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Artikel „Balde, Jakob“ von Georg Westermayer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 1–3, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Balde,_Jacob&oldid=- (Version vom 6. Oktober 2024, 01:13 Uhr UTC)
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Balde: Jakob B., neulateinischer Dichter, geb. 4. Jan. 1604 zu Ensisheim im Elsaß, † 9. Aug. 1668 zu Neuburg a. D., nach dem Vorgange Sigmunds von Birken der deutsche Horaz genannt. Sein Vater, Hugo B., Kammersecretär der vorderösterreichischen Regierung, ließ ihn sorgfältig erziehen und schickte ihn früh zu einem Freunde nach Belfort, damit er sich dort das bourgignon (den burgundischen Dialekt) aneigne. Als in Ensisheim 1615 ein Jesuitencolleg gegründet wurde, kehrte der Knabe wieder dahin zurück und studirte mit Eifer und Erfolg die Humaniora. Den philosophischen Studien wollte er auf der neuerrichteten Hochschule Molsheim (bei Straßburg) obliegen, allein durch die Streifzüge des Grafen von Mannsfeld zur Flucht gezwungen, wandte er sich nach Baiern, um in Ingolstadt seine höhere Ausbildung zu vollenden. Schon hatte er die Rechtswissenschaft sich zum Fachstudium gewählt, als er bei einem nächtlichen Ständchen, von seiner Gefeierten unerhört und durch den Chorgesang aus einem nahen Kloster ergriffen, seine Laute zerschlug und der Welt zu entsagen beschloß. Am 1. Juli 1624 wurde er als Novize in das Probationshaus der Gesellschaft Jesu zu Landsberg am Lech aufgenommen.

Nach zwei Jahren kam er als Scholastiker nach München, wo er, von der Grammatik aufsteigend, mehrere Curse des Gymnasiums leitete und inzwischen durch seine poetischen Versuche, zunächst Schuldeclamationen, die Aufmerksamkeit seiner Umgebung auf sich zog. Der Rector des Münchener Collegiums, Jakob Keller, förderte Balde’s poetische Ausbildung mit Verständniß und Sorgfalt; nur ließ er seinen Zögling zu sehr die Dichter des silbernen Zeitalters, Statius und Claudian nachahmen, als daß sein Stil von dem Rhetorisirenden und Ueberladenen dieser Schriftsteller unbeeinflußt geblieben wäre. Als Professor der Rhetorik nach Innsbruck versetzt (1628) erwarb sich B. auch dort durch seine Vorträge sowol als durch seine dramatischen Arbeiten allgemeinen Beifall. Nach einer Wirksamkeit von nur wenigen Jahren begab er sich von da auf den Ruf seiner Oberen zum Studium der Theologie nach Ingolstadt, war Zeuge von dessen Belagerung durch Gustav Adolph und vom Hingange Tilly’s (letzteres Ereigniß veranlaßte ihn zu dem rhapsodischen Werke „Tillii parentalia“) und wurde 24. Sept. 1633 durch den Weihbischof Resch von Eichstätt zum Priester geweiht.

In der traurigen Pestzeit 1634–35 befand sich B. zu München, wurde aber bei Wiedereröffnung der Studien 1635 an der Hochschule Ingolstadt als Professor der Rhetorik angestellt, in welcher Eigenschaft er sich solchen Ruf erwarb, daß viele Ausländer, namentlich Polen, seinem Lehrstuhle zueilten. Man nannte ihn nur den wiedererstandenen Quintilian. Im Herbste 1637 brachte B. zu Ingolstadt ein großes biblisches Drama „Jephte“ zur Aufführung und [2] errang mit demselben außerordentlichen Erfolg. Bald darauf ging der Dichter auf den Wunsch Herzog Alberts VI. (Bruders des regierenden Kurfürsten) neuerdings nach München, um die Erziehung seines Sohnes Albrecht Sigismund, nachmaligen Bischofs von Freising, zu übernehmen. In der Folge wurde er Hofprediger des Kurfürsten Max I. (1638) und als er nach zweijähriger Wirksamkeit diese Stelle aus Gesundheitsrücksichten nicht mehr versehen konnte, erging an ihn der Auftrag, die jüngste Periode der bairischen Geschichte zu bearbeiten. Er schrieb eine „Expeditio Donawerdana“ (Maximilians Feldzug gegen Donauwörth vom J. 1607); indeß die scharfe Censur, welche der Kurfürst eigenhändig vornahm, verleidete dem Dichter die Historiographie gänzlich. Nunmehr wendete er sich vorwiegend seinen poetischen Arbeiten zu und gab 1643–45 seine Oden und lyrischen Wälder heraus, welche seinen Ruhm als Lyriker begründeten. Durch das neunte Buch der „Silven“, welches dem französischen Gesandten zu Münster, dem Grafen d’Avaux, gewidmet ist, suchte B. nicht ohne Erfolg auf einen baldigen Abschluß des Friedens hinzuwirken. Eine andere politische Aufgabe sollte Sein „Drama georgicum“ (Bauernspiel) lösen, indem es den bairischerseits mit Schweden und Frankreich geschlossenen Waffenstillstand vom März 1647 zu rechtfertigen bestimmt war; indessen wurde die sinnige, in oscischer Mundart geschriebene Apologie sehr bald von den Ereignissen überholt. Auch um das sociale Leben in München wußte er sich ein Verdienst zu erwerben, insofern er die congregatio macilentorum, einen der frühesten Mäßigkeitsvereine stiftete, dem hervorragende Männer aus allen Ständen als Mitglieder angehörten. Seine leidende Gesundheit war Veranlassung, daß man ihn im J. 1650 in das günstiger gelegene Landshut versetzte. Hier wie späterhin in Amberg war er als Kanzelredner thätig, setzte aber sein dichterisches Schaffen zunächst auf dem Gebiete der Satire fort. Sein erstes Erzeugniß dieser Art „Medicinae gloria“, gegen die Stümper in der Arzneikunde gerichtet, wird zugleich für sein bestes gehalten. Im J. 1654 versetzte ihn der Ruf seiner Oberen nach Neuburg an der Donau, wo er anfänglich als Hofprediger, später als Beichtvater des Pfalzgrafen Philipp Wilhelm thätig war. Seine Reise von Amberg nach Neuburg glich einem Triumphzuge; die Rathsherren von Nürnberg wie die Professoren zu Altdorf brachten dem berühmten Dichter ihre Huldigung dar. In Neuburg schrieb B. u. a. sein großes allegorisches Gedicht „Urania victrix.“ Der Grundgedanke derselben ist einer Parabel des Jacopone entnommen. Papst Alexander VII., dem das Werk gewidmet war, sandte dem Dichter eine zwölf Ducaten schwere goldene Denkmünze als Sangeslohn, dieser jedoch hing sie an seinem Lieblingsaltare in der Hofkirche zu Neuburg als Votivgeschenk auf.

B. nimmt unter den neulateinischen Dichtern sowol durch die Fruchtbarkeit als durch den poetischen Gehalt seiner Schöpfungen eine ausgezeichnete Stelle ein; was den Reichthum eigenthümlicher Wendungen und geniale Composition betrifft, behauptet er nach Herder’s Urtheil sogar den Vorrang vor Horaz. In allen Dichtungsarten hat B. sich versucht, doch unterliegt es keinem Zweifel, daß er in der Lyrik das Höchste geleistet. Die Gelehrten der Niederlande wie die Prälaten Roms zollten ihm ihre Anerkennung. Für Baiern zunächst sind seine Oden von besonderer Bedeutung, weil sie so vielfach an denkwürdige Oertlichkeiten des Landes anknüpfen. Seine „Carmina lyrica“ zuerst erschienen zu München 1643, wurden binnen Kurzem durch die Gebrüder Elzevir in Amsterdam nachgedruckt. Ganz eigenartig, in Todtentanzmanier gehalten, ist das deutschlateinische Poem „De vanitate mundi“ (München 1638). Dasselbe erlebte fünfzehn Auflagen. Die vaterländische Muse ist Balde’n weniger hold als die lateinische; nur sein „Ehrenpreis“ zum Lobe Mariens und sein „Lobgesang zu Ehren der eilftausend Jungfrauen“ erhebt sich über die Mittelmäßigkeit. Mittelbar aber hat B. auch um [3] die einheimische Litteratur Verdienste. „Er hat mit seiner lateinischen Dichtung“, wie Gervinus sagt, „entschieden auf die deutsche Poesie gewirkt. Mehrere Pegnitzer übersetzten Werke von ihm. Andreas Gryphius hat, angeregt durch das Phantasievolle in Balde’s Oden, vieles von ihm gelernt.“

In neuerer Zeit wurde hauptsächlich durch Herder’s „Terpsichore“ (1796) das Andenken Balde’s wiedererweckt. Eine ausführliche Biographie des Dichters schrieb der Unterzeichnete u. d. Titel: „Jacobus Balde, sein Leben und seine Werke.“ München 1868. Eine Wiedergabe seiner schönsten Oden in deutschen Reimversen ist geboten in „Renaissance. Ausgewählte Dichtungen von J. Balde übertragen von J. Schrott und M. Schleich“. München 1870.

Opera omnia. Tomi VIII. Monachii 1729. Vol. I. Icon Authoris. Kenotaphium des Dichters J. Balde, in Herder’s Terpsichore, S. 181 der Ausg. v. J. 1853. Neubing, Bavaria’s Musen. München 1828. Bd. I. Merklen, Histoire de la ville d’Ensisheim. Colmar 1840. II. p. 210. Mengein, Die Errichtung des Denkmals für J Balde. Neuburg 1828. Knapp, Christoterpe. Jahrg. 1848. S. 277. „Ueber des Dichters J. Balde Leben und Schriften“. Freyberg, Sammlung histor. Schriften und Urkunden. Stuttg. 1835. IV. Bd. 2. Heft: Jacobi Balde poema somnium. Diarium Gymnasii Monacensis (Mscr. der Münchener Staatsbibliothek).