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Artikel „Anschütz, Heinrich“ von August Förster in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 476–477, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ansch%C3%BCtz,_Heinrich&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 16:37 Uhr UTC)
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Anschütz: Heinrich A., geb. 8. Feb. 1785 zu Luckau in der Niederlausitz, † als k. k. Hofschauspieler und Regisseur 29. Dec. 1865 in Wien. A. war ursprünglich für das Studium der Theologie bestimmt. Auf der Fürstenschule zu Grimma gebildet, bezog er 1804 die Universität Leipzig. Die Leistungen der Dresdener und Dessauer Hoftheater-Gesellschaften, welche zu seiner Zeit Leipzig besuchten, die Gastspiele Iffland’s, Eßlair’s, die Darstellungen der Weimaraner in dem benachbarten Lauchstädt, von denen namentlich Pius Alexander Wolff einen großen Eindruck auf A. machte, entzündeten in dem Jüngling die brennendste Theaterlust. 1807 betrat er als Adolf von Klingsberg zum ersten Male die Bühne in Nürnberg. Später finden wir ihn in Leipzig, Danzig, Königsberg und Breslau. Von dort kam er nach beifälligst aufgenommenem Gastspiel im J. 1821 an das Hof- und National-Theater (jetzt Hofburgtheater) in Wien, dem er bis zu seinem Tode angehörte. Früher in jugendlichen Helden- und Liebhaberrollen, zuletzt im Fache der bürgerlichen und Heldenväter thätig, bewährte er ein ausgezeichnetes Talent, namentlich in verständnißinniger, ausdrucksvoller und formschöner Recitation. Die Eindrücke seiner Jugend, welche durch die weimarsche und Schröder’sche Schule gleichmäßig anregend auf ihn wirkten, hatte er harmonisch verarbeitet. Unterstützt von glänzenden Mitteln der Sprache und von einem ansprechenden Aeußern, welches namentlich einen edel geschnittenen Kopf zeigte, von gebildetem Verständniß und poetisch gereizter Phantasie, von gewissenhaftem Fleiß und andauerndster, opferfreudiger Hingabe an seine Kunst, war er ein Muster und Meister edler und wahrhaftiger Schauspielkunst. [477] Seine Schöpfungen als Lear, Erbförster, alter Müller, Attinghausen etc. leben unvergänglich im Gedächtnisse der Kenner. Er war ein Vorbild seiner jüngeren Genossen in Leben und Kunst und mit dankbarer Verehrung priesen sie ihn als ihren Meister. In der Technik der Sprache, in Aufbau und Disposition der künstlerischen Rede, in seinem Schliff und sicherer Treffkraft seiner rednerischen Wirkungen stand er einzig da unter all seinen Genossen. Die Gewissenhaftigkeit seines bis in das höchste Alter sich gleichbleibenden Fleißes, bewahrte selbst dem Greise die volle Geschmeidigkeit, Tonfülle und Kraft seines Organs und als er achtzigjährig am 4. Juni 1865 seine letzte Rolle (Musikus Miller in Kabale und Liebe) spielte, wirkte er noch mit voller Unmittelbarkeit.

Seine Gattin, geb. Butenopp, als Schauspielerin meist in naiven Rollen gerne gesehen, starb zu Wien 15. Juni 1866. Sein Bruder Eduard, gleichfalls Hofschauspieler in Wien und Verf. einiger Novellen starb dort pensionirt 11. April 1855. Von seinen Kindern haben sich mehrere dem Theater zugewandt, namentlich hat sich Auguste, später verehelichte Koberwein[WS 1] als dramatische Künstlerin (vgl. Wurzbach, Biogr. Lex.), ein Sohn Roderich als dramatischer Schriftsteller bekannt gemacht. Nach Anschütz’ Tode erschien unter Redaction seines Sohnes ein Band „Erinnerungen“.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Marie Emilie Auguste Anschütz (verheiratete Koberwein; 1819–1895), Schauspielerin.