Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Birmann, Martin“ von Gerold Meyer von Knonau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 560–562, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Birmann,_Martin&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 12:43 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Birkmeyer, Fritz
Band 46 (1902), S. 560–562 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Martin Birmann in der Wikipedia
Martin Birmann in Wikidata
GND-Nummer 119038250
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|46|560|562|Birmann, Martin|Gerold Meyer von Knonau|ADB:Birmann, Martin}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119038250}}    

Birmann: Martin B., (ursprünglich Martin Grieder), Theologe, Politiker, Schriftsteller, Mann der Gemeinnützigkeit, geboren am 26. November 1828 zu Rünenberg, Kanton Basel, † am 19. August 1890 in Liestal. Das Kind einer wackeren, aber in sehr knappen Verhältnissen lebenden bäuerlichen Bandweberfamilie, verlebte Grieder eine Jugendzeit, die ihn bei seiner Genügsamkeit nicht allzu schwer drückte, so ärmlich auch die Eltern sich behelfen mußten. Durch die Fürsprache des als Pädagoge hochgeschätzten Schulinspectors des Kantons Basel-Landschaft, Johannes Kettiger (geb. 1802, † 1869: A. D. B. XV, 678–679), der auf den geweckten Schüler aufmerksam geworden [561] war, konnte dieser erst in die Bezirksschule zu Böckten eintreten, und nachher eröffnete ihm die gleiche Empfehlung die Aufnahme in das Pädagogium in Basel. Allerdings mußte sich der fleißige Jüngling auch hier die längste Zeit kümmerlich behelfen, bis ihn am 27. September 1847 eine plötzlich sich anmeldende Wendung in eine ganz neue Bahn hineinführte. In zwei auf einanderfolgenden Generationen waren Peter Birmann Vater (geb. 1758, † 1844), als Landschafts-Aquarellmaler, Kunstsammler, Kunsthändler, und Samuel Birmann Sohn (geb. 1793), der mit besonderer Vorliebe Hochgebirgslandschaften malte, geachtete Repräsentanten der Kunst in Basel gewesen. Aber Samuel sank in Trübsinn und nahm sich am bezeichneten Tage durch einen Pistolenschuß in seinem Garten das Leben. Der junge Grieder, der bei dem Pächter des Birmann’schen Gutes Unterkunft gefunden hatte, war von ferne Zeuge des Augenblicks gewesen, in dem die Gattin die Leiche des Unglücklichen sah. Nach einigen Wochen vernahm die Wittwe – Juliane, geb. Vischer –, daß der junge Schüler infolge seiner Entbehrungen schwer erkrankt sei. Gleich erkannte sie in ihm den Jungen, der einige Jahre früher, wie er barfuß von der Schule nach Hause ging, zur Erleichterung der an einem steilen Berg schwer ziehenden Pferde, Steine dem Wagen der Eheleute Birmann nachgetragen und unter die Räder gelegt hatte. Anfangs unterstützte Frau Birmann Grieder mittelbar; dann nahm sie am Neujahrstage 1849 den Theologie-Studirenden ganz in ihr Haus, und mit Neujahr 1854 führte er den Namen Birmann, wurde alsbald darauf in Basel in das Bürgerrecht aufgenommen. Inzwischen hatte er in Göttingen seine Studien fortgesetzt und 1852 in Basel seine Prüfung abgelegt, in der Hauptstadt seines Heimathskantons Basel-Landschaft die Ordination empfangen. Allein sein eigentlicher Beruf lag auf dem Felde des Armenerziehungswesens, und auf Kettiger’s Rath ernannte die Regierung von Basel-Landschaft ihn zum Armeninspector. Durch den Armenerziehungsverein wurde eine Rettungsanstalt für verwahrloste Knaben, dann durch den Basler Großfabrikanten Richter-Linder eine ähnliche Stiftung für Mädchen ins Leben gerufen, und auch sonst war Birmann’s Thätigkeit groß, Kinder in Versorgungsorte zu bringen; aber ebenso leistete er gerne in der Stadt Basel seine Hülfe. Den politischen Dingen trat er zuerst als Mitglied des Landrathes des Kantons Basel-Landschaft näher, und als Gründer und steter Mitarbeiter der „Basellandschaftlichen Zeitung“, als Mitglied wichtiger landräthlicher Commissionen, als Redner übte er einen wesentlichen Einfluß; 1869 wurde er als Vertreter seines Kantons in den schweizerischen Ständerath abgeordnet, wo er gleichfalls sehr bald eine geachtete Stellung einnahm. Denn inzwischen hatte er seinen Wohnsitz von Basel, wo 1859 die „Mutter“ B. gestorben war, nach Liestal verlegt. Neben der fortgesetzten, in immer neuen Anregungen, so Erbauung von Kirchen, eines neuen Krankenhauses, sich erweisenden Thätigkeit für das öffentliche Wohl begann B. auch mit bestem Erfolge auf dem historischen Felde zu arbeiten, als Herausgeber von „Blättern zur Heimathkunde von Baselland“, und besonders schwebte ihm als Ziel eine Landesgeschichte der Heimath vor. 1885 ertheilte ihm die Universität Basel die Ehrenpromotion als Doctor der Philosophie. Aber der rastlosen Bethätigung setzte in Bern 1887 während der Session der Bundesversammlung – 1884 hatte B. das Präsidium des Ständerathes bekleidet – ein Schlaganfall eine Schranke, und 1889 wiederholte sich in Bern die Erkrankung; acht Monate später folgte nach schweren Leiden der Tod. Sein Grab fand B., wie er verordnet, im Dorfe Kilchberg, bei der Kirche der Heimathgemeinde, deren Bau er wesentlich gefördert hatte. – 1894 erschienen (Basel) in zwei Bänden „Gesammelte Schriften von Martin Birmann“. Sein eigenes „Lebensbild“, mit der ausführlichen Schilderung des Jugendlebens im [562] elterlichen Hause, die 1885 geschriebenen von zartester Pietät erfüllten „Blätter der Erinnerung“ an die „Mutter“ Frau Juliana B., Schilderungen aus der eigenen Thätigkeit – so die liebliche Erzählung: „Die Anfänge des Basler Kinderspitals“ –, vorzüglich charakterisirende „Nekrologe“, z. B. Kettiger’s, gestalten den ersten Band zu einer der erfreulichsten Erscheinungen der neueren biographischen Litteratur. Der zweite vereinigt Beiträge aus dem „Basler Jahrbuch“, aus Neujahrsblättern von Basel, ferner den höchst interessanten Artikel Ochs der Allgemeinen Deutschen Biographie, die Gedenkschrift zum fünfzigjährigen Bestande von Basel-Landschaft: „Die politische Rechtsgleichheit als leitender Gedanke der Revolution im Kanton Basel 1830 bis 1883“, dann früher nicht gedruckte Anfangscapitel der geplanten Landesgeschichte, und Anderes, das Ganze unter dem Titel: „Zur Geschichte der Landschaft Basel“. Eine bewundernswerthe Objectivität legt hier der Aufsatz: „Der dritte August“ (d. h. 1833) dar, die Schilderung des schauerlich blutigen Schlußtages im Kampfe zwischen Stadt und Landschaft Basel. Die warme mittheilsame Aufrichtigkeit des beredten Mannes, die edle Begeisterung des Menschenfreundes, der mit seinen klugen lebhaften Augen so kräftig in das Leben blickte, treten in allen diesen gesammelten Beiträgen zu Tage.