. Zeitung v. 5. September. — Nr. 2239 d. Illustr. Zeitung, Lpz., 29. Mai 1886 (m. Porträt). — Das Verzeichniß ihrer Schriften bei Sophie Patacky, Lex. dtsch. Frauen I, 98 ff. Berlin 1898.