Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: St. Louis
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aus: Die Gartenlaube, Heft 1, S. 10–11
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Nordamerika, sein Land und seine Zustände.

I.
St. Louis.

Was immer man auch über Amerika sagen mag, Das ist nicht zu läugnen, die Union offenbart als Reich im Innern wie nach Außen eine Lebenskraft und ein Gedeihen, wie es die Geschichte bisher in keinem Staate, weder des Alterthums noch der neuern Zeit, in gleichem Maaße erblickt hat. Den großen Einfluß, den in den jüngsten Tagen Amerika faktisch auf Europa schon ausübt, und der sich nothwendig mit jedem Tage noch steigern muß, macht es uns zur Pflicht, das Land und seine Zustände genau kennen zu lernen, das einst über unsere Zukunft das allein entscheidende Wort aussprechen wird. Wir haben Veranstaltung getroffen, daß schon in den nächsten Wochen uns regelmäßige Originalberichte aus einigen der größten Städte der Freistaaten zugehen, und beginnen indeß unsere Rundschau mit einer vorläufig kurzen Beschreibung und Abbildung einer Mississippistadt.

St. Louis.

St. Louis, auf dem linken Ufer des Mississippi, 300 Meilen oberhalb New-Orleans, jetzt eine der bedeutendsten Handelsstädte Amerika’s, liefert wie viele andere Orte dieses Landes den Beweis, daß dort Alles mit einer fieberhaften Schnelligkeit vorwärts und zur größtmöglichsten Vollendung drängt. Im Jahre 1763 jagten dort noch die wilden Indianer die Raubthiere des Landes mit Pfeil und Bogen, kein Acker war urbar, keine Axt in diese undurchdringlichen Wälder gedrungen. Erst zwei Jahre später wagte ein französischer Colonist, Namens Laclade, der Gründer von St. Louis, an der Stelle des jetzigen alten Marktplatzes, die ersten Blockhäuser aufzuschlagen, zu denen sich bald noch mehrere gesellten, so daß schon im Jahre 1780 zum Schutz derselben ein Fort errichtet werden mußte. Bis zum Jahre 1803 unter spanischer Oberherrschaft, die wahrlich nicht geeignet war, Bildung und [11] Intelligenz aufkommen zu lassen, war St. Louis eigentlich nicht mehr, als ein indianischer Handelsposten, dessen Einwohnerschaft meist aus Abenteurern bestand.

Erst vom Jahre 1820, als der Staat Missouri in die Union aufgenommen ward, datirt sich der Aufschwung dieser Stadt. Bis dahin hatte St. Louis noch kein Dampfschiff gesehen. Eine Schiffsreise von New-Orleans nach St. Louis, die jetzt ein gutes Dampfschiff in 4 Tagen zurücklegt, kostete damals 31/2 Monat Zeit und selbst das erste Dampfschiff im Jahre 1820 kam erst nach 18 Tagen in St. Louis an. Mit dem Eintreffen der ersten Dampfschiffe hob sich die Bedeutung der Stadt mit jedem Tage und derselbe Ort, der im Jahre 1825 kaum 10.000 Einwohner zählte, hat jetzt deren 112.000, und wie lange noch und die 200.000 sind voll. Vierhundert Dampfschiffe befahren jetzt schon den Mississippi, dessen Thalgründe sich mit jedem Jahre in wahrhaft fabelhafter Schnelligkeit mehr und mehr cultiviren.

Für uns hat St. Louis noch das besondere Interesse, daß dort vorzugsweise das deutsche Element am meisten vertreten ist. Unter den 112.000 Einwohnern sind 36.000 Deutsche, 8000 Franzosen, 10.000 verschiedene Nationalitäten, die Uebrigen eingeborne Amerikaner. Zwei deutsche Zeitungen erscheinen dort und so groß ist bereits der Einfluß unserer Landsleute, daß selbst deutsche Sitten und Gebräuche von den übrigen Bewohnern angenommen werden, während sich in andern Städten die Deutschen fast ihres Mutterlandes und ihrer Sprache schämen.

Seit dem furchtbaren Brande im Jahre 1819, der 640 Häuser, 20 Dampfschiffe und Güter im Werthe von 6 Millionen Dollars zerstörte, ist St. Louis und zwar in 18 Monaten prächtiger als je wieder aufgebaut und jetzt eine der blühendsten Städte Amerika’s. Man nennt sie mit Recht die „Königin des Westens.“ Zahlreiche Kirchen und öffentliche Gebäude im großartigsten Styl zieren die schönbepflanzten Plätze der Stadt, die mit jeder Woche an Ausdehnung zunimmt. Ihr Handel mit Bauholz, Tabak, Hanf, Mehl, Blei etc. ist sehr bedeutend, ein Hauptumstand aber, dem St. Louis seinen blühenden Zustand verdankt, ist der, daß die großen von New-Orleans kommenden Dampfschiffe nicht weiter hinauf, noch die den obern Mississippi befahrenden nicht weiter hinunter gehen, als bis nach St. Louis, so daß diese Stadt das Hauptdepot für alle Erzeugnisse des ungeheuren Mississippithales wird. Ihre Bedeutung wird eine noch größere werden, wenn die große Bahn nach Kalifornien fertig sein wird, die St. Louis ebenfalls berühren soll.