„Aus tiefster Noth schrei ich zu Dir!“

Textdaten
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Titel: „Aus tiefster Not schrei ich zu Dir!“
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aus: Die Gartenlaube, Heft 2, S. 32
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Aufruf zur Unterstützung von „Heinrich Martin“
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[32] „Aus tiefster Noth schrei ich zu Dir!“ Wenn diese Worte Martin Luther’s je gerechtfertigt einer gequälten Menschenbrust entflohn, so ist es die Brust eines deutschen Schriftstellers, der, voll redlichen Strebens und dichterischer Begabung, jetzt, wo er dem Grabe näher als der Wiege, durch unverschuldete Schicksalsschläge an den Bettelstab gebracht ist. Doch Fälle von hereingebrochener Armuth gehören nicht gerade zu den Seltenheiten. Wenn aber einem geistig strebsamen Manne mit der entschwundenen Habe auch das Licht der Sonne erlischt, wenn kein Glockenklang mehr an sein Ohr schlägt – wenn Blindheit und Taubheit mit bitterster Armuth im entsetzlichen Wettkampf um den Unglücklichen ringen, wo wäre da ein Menschenherz, das sich so großem Herzeleid verschließen könnte?

Ja, und in so großem Herzeleid lebt in Dresden ein Ehrenmann, der unter dem Schriftstellernamen „Heinrich Martin“ in einer Reihe von Bänden für Geist und Herz so manches Schätzbare geboten, dessen „Buch der Weisheit“ und dessen „Spruchgedichte“ von der Kritik einstimmig als preiswürdig anerkannt worden sind.

Er ist unstreitig der Hartgeprüfteste unter allen denen, welche je der Muse ihre Feder geliehen. Ach, die eingekerkerte Seele in ihrer schrecklichen Einsamkeit vermag ja nicht den theilnehmenden Blick zu erkennen, welchen das tiefe Mitleid auf dem Bejammernswerten ruhen läßt; er vermag nicht die trostsprechende Menschenstimme zu vernehmen, und ein innigster Händedruck ist das einzige Erkennungszeichen, welches ihm ansagt, daß ein fühlend Menschenherz vor ihm steht.

Fragt man, wie so erschütterndes Elend eines Schriftstellers in einer volkreichen Stadt wie Dresden so lang verborgen bleiben konnte, so ist die einfache Antwort: weil Schüchternheit und Bescheidenheit in der Regel edle, unverschuldete Armuth zu begleiten pflegen. Erst als die leibliche Noth die äußerste Grenze erreichte, ward sie einigen Menschenfreunden bekannt und ist auf privatem Wege dem Hartgeprüften einige Unterstützung zu Theil geworden, welche zeitweilig die ärgste Noth lindern und die Mittel zu einer Augencur ermöglichen hilft.

Es ist ein altes schönes Wort: Wenn die Noth am größten, ist Gottes Hülfe am nächsten. Möge dieser Spruch gerade jetzt, wo die Tage des Weihnachtsfestes in so viel tausend Herzen mit dem Gefühl der Dankbarkeit auch die Freude am Wohlthun neu belebt haben, an dem hartgeprüften Dichter und Dulder dadurch zu Wahrheit werden, daß vor Allem Diejenigen, welchen ihre Bildung und ihr Wohlstand auch höhere Pflichten des Patriotismus und der Humanität auferlegt, durch recht zahlreichen Ankauf der Werke des Dichters diesen auf die würdigste Weise erfreuen und unterstützen.