ADB:Acidalius, Valens
[32] in Zerbst gedruckt, eine Abhandlung mit dem Titel: „Disputatio nova contra mulieres, qua probatur eas homines non esse.“ 11 Blätter 4°. Diese Schrift erregte einen Sturm der Entrüstung bei den Theologen, so daß selbst von den Kanzeln herab gegen den Verfasser und Verleger gedonnert wurde, nicht wegen ihres unsittlichen Inhalts, wie man nach dem Titel schließen könnte, sondern wegen ihrer gotteslästerlichen Grundsätze. Die Eiferer hatten in ihrer Wuth übersehen, daß die Schrift eine satirische und eine Parodie auf die leichtfertige Methode der Socinianer sei, mit der sie ihre Beweise gegen die Gottheit Christi zu erbringen pflegten, wie der Verfasser selbst mit klaren Worten in der ersten und letzten Thesis angedeutet hat. Da auf eingeleitete Untersuchung der Verleger gestand, die Schrift von A. erhalten zu haben, wurde er als ihr vermeintlicher Verfasser die Zielscheibe der giftigsten Angriffe, die sich noch bis über sein Grab hinaus fortsetzten. Er selbst leugnet in seiner epistola apologetica an Jacob Monavius, einen gelehrten Arzt und Rath in Liegnitz (V. Acidalii epist. p. 339) aufs Entschiedenste, daß er die Schrift verfaßt habe; aber wenn er auch nicht ihr Vater war, so doch ihr Pathe. Er hatte nämlich seinen Verleger Heinrich Osthausen, der ihn mit Klagen über den schlechten Absatz der von ihm gedruckten „Animadversiones in Curtium“ (Francof. 1594) bestürmte, darauf aufmerksam gemacht, daß er durch den Druck der pikanten Schrift, die, wie er in seiner Apologie versichert, schon seit längerer Zeit in zahlreichen Abschriften herumging, ein gutes Geschäft machen könne. Auch der Stil, in welchem die 51 Thesen der Abhandlung vorgetragen sind, spricht mit Entschiedenheit gegen seine Autorschaft. – Von den philologischen Arbeiten des A. sind bei seinen Lebzeiten nur die zwei schon erwähnten, die Ausgabe des Velleius Paterculus (Padua 1590) und die „Animadversiones in Curtium“ ans Licht getreten. Die erstere verwarf er bald selbst als eine übereilte Jugendarbeit und spricht in seinen Briefen wiederholt sein pudet pigetque über die Arbeit aus; allein die Nachwelt hat billiger geurtheilt, als ihr überhaupt sehr bescheidener Verfasser, indem sie anerkannte, daß sich A. um die Verbesserung des Velleius wesentliche Verdienste erworben hat. Nach seinem Tode erschien eine vermehrte Sammlung seiner Gedichte, Elegien, Oden und Epigramme, deren Werth nicht sehr hoch anzuschlagen ist, zu Liegnitz 1603. Die Herausgabe seiner hauptsächlichsten Arbeiten verdankt man seinem Bruder Christian, der Professor der Medicin zu Altorf war. In rascher Folge erschienen eine „Centuria prima epistolarum“ (Hanoviae 1606) mit einer Jugendarbeit „De vera carminis elegiaci natura et constitutione“, sodann des A. Hauptwerk, die „Divinationes et interpretationes in comoedias Plauti“, Francof. 1607 (566 pagg.), die „Notae in Taciti opera“, Hanoviae 1607 und die „Notae in Panegyricos veteres“ in der Ausgabe von J. Gruterus, Heidelb. 1607 (nicht auch zu Plinius, wie Grässe fälschlisch angibt, s. die Bemerkung von Christ. Acidalius p. 446). Diese von eben so eisernem Fleiße als eindringendem Scharfsinn zeugenden Arbeiten haben dem A. den unbestrittenen Ruf als eines der genialsten Kritiker erworben; im Plautus hat er trotz seiner mangelhaften Kenntniß der Metrik und handschriftlichen Ueberlieferung sehr viele Stellen durch seine seltene Divinationsgabe sicher geheilt und auch für die Erklärung des Dichters Treffliches geleistet; vgl. das Urtheil von Fr. Ritschl Prolegg. ad Plautum p. LIII. Ebenso werthvoll sind des A. Arbeiten über Tacitus; von dem in so verderbter Gestalt überlieferten Gespräch über die Redner muß er geradezu als der sospitator bezeichnet werden, wie man erst in neuerer Zeit in vollem Maße anerkannt hat; vgl. G. Andresen in den Acta societ. philol. Lips. I, 107. Von seinen übrigen Arbeiten über eine große Zahl lateinischer Dichter und Prosaiker, deren Herausgabe sein Bruder Christian in der Vorrede zur Briefsammlung verheißen hatte, ist nur noch ein [33] kleiner Beitrag zu Ausonius in der Ausgabe von Jac. Tollius 1671 veröffentlicht worden, der bemerkt: Acidalii notarum in Gratiarum actionem nobis et indicium et copiam fecit incomparabilis Gronovius. Am meisten ist zu bedauern, daß seine Arbeiten über Aulus Gellius, Symmachus und vor Allem die über Appuleius unbekannt geblieben oder ganz verloren gegangen sind. Von seiner Vertrautheit mit Appuleius (schon in der Vorrede zum Velleius hatte er die baldige Vollendung seiner „Appuleianae quaestiones“ angekündigt) zeugt auch die freilich geschmacklose Vorliebe für Archaismen in dem lateinischen Stil des A. Die Prophezeihung, die der große Justus Lipsius in einem Briefe an J. Monavius (Löwen 1594) von A. ausspricht: Ipse Valens (non te fallam augur) gemmula erit Germaniae vestrae, vivat modo ist trotz seines so früh erfolgten Todes in Erfüllung gegangen.
Acidalius: Valens A., nach seinem deutschen Namen Havekenthal, ausgezeichneter Kritiker und lateinischer Dichter, geb. 1567 zu Wittstock in der Mark Brandenburg als Sohn eines Predigers, † zu Neisse am 25. Mai 1595. Nachdem A. die Universitäten Rostock, Greifswalde und Helmstädt besucht und schon in früher Jugend durch seine lateinischen Gedichte Aufsehen erregt hatte, begab er sich im J. 1590 mit seinem Universitätsfreunde Daniel Bucretius (Rindfleisch) nach Italien und veröffentlichte noch zu Ende desselben Jahres seine erste litterarische Arbeit, die Ausgabe des Velleius Paterculus. In Bologna widmete sich A. mit allem Eifer dem Studium der Philosophie und Medicin und erwarb sich auch den Doctorgrad in diesen Disciplinen; weil er aber keine Neigung zur ärztlichen Praxis hatte und sich weit mehr von den alten Classikern angezogen fühlte, wurde ihre Kritik und Erklärung fortan seine ausschließliche Beschäftigung. Das Klima Italiens hatte seinem Körper wenig zugesagt; durch wiederholte Fieberanfälle geschwächt kehrte er 1593 nach Deutschland zurück und zog nach kurzem Besuche in seiner Heimath zu seinem unzertrennlichen Freunde Bucretius nach Breslau, wo er sich trotz seiner stark angegriffenen Gesundheit den angestrengtesten Arbeiten hingab. Im Frühjahre 1595 folgte er einer Einladung seines Freundes und Gönners, des bischöflichen Kanzlers Wacker von Wackenfels nach Neisse, wo der Bischof von Breslau seinen Hof hatte, erlag aber schon nach wenigen Monaten, erst 28 Jahre alt, einem hitzigen Fieber. Er wurde nach katholischem Ritus feierlich beerdigt; ob sein Uebertritt zum Katholicismus erst dort erfolgt ist oder bereits in Breslau, ist unbekannt; einige, wie sein Biograph Leuschner, stellen den Uebertritt ganz in Abrede. Erst in jüngster Zeit wurde bekannt, daß A. das Rectorat zu Neisse erhalten und etwa sechs Monate geführt haben soll. Es heißt, wie Aug. Kästner in der Geschichte der Stadt Neisse I. 3 S. 125 mittheilt, in dem Album der Schule: Valentinus Acidalius, vir valde doctus et inter poetas sui temporis nominatus, sex circiter mensibus tantum in hujus officii administratione vixit. Diese Nachricht ist jedoch mit den sonstigen Ueberlieferungen, da A. schon am 25. Mai 1595 mit Tod abging, nicht zusammen zu reimen, und zwar aus folgenden Gründen: 1) der vorausgehende Rector Gebauer legte erst am 28. April 1595 das Rectorat der Schule nieder, s. Kästner a. a. O. S. 123; 2) die in der centuria I epistolarum veröffentlichten Briefe des A. vom J. 1594 sind alle aus Breslau geschrieben, aus Neisse nur solche von 1595; 3) in keinem der aus Neisse geschriebenen ist die geringste Andeutung von einer Uebernahme oder Führung des Rectorates des Gymnasiums gegeben, auch nicht in dem langen an Fr. Taubmann, der das bestimmte Datum Non. April. 1595 trägt; 4) aus Neisse schreibt A. an Lipsius im J. 1595: apud quem (Wackherum) unam atque alteram iam septimanam hic Nyssae vixi benigne ab ipso Vratislauiâ euocatus, comiter habitus, et habendus in aliquod etiam fortasse tempus; 5) in einem in der Stadtbibliothek zu Breslau aufbewahrten Briefe an den Prof. Martin Weinrich in Breslau vom 16. Jan. 1595 beklagt A., daß es ihm noch nicht gelungen sei res suas in certa sede et stabili conditione defigere und bemerkt weiter unten: hîc privatus literulas meas tracto: aulam non sollicito, quam raro neque nisi vocatus inviso. Diese bestimmten widersprechenden Angaben lassen nur so viel vermuthen, daß man ihm vielleicht erst während des Aufenthaltes bei seinem Gastfreunde und Gönner das Rectorat der Schule angeboten oder übertragen habe, daß aber von einer sechsmonatlichen Führung desselben keine Rede sein könne. An seinem frühzeitigen Tode hatte außer der geistigen Ueberarbeitung wol auch ein großer Verdruß einigen Antheil, den sich A. durch eine Unvorsichtigkeit zugezogen hatte. Zu Anfang des J. 1595 erschien ohne Angabe des Druckortes, aber wahrscheinlich- J. Chr. Leuschneri commentatio de V. Acidalii vita, moribus et scriptis. Liegnitz 1757. Ueber den Kritiker V. Acidalius, besonders über seinen Antheil an der Schrift eines Ungenannten, daß die Weiber keine Menschen sind, von Dr. Valentin Heinr. Schmidt im Journal für Deutschland von Fr. Buchholz V, 1 S. 113 ff. 1819. Der Neisser Rector Valens Acidalius, von Dr. Fr. Adam im XVII. Bericht der Philomathie in Neisse, 1872 S. 19–53.