ADB:Borkhausen, Moritz Balthasar
[161] hier Befriedigung im Verkehr mit Männern, wie dem Pomologen Amtsphysikus Diehl, dem Forstmeister Hartig (Vater des nachmaligen Koryphäen im Gebiete der Forstwissenschaft Georg Ludwig Hartig) u. A., unter deren Leitung er seine Sammlungen, seine botanischen und entomologischen Kenntnisse bereicherte, sowie den Grund zu seiner forstwissenschaftlichen Ausbildung legte. Als 1785 seine Zöglinge zur Universität abgingen, trat er als Lehrer in das Haus seines frühern akademischen Lehrers und Freundes Höpfner, welcher inzwischen als geheimer Tribunalrath nach Darmstadt versetzt worden war. Er übernahm gleichzeitig juristische Arbeiten und verwendete seine freie Zeit gewissenhaft zur Fortsetzung seiner naturwissenschaftlichen Sammlungen und Studien. In diesen Zeitabschnitt seine Lebens fällt die Ausarbeitung des 1. Theils der europäischen Schmetterlinge. Die Sammlungen und Kenntnisse wuchsen durch öftere Ausflüge in die herrliche Bergstraße. Die Neigung zu den Naturwissenschaften und insbesondere zur gründlichen Erforschung der Naturobjecte zunächst seines engeren Vaterlandes (charakteristisch ist in dieser Hinsicht das Motto in einer seiner Schriften: Turpe est in patria vivere et patriam ignorare!) befestigte sich in dem jungen Gelehrten immer mehr, – die Aussicht auf baldige auskömmliche Versorgung in seinem eigentlichen Berufsgebiet wurde andererseits durch eine Reihe widriger Verhältnisse immer trüber, so daß der mit seinen Anfängen wol schon zur Kindheit zurückreichende Entschluß, sich ganz von der „Priesterherrschaft der Themis“ loszusagen und ausschließlich den Naturwissenschaften zu widmen, vollends zur Thatsache reifte. Er siedelte nun (mit seiner Mutter) nach Arheiligen bei Darmstadt über, um unter der Leitung des als Naturforscher (Entomologe) rühmlichst bekannten Kirchenrath Scriba seine naturwissenschaftliche Ausbildung zu vollenden. Die reichen, gründlichen Kenntnisse, die umfangreichen und vollständigen Sammlungen und die große Bibliothek dieses Mannes förderten Borkhausen’s Studien wesentlich. In den 2½ Jahren seines Aufenthaltes in Arheiligen entstand eine Reihe botanischer und zoologischer Werke. Gleichzeitig ertheilte B. einigen Jünglingen Unterricht in Forstbotanik. Erwägt man ferner den Zeitaufwand, welchen das nun im ausgedehntesten Maße betriebene Sammeln, Bestimmen und Ordnen der Naturkörper erforderte, so gewinnt man eine Vorstellung von seinem rastlosen Fleiße. Schon ward man auf den jungen Naturforscher aufmerksam. Die philosophische Facultät der Universität Erlangen übersendete ihm am 20. Febr. 1793 ungebeten das Doctordiplom und der Landesfürst bestellte ihn auf seine Bitte durch Decret v. 20. April desselben Jahre zum Assessor bei der Landesökonomie-Deputation zu Darmstadt mit der Hauptbestimmung: die Naturgeschichte Hessens zu bearbeiten. Der Sorge um sein materielles Wohl enthoben, geachtet und geehrt ob seiner außerordentlichen Kenntnisse in fast allen Naturreichen und seiner schriftstellerischen Leistungen konnte er sich nun der Beobachtung und Beschreibung der Natur um so ungestörter hingeben. Am 20. Mai 1796 wurde er als Assessor beim Oberforstamt Darmstadt angestellt; am 2. Febr. 1800 erhielt er den Charakter als Kammerrath und 1804 rückte er in die volle Besoldung eines Raths bei dem nunmehrigen Oberforstcollegium (1200 fl.) ein. Viele gelehrte Gesellschaften, z. B. die physikalische Societät zu Jena, zu Göttingen, die Regensburger botanische Gesellschaft, die gothaische Societät für Forst- und Jagdkunde etc. ernannten ihn zum Ehrenmitglied. – Am 20. Oct. 1798 hatte sich B. mit der ältesten Tochter des Forstverwalters Fabricius zu Gießen verheirathet. Leider war sein Familienglück nur von kurzer Dauer. Er starb in Folge einer Reihe von – wol durch übermäßige Anstrengungen veranlaßten – Blutstürzen, schon im 46. Jahre seines an Arbeit reichen Lebens, mit Hinterlassung von drei Kindern und zehn Tage vor [162] der Geburt eines vierten. – B. hat im Gebiete der beschreibenden Naturwissenschaften für die damalige Zeit ganz Erhebliches geleistet. Von Natur mit sehr guter Beobachtungsgabe, mit rastlosem Eifer und einem seltenen Gedächtniß ausgestattet, verstand er es vortrefflich, diese Gaben in einer höchst glücklichen Weise zu verwerthen. Ratzeburg’s Urtheil über B. ist mindestens ein sehr getrübtes. Daß „Unrichtiges“ in die Beschreibungen der Waldbäume mit untergelaufen und andererseits „Nothwendiges fehlt“, daß ferner der physiologische Theil der Borkhausen’schen Werke der bei weitem schwächere – ist ja wahr; aber man muß den Mann mit dem Maßstab seiner Zeit messen und das damalige Bedürfniß würdigen. Den Forstwirthen jener Zeit war mit ausführlichen Beschreibungen der sie interessirenden Natur- (Wald-)Objecte offenbar mehr gedient, als mit physiologischen Abhandlungen, für welche das Verständniß ohnehin fehlte. In diesem Gebiet konnte nur das exacte Experiment bahnbrechend wirken und dieses gehört einer späteren Zeit an. Auch B. war angesteckt von der sogenannten „forstlichen Ausländerei“. Die Tendenz der meisten forstbotanischen Schriften aus dem Ende des vorigen Jahrhunderts war ja auf Abwehr des „hereinbrechenden fürchterlichen Holzmangels“ gerichtet, welchem man durch Acclimatisation ausländischer raschwüchsiger Holzarten begegnen zu können vermeinte. Aus dieser Sucht, in welcher man sich Jahrzehnte lang wiegte, erklärt sich auch die so häufige Zusammenfassung von Forstbotanik und Forsttechnologie. Man erörterte, vom Utilitätsprincip ausgehend, in den forstbotanischen Werken der damaligen Zeit auch den Gebrauchswerth und die Verwendung der Hölzer etc. Jetzt gibt es große Botaniker, welche kaum zehn Pflanzen kennen! – Borkhausen’s Schriften sind: „Naturgeschichte der europäischen Schmetterlinge nach systematischer Ordnung“. 5 Bände. 1788–1794. „Versuch einer Erklärung der zoologischen Terminologie“. 1790. „Versuch einer forstbotanischen Beschreibung der in den hessen-darmstädtischen Landen im Freien wachsenden Holzarten“. 1790. „Tentamen dispositionis plantarum Germaniae seminiferarum secundum novam methodum a staminum situ et proportione“. 1792. (Hier stellt B. ein, von Linné abweichendes, neues botanisches System auf, über welches sich Georg Forster sehr anerkennend äußert.) „Botanisches Wörterbuch oder Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter in der Botanik“. 2 Bände. 1797. „Theoretisch-praktisches Handbuch der Forstbotanik und Forsttechnologie“. I. Theil 1800. II. Theil 1803. Dieses ist Borkhausen’s Hauptwerk; Es zerfällt in einen theoretischen und in einen praktischen Theil. Der erste verbreitet sich über das Grundsätzliche, die Terminologie, Systemkunde, Physiologie und Pathologie. Der zweite: Dendrographie, liefert eine vollständige Naturgeschichte der Holzarten nebst Angabe über Cultur und Gebrauchswerth, geordnet nach seinem System (Ordnungen nach der Beschaffenheit der Frucht). – „Deutsche Ornithologie oder Naturgeschichte aller Vögel Deutschlands in naturgetreuen Abbildungen und Beschreibungen“. 1810 (in Gemeinschaft mit Lichthammer, C. W. Becker, Lembke und Becker d. J. bearbeitet). „Die Pflaumen nach der Natur abgebildet und botanisch pomologisch beschrieben“, seit 1803 in Heften mit dem Kammerherrn F. J. v. Günderode herausgegeben. Außerdem lieferte der vielseitige Mann, dessen Bedeutung insbesondere Reum und Bechstein durch häufige Citirung würdigten, Beiträge zu Varrentrapp’s und Wenner’s Encyklopädie, in Scriba’s Insectengeschichte und zu Römer’s Archiv und neuem Magazin der Botanik. Sein Name lebt auch in der Pflanzenwelt fort. Albrecht Wilhelm Roth, Dr. med. und Landphysikus in Vegesack nannte ihm zu Ehren eine neue Pflanzengattung am Vorgebirge der guten Hoffnung: Borkhausenia (lucida).
Borkhausen: Dr. Moritz Balthasar B., geb. 3. Decbr. 1760 in Gießen, † 30. Novbr. 1806 in Darmstadt, Forstmann und Naturforscher, der Sohn eines französischen Capitains Hermann Johann v. B., welcher aus dem Elsaß stammte, krank oder verwundet nach einem Treffen bei Gießen dort zurückgeblieben und einige Monate vor der Geburt des Sohnes gestorben war. Seine Mutter, eine geb. Schiefer aus Gießen, mußte sich und den Neugeborenen durch ihrer Hände Arbeit ernähren. Die Anfangsgründe des Lateinischen wurden in Privatstunden gelegt. Dann besuchte er das Pädagogium und seit dem 17. Jahr zum Studium der Jurisprudenz die Hochschule seiner Geburtsstadt. Nebenbei interessirten ihn Geschichte und Naturwissenschaften, insbesondere die letzteren. Mit Eifer begann er Pflanzen zu sammeln, Insecten nachzujagen und naturwissenschaftliche, namentlich botanische Werke zu studiren. Hierbei schwebten ihm Linné und Dillenius als Vorbilder vor. Nach beendigten Studien trat er als Hauslehrer 1781 in das Haus des Amtmanns Krebs zu Gladenbach, woselbst er vier glückliche Jahre verlebte. Neben den Unterrichtsstunden und praktischen Uebungen für sein Brodfach fand auch sein naturwissenschaftlicher Sinn- Röhling, Borkhausen’s Ringen nach dem schönsten Ziele der Mannes. Frankfurt a./M. 1808. Hartig, Journal für das Forstwesen, II. Bd. S. 34. [163] Ratzeburg, Forstwissenschaftliches Schriftstellerlexikon. Berlin 1872. S. 68–70. Bernhardt, Geschichte der Waldwirthschaft etc. II. Bd. Berlin 1874. S. 373.