ADB:Berg, Franz
[362] indessen, diesen Standpunkt durch, wie er sagt, „glückliche Wendungen, seine Erläuterungen, die wol demjenigen, der Verstand genug hat, durchsichtig, dem übrigen Haufen aber verschleiert sind“, mehr oder weniger zu „verkleistern“. Darin ist zum Theile der Grund zu suchen, daß die Vorlesungen, welche theilweise die kritischen Resultate der Tübinger Schule anticipiren, nie gedruckt wurden, auch erwies sich trotz aller nachträglicher Verbesserungen als ein Hinderniß für die historische Detailforschung die rastlose Betheiligung an den philosophischen Problemen der Zeit, die endlich in der „Epikritik der Philosophie“ 1805 zur Ruhe gekommen schien. Allein diese Arbeit welche das Problem der Erfahrungsmöglichkeit in neuer Weise lösen und daher in einer zerreibenden Kritik des Idealismus und des Identitätssystems Bahn brechen sollte, fand durchaus nicht die von B. erwartete Aufnahme, ungeachtet sein Name durch das Aufsehen, welches die im Auftrage Franz Ludwigs in der Charwoche 1793 gehaltenen „Predigten über die Pflichten der höhern und aufgeklärten Stände bei den bürgerlichen Unruhen unserer Zeit“ erregt hatten, in ganz Deutschland bekannt geworden war. Denn während vielfach von Clerus und Adel die Aufklärung als Ursache des Unglaubens und der revolutionären Bewegungen bezeichnet wurde, trat B. als ihr Vertheidiger durch den Nachweis auf, daß sie die bürgerliche Ruhe sichere und Religion und Sitte rein halte und hatte dabei die ehrenvolle Anerkennung, daß Franz Ludwig (Schreib. d. d. Bamberg 19. Februar 1794) die in den Berg’schen Reden ausgesprochenen Grundsätze auch als die seinigen bekannte. Einen eigenthümlichen Contrast dazu bilden die Censurverwicklungen, welche sich B. durch seine Leichenrede auf Franz Ludwig unter der Regierung des neuen Fürstbischofs Georg Karl von Fechenbach zuzog; gleichwol lieh er dem Fürstbischofe seine Feder, um durch einen „Aufruf an das fränkische Volk“ den patriotischen Sinn der Bevölkerung zum Widerstand gegen die Franzosen zu schärfen, wofür er zum geistlichen Rathe ernannt wurde, sowie er auch in der Säcularisationsfrage zu Gunsten des geistlichen Regimentes in die Schranken trat. Unter der kurpfalzbairischen Regierung blieb er in seiner Stellung als Professor, gerieth aber in eine ihn belästigende Fehde mit dem nach Würzburg berufenen Schelling. Bereits 1802 hatte er sich durch den Fürstbischof bestimmen lassen, anonym die Geißel der Satyre gegen die Verirrungen der Schelling’schen Naturphilosophie in dem „Lob der allerneusten Philosophie“ zu schwingen, dem dann als Antwort das für B. compromittirende „Lob der Cranioscopie“ entgegengestellt wurde. Einen mehr wissenschaftlichen Charakter trägt dagegen Berg’s „Sextus oder die absolute Erkenntniß von Schelling“ (1804), in welchem sich die Schärfe der Logik und des Witzes gegen die Alles beherrschende Phantasie Schelling’s und ihr Organ, die intellectuelle Anschauung kehret. Unter der nachfolgenden Regierung des Großherzogs Ferdinand wurde B. mit seinen Collegen in Ruhestand versetzt, die theologische Facultät in das geistliche Seminar verlegt und der Vorstand desselben zum ständigen Decan derselben ernannt. Seinen Gefühlen über diese „wiedergewachsenen Hörner“ der Hierarchie ließ B. freien Lauf in der „Kritik des natürlichen Kirchenrechts des geistlichen Rathes Frey zu Bamberg“. Er sah die Nacht einer neuen Barbarei hereinbrechen, wenn es nicht gelinge, die Kirche, deren Charakter eine „Art Wildheit“ anhänge, die das Zusammenleben mir ihr gefährlich mache, dem Staate gegenüber in das Verhältniß einer Privatgesellschaft zu setzen und ihren Clerus durch Bildung zu zähmen. Im September 1811 wurde B. als Lehrer der Universalgeschichte reactivirt und der Juristenfacultät zugewiesen, ohne jedoch auch nur annähernd die Bedeutung gewinnen zu können, die er als Lehrer der Kirchengeschichte gehabt. Noch schrieb er Proteste gegen den gewaltigen Umschwung der Zeit, die sich immer mehr dem positiven Christenthume und der Kirche zuwandte, und sein [363] alter Freund, der geheime Kirchenrath Paulus zu Heidelberg, sorgte im „Rheinischen Mercur“ (Jahrg. 1817, Nr. 29) und „Sophronizon“ (Bd. V. H. 6 S. 1 bis 23) dafür, daß sie in das Publicum kamen, aber dabei fand er das Leben mit jedem Tage schwieriger, die Kräfte versagten für jede anhaltende Thätigkeit, das Gefühl eines erfolglosen Wirkens umdüsterte immer mehr den Blick auf Welt und Menschen, bis ein Herzleiden seine Augen für immer schloß.
Berg: Franz B., geistlicher Rath, Canonicus am Collegiatstift Neumünster und Professor der Theologie an der Universität Würzburg, geb. 31. Jan. 1753, † 6. April 1821, erhielt seine gelehrte Bildung bei den Jesuiten, wurde aber noch während seiner Seminarjahre durch die Schriften der englischen Deisten, der französischen Materialisten und der deutschen Rationalisten dem positiven Christenthum innerlich ganz entfremdet, und gerieth namentlich durch das Studium Hume’s in einen Alles zersetzenden Skepticismus, der es bei ihm weder zur Einheit noch Entschiedenheit im Erkennen und Wollen kommen ließ. Ein in reicher Fülle aus der ausgedehntesten Lectüre gewonnenes Material drängte frühzeitig zu litterarischen Entwürfen und Versuchen, unter denen ihm seine Beantwortung der von Wieland im „Deutschen Mercur“ 1775 gestellten Frage: „Kann man ein Heuchler sein, ohne es zu wissen?“ Unannehmlichkeiten Seitens der geistlichen Behörde zuzog; gleichwol erhielt er am 24. Mai 1777 die Priesterweihe und eine der Kaplaneien der Dompfarrei zu Würzburg. Dem damals allgemeinen Rufe nach Verbesserung der katholischen Liturgie folgend, ließ er 1781 seine „Lieder zum katholischen Gottesdienst“ erscheinen, die jedoch zu wenig dem Bedürfnisse des frommen Gemüths entsprachen, um auf Erfolg rechnen zu können. Durch seine Predigten vor dem neuen Fürstbischofe Franz Ludwig von Erthal zog B. die Aufmerksamkeit desselben auf sich, und am 12. Juli 1785 ernannte ihn der Fürst, damals bedacht der heruntergekommenen Universität Würzburg durch Herbeiziehung neuer Lehrkräfte aufzuhelfen, zum außerordentlichen Professor der Theologie. Wenige Monate später vertraute er ihm bereits die Ausarbeitung eines Gutachtens an „Ueber die Folgen der Freiheit zu denken und zu handeln“, das ihm die vielseitigen Kenntnisse des jungen Mannes zu schätzen Gelegenheit gab; er verlieh ihm 1789 ein Canonicat, und nachdem B. bereits 1786 die theologische Doctorwürde erworben und seine Kritiken der kirchengeschichtlichen Arbeiten von Henke und Schröckh in den „Würzburger gelehrten Anzeigen“ erschienen waren, die ordentliche Professur der Kirchengeschichte. Schon in seinen patristischen Vorträgen hatte B. nicht, wie es bisher meistens der Fall gewesen, die Väter und ihre Schriften an dem Maßstabe der Erbaulichkeit und Brauchbarkeit für den dogmatischen Beweis gemessen, sondern aus der durch die gesammten Zeit- und Cultur-Verhältnisse bestimmten Individualität ein möglichst klares Verständniß des Schriftstellers zu gewinnen gesucht; noch freier ergeht sich seine Kritik in Vorlesungen über Kirchengeschichte, in der er mit Ausschluß des übernatürlichen Elements nur mit menschlichen Factoren gerechnet haben will und es darum auch bei den bedeutendsten dogmatischen Processen nie unterläßt, die psychologischen Bedingungen nachzuweisen, unter denen das Dogma eben diese Form angenommen hat. Die Rücksicht auf seine amtliche Stellung nöthigte ihn- Franz Berg, geh. Rath u. Prof. d. Kirchengesch. a. d. Universität Würzburg. Ein Beitrag zur Charakteristik des kathol. Deutschlands, zunächst des Fürstbisthums Würzburg im Zeitalter der Aufklärung. Von J. B. Schwab. Würzburg 1869.