Textdaten
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Autor: J.
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Titel: „Versalzen!“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 42, S. 718–719
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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„Versalzen!“
Eine küchenwissenschaftliche Skizze.

Das Salz ist die wichtigste aller Speisezuthaten und die Kunst zu salzen bildet die Grundlage aller Küchenfertigkeit. Köchinnen, die diesen Namen in der That verdienen, verstehen auch diese Kunst ausgezeichnet – ein Blick auf die Masse des Gerichts, ein Griff in den Salznapf, und das Richtige ist getroffen! Wie lachen sie, wenn sie in Büchern lesen, man solle das Salz mit einer Wage oder mit einem „graduierten Gefäße“ abmessen! Aber auch die geschicktesten Köchinnen haben ihre Unglückstage. Da blutet ihr Herz, von Amors Pfeil getroffen, oder sie sind sonst „in Gedanken“, und mit einem Male ist die Suppe – versalzen! Selbst in dem weisesten Rate der Kochfrauen wußte man kein Mittel, das den Schaden wieder gut machen würde; denn wie sollte man das in der Suppe aufgelöste Salz wieder herausziehen! Da kamen die Naturforscher den Hausfrauen zu Hilfe und zeigten ihnen, wie man das überschüssige Salz in höchst einfacher Weise aus der Suppe entfernen kann, ohne diese ihrer sonstigen wertvollen Bestandteile zu berauben.

Unsere Leserinnen kennen gewiß das Pergamentpapier, das in der Speisekammer zum Verbinden von Büchsen verwendet wird. Dieses Papier ist nun ein ausgezeichnetes Entsalzungsmittel. Davon kann sich jeder leicht durch einige einfache Versuche überzeugen.

Wir nehmen ein viereckiges Stück Pergamentpapier, etwa so groß wie das Blatt eines gewöhnlichen Schreibheftes, und biegen seine Ränder nach oben, so daß daraus ein viereckiges Kästchen entsteht: um ihm Halt zu geben, stecken wir die vier Ecken oben mit Nadeln fest. Nun haben wir ein Gerät, das in der Wissenschaft ein „Dialysator“ genannt wird.

In diesen Pergamentkasten gießen wir starkes Salzwasser, d. h. gewöhnliches reines Wasser, in dem wir möglichst viel Salz gelöst haben, und stellen den Kasten in ein kleines und flaches Gefäß, etwa einen Suppenteller, der bis zur Hälfte mit reinem Wasser gefüllt ist. Kosten wir nun von Zeit zu Zeit von dem Wasser in dem Teller, so werden wir bemerken, daß es einen immer stärkeren salzigen Geschmack annimmt. Die Salzlösung dringt durch das Pergamentpapier in das Wasser im Teller, während dafür reines Wasser in den Kasten hineinwandert, gleichfalls durch das Papier hindurch. Der Kasteninhalt wird also entsalzen, und der Vorgang dauert so lange, bis das Wasser im Teller und das im Kasten einen [719] gleichen Gehalt an Kochsalz aufweisen. Nehmen wir an, daß dies in einer bestimmten Zeit, z. B. in zwei Stunden, geschehen ist.

Wenn wir darauf denselben Versuch mit einer Zuckerlösung ausführen, so werden wir wahrnehmen, daß auch in diesem Falle der Zucker durch die Wände des Pergamentpapierkastens hinauswandert; aber es wird bei weitem länger dauern, bis das Wasser im Teller und das in unserem Versuchskasten gleich süß schmeckt, d. h. den gleichen Gehalt an Zucker aufweist.

Wir lernen daraus, daß nicht alle im Wasser gelösten Körper mit gleicher Leichtigkeit durch Häute wie das Pergamentpapier hindurchtreten. In der Wissenschaft wird der Austausch verschiedener Flüssigkeiten durch Membranen oder Häute mit dem Namen „Osmose“ bezeichnet. Die Naturforscher haben nun das Verhalten der einzelnen Körper genau studiert und gefunden, daß die Unterschiede sehr groß sind, und die Techniker und Industriellen haben diese Eigenart der Körper für ihre Zwecke ausgebeutet. Um z. B. die Melasse in der Zuckerfabrikation von den Salzen, die im Rübensafte enthalten sind, zu reinigen, behandelt man sie in ähnlicher Weise, wie wir es mit der Salzlösung gethan haben. Die Salze gehen rascher durch das Pergamentpapier als der Zucker und so kann die Melasse gereinigt werden.

Unsere Suppen enthalten, je nach ihrem Ursprung, verschiedene gelöste Stoffe; wir finden in ihnen Fleisch- und Pflanzensalze, Extraktivstoffe, welche ihnen den Wohlgeschmack verleihen und anregend auf den Körper wirken, und nährende Stoffe wie Stärke und Eiweiß; dazu kommt noch das Kochsalz. Von allen diesen Bestandteilen der Suppen wandert nur das Kochsalz mit Behendigkeit durch das Pergamentpapier, während die anderen nur äußerst langsam oder auch gar nicht hindurchdringen.

Entsalzungs-Apparat.

Gießen wir also eine versalzene Suppe in einen Kasten, wie wir ihn oben beschrieben haben, und stellen diesen in ein mit reinem Wasser gefülltes Gefäß, so werden in der ersten Zeit große Mengen Kochsalz aus der Suppe hinauswandern, von den wohlschmeckenden und nährenden Bestandteilen jedoch nur Spuren durch die Pergamenthaut dringen können. Es liegt auf der Hand, daß wir auf diese Weise eine versalzene Suppe wieder entsalzen können. Nur ist ein mit Stecknadeln zusammengehefteter Kasten für den praktischen Gebrauch selbstverständlich zu schwach; er muß für Küchenzwecke durch einen Apparat ersetzt werden. Ein solcher ist von Dr. G. Fr. Meyer in Braunschweig zusammengestellt worden und in den Haushaltungsgeschäften zu haben. Er besteht, wie unsere Abbildung zeigt, aus zwei ineinander passenden siebartigen Gefäßen, zwischen die ein Bogen Pergament- oder Osmose-Papier hineingefaltet ist. Stellen wir nun den Entsalzungsapparat in reines heißes Wasser und gießen die versalzene Suppe hinein, so wird der letzteren in kurzer Zeit der Ueberschuß an Kochsalz entzogen.

Aber das Entsalzen der mißlungenen Suppe wird nicht so häufig nötig sein, daß die Hausfrauen bloß deswegen einen eigenen Entsalzungsapparat sich anschaffen würden.

In der Küche muß jedoch noch vieles andere entsalzen werden.

Seit uralten Zeiten benutzen die Völker das Kochsalz als Konservierungsmittel. Wir salzen und pökeln das Fleisch ein, bereiten Salzfische, z. B. Heringe, legen Bohnen und Gurken in Salz ein. Diese Konserven müssenm, bevor wir sie kochen, entsalzen werden, und dies geschieht in der Regel dadurch, daß man sie auswässert. Das Wasser entzieht ihnen das Kochsalz und den Salpeter, der vielfach zum Pökeln mit verwandt wird, aber es löst auch viele der nahrhaften und wohlschmeckenden Bestandteile des Fleisches, der Fische und der Gemüse auf. Diese wertvollen Stoffe gehen dann verloren, denn sie werden mit dem Salzwasser fortgeschüttet. Auch diesen Uebelstand beseitigt nun der Meyersche Osmose-Apparat für Küchenzwecke.

Bei seiner Benutzung waschen wir das betreffende Nahrungsmittel, z. B. Salzfleisch, gut ab, legen es in den Apparat, übergießen es mit Wasser und stellen den Apparat in ein größeres mit reinem Wasser gefülltes Gefäß, wobei wir darauf achten, daß die Flüssigkeit in beiden Gefäßen gleich hoch steht. Das Wasser im Apparat laugt nun das Salzfleisch aus, durch das Pergamentpapier gehen aber nur das Kochsalz und der Salpeter in das Wasser des größeren Gefäßes über, die schmackhaften und nährenden Stoffe bleiben zum allergrößten Teil in dem mit Pergamentpapier ausgekleideten Behälter zurück. Ist nun die Entsalzung vollendet, so kocht man das Fleischstück in dem Saft, der im Apparat zurückgeblieben ist, und erhält auf diese Weise ein Gericht, das viel wohlschmeckender und auch nahrhafter ist als ein durch die gewöhnliche Entwässerung hergestelltes.

Das Entsalzen in dem Meyerschen Apparate dauert etwas kürzere Zeit als das gewöhnliche Auswässern; im übrigen hängt die Dauer von dem Salzgehalt der Konserven und der Geschmacksrichtung ab. Der Apparat wird in verschiedenen Größen von 2 bis 20 Liter Inhalt hergestellt, so daß er in kleinen wie in großen Küchen gebraucht werden kann. Er verdient wohl die Beachtung der Hausfrauen; denn er vermag nicht nur eine versalzene Suppe zu „retten“, sondern er hat auch gesundheitliche Vorzüge, indem er die Schmackhaftigkeit und Nahrhaftigkeit vieler unserer gebräuchlichsten Konserven erhöht. J.