Textdaten
Autor: Therese Stählin
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Titel: So wir im Lichte wandeln
Untertitel: Worte von Frau Oberin Therese Stählin
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Entstehungsdatum: 1883-1921
Erscheinungsdatum: 1959
Verlag: Verlag der Diakonissenanstalt Neuendettelsau
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Erscheinungsort: Neuendettelsau
Übersetzer:
Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Commons
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So wir im Lichte wandeln


Worte
von Frau Oberin Therese Stählin



1959
Verlag der Diakonissenanstalt Neuendettelsau


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Inhalt


Vorwort 05
Gottesdienst, Wort und Sakrament 07
Glaube 10
Gebet und Fürbitte 13
Kreuz und Leiden 15
Heiligung 18
Gemeinschaft 23
Mutterhausdiakonie 26


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Vorwort


 Da die beiden Bändchen der Briefe unserer Frau Oberin-Mutter Therese Stählin so dankbar aufgenommen worden sind, vor allem natürlich von unseren Schwestern, aber darüber hinaus auch von vielen Freunden unseres Mutterhauses, so glauben wir als Ergänzung zu den Briefen noch eine kleine Sammlung von Worten unserer Frau Oberin-Mutter herausgeben zu dürfen. Es sind Worte, die im Schwesternunterricht und in Schwesternkapiteln von Frau Oberin-Mutter ausgesprochen und von dankbaren Schwestern nachgeschrieben und gesammelt worden sind. Sie enthalten wesentliche Gedanken über Kirche und Diakonie und über den persönlichen Christenstand. Sie werden auch der heutigen Schwesterngeneration seelsorgerlichen Dienst für ihr Leben und Arbeiten in der Gemeinde Jesu Christi tun und jeder einzelnen Schwester zur kritischen Besinnung über ihren Wandel – ob es denn ein Wandel im Lichte sei – helfen können. Dazu wolle Gott dieses schlichte Bändchen segnen.


Neuendettelsau, im Oktober 1959

Margarete Hoffmann


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 DIAKONISSENSPRUCH

Was will ich? Dienen will ich.
Wem will ich dienen? Dem Herrn in
Seinen Elenden und Armen +
Und was ist mein Lohn? Ich diene
weder um Lohn noch um Dank
sondern aus Dank und Liebe;
mein Lohn ist, daß ich darf! +
Und wenn ich dabei umkomme?
Komme ich um, so komme ich um,
sprach Esther, die doch Ihn nicht
kannte, dem zu Liebe ich umkäme und
der mich nicht umkommen läßt +
Und wenn ich dabei alt werde? So wird
mein Herz grünen wie ein Palmbaum
und der Herr wird mich sättigen mit
+ Gnade und Erbarmen +
Ich gehe mit Frieden und sorge nichts.

Wilhelm Löhe 


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Gottesdienst
Wort und Sakrament


 Wir sollen in unseren Gottesdiensten heimisch werden. Je länger je mehr sollte kein Kontrast zwischen dem Gottesdienst und dem täglichen Leben sein. Wir sollen den Gottesdienst hineintragen in das tägliche Leben; dazu dient, daß man die Gottesdienste vor- und nachbereitet. Vor allem aber nehmt es genau mit der Vorbereitung zum heiligen Abendmahl.


 Wenn wir rechte Töchter unserer lutherischen Kirche wären, müßte unser ganzes Leben ein Dankopfer sein. Es kann einer mit Gottes Wort umgehen und dabei doch ein äußerlicher Mensch bleiben, wir müssen uns in das Wort versenken, unsern Willen hergeben und das Wort umgestaltend auf uns wirken lassen.


 Es muß eine rechte Erkenntnis der Heilsgeschichte in ihrem Zusammenhang gepflegt werden. Ohne eine solche Erkenntnis kommt mir das Menschenleben recht arm vor.


 Laßt uns nur immer wieder zu Gottes Wort uns flüchten; da ist alles rein und hell, licht und klar. Da ist Weisheit und Rat und Kraft und Friede für alle Lebenslagen.


 Laßt in eurem Hause Gottes Wort das maßgebende, ausschlaggebende Prinzip sein!


|  Nur der stille Umgang mit Gott und Seinem heiligen Wort bewahrt uns vor gemeinem, gewöhnlichem Leben, wenn wir uns nicht immer neues Feuer, neues Leben vom Himmel holen, entziehen wir uns so leicht der Zucht Seines Geistes und geben unvermerkt dem natürlichen Menschen Raum.


 Ich möchte so gerne, daß es gang und gäbe bei uns wäre, das Wort Gottes gemeinsam zu betrachten. Das würde viel unnützes und böses Geschwätz abschneiden.


 Das Lesen und Betrachten des göttlichen Wortes kann nicht genug betont werden. Einsames und gemeinsames Studium der heiligen Schrift, spezielle Anleitung hierfür, das dürften sonderlich gesegnete Aufgaben in unseren Häusern sein.


 Das Wort des Herrn ist derart, daß beim Hören desselben eine Entscheidung eintreten muß, entweder ein Hingeben an den Herrn oder ein Abwenden von ihm.


 Es besteht für Christen, die lange und viel mit Gottes Wort umgehen, die Gefahr, daß sie des Schalles gewohnt und gegen die Gewalt des Wortes abgestumpft werden. Das widerfahre uns nur ja nicht! Der heilige Geist bewahre uns davor! Eine Hilfe dagegen möchte das Doppelte sein: zum ersten, wenn wir über das Wort Gottes und seine Einzelheiten fleißig meditieren, zum andern, wenn wir in unsern Seelen eine Verwunderung über Gottes Tun unter den Menschenkindern erwecken. Ja, wir müssen uns wundern lernen über das, was geschrieben steht, über das, was Gott getan hat und was Er noch tut. Nur keine Gleichgültigkeit und Stumpfheit!


|  Wer so viel Wort und Sakrament hat wie wir, sitzt dem Glück im Schoße, ohne alle Frage. Daß wir nur nicht stumpf werden, sondern uns bekehren, sonst könnte es uns gehen wie Israel.


 „Ein absolvierter Christ kann alles“, hat Herr Pfarrer Löhe gesagt. Laßt uns unsere Schultern hergeben zu Lasten, die Gott der Herr uns auferlegt! Laßt uns unser Glück hinaustragen in die Welt, daß andere durch dasselbe für Christus gewonnen werden! wir dürfen fest auf Gottes Gnade hoffen und sagen: Du hast mich absolviert.


 Ein häufiger Genuß des heiligen Abendmahls sollte und müßte uns mutig machen, frisch und fröhlich zu heiligen Lebensaufgaben. Wenn uns die Kraft zur Fröhlichkeit bei der Arbeit fehlt, dann steht es nicht richtig mit uns und unsern Abendmahlsgängen; entweder haben wir die Kraft des Sakraments gar nicht im Glauben aufgenommen, oder wir haben sie schon wieder vergeudet.


 Es kann doch so werden, daß die Seelen, welche sich vom Sakramente nähren, auch zusammenfließen zu einer betenden Gemeinschaft, die nach dem Ziele ringt und einander alles zuliebe tut.


 Aus dem Sakramentsleben und aus dem gottesdienstlichen Leben heraus soll alles angefaßt werden.


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Glaube


 Was hat Gott alles an uns getan! Nur daß wir ganz Sein würden, nur daß Er allein unser ein und alles würde.


 Gott schenke dir und mir einen tiefen Blick in Seine unaussprechliche Liebe! Ach, daß wir etwas von Seiner Liebe erfassen könnten und mit Seiner Liebe wieder lieben!


 Laßt uns immer besser die große Wohltat der Menschwerdung erkennen und für sie immerzu danken! Über aller Not der Zeit steht hoch erhaben das Eine: Gottes Sohn ist Mensch geworden! „Ein Menschensohn, der Gottes Sohn ist, hat die Zügel der Weltregierung in Seinen durchbohrten Händen“, hat Herr Pfarrer Löhe gesagt.


 Es ist etwas recht Einfaches um das Christentum: man darf sich nur für den Herrn entscheiden und Ihm anhangen. Es liegt alles am Glauben.


 Ganze, völlige Hingabe an das Herz und in die Hände Jesu, das ist Glauben, das ist Leben.


 Wie oft sind wir im Leben schon unglücklich gewesen! Aber nur, wenn wir nicht geglaubt haben.


 Habe ein rückhaltloses Vertrauen zu Gott in allen Dingen.


|  Laßt uns ernstlich bitten, daß Gott aus uns Kinder der Gnade mache, daß wir tiefer und tiefer das Wort erfassen: „Für dich und deine Sünden in den Tod gegeben.“ Dann wird alles gut sein. Aber die Gnade kann nur da ungehindert walten, wo das eigene Ich zerbrochen ist.


 Die Rechtfertigung ist ein Geheimnis, und nur wer demütigen Herzens ist, kann es erfahren.


 Alles Hangen an kleinlichen, untergeordneten Dingen hört auf, wenn unser Innenleben durchdrungen ist von dem wunderbaren Geheimnis des Friedens in Gott trotz Sündenelend und Lebensnot.


 Das kananäische Weib dachte groß vom Heiland und traute ihm Großes zu. Das sollten wir auch; von Gott klein denken, verunehrt Ihn.


 Scheinbar hart handelt der Herr mit dem kananäischen Weiblein, aber dadurch wird ihr Glaube erzogen und bricht hervor, daß selbst der Heiland sich darüber verwundert. So ist es nicht zu unserm Schaden, wenn wir harren und warten müssen. Auf einmal wird des Herrn Gnadenabsicht hervorbrechen wie die helle Sonne. Laßt uns nur glauben und vertrauen!


 Wie kann man in Freud und Leid gelassen werden? Laß nur den tiefsten Grund deines Herzens von Gott ausgefüllt sein und habe im tiefsten Seelengrunde die Eine köstliche Perle, Jesus. Dann greifen die Leiden dieser Welt nicht tief ein; sie sind dann nur wie der Wellenschlag, der die Oberfläche des Meeres in Bewegung setzt.


|  Laßt uns ganz auf die Wahrheiten des zweiten Glaubensartikels uns konzentrieren: verloren und verdammt – erlöst, erworben und gewonnen! Ist es Wahrheit, daß wir uns als verloren und verdammt erkennen, dann darf uns nichts mehr, was von außen kommt, beleidigen oder verstimmen, dann kann es uns nicht schwer werden, Sünde und Schwachheit zu bekennen. Erlöst, erworben und gewonnen – glauben wir das wirklich, dann brauchen wir in keiner Not zu verzagen: hat Er für die größte Not Rat geschafft, so wird Er auch in unsern andern Nöten Hilfe senden zu Seiner Stunde. Dann brauchen wir auch nie mehr ohne Freude zu sein; dann heißt es bei uns in jeder Trübsal: „Siehe, es hat überwunden der Löwe aus Juda.“


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Gebet und Fürbitte


 Wahrhaft beten im Namen Jesu kann nur der, welcher durch wahre Buße hindurchgegangen ist zur Gemeinschaft mit Ihm.


 Gott erhört Gebet. Es nagt oft an unsern ungläubigen Seelen wie ein Wurm, daß wir zweifeln an Gottes Erhörung. Glaubt es doch felsenfest, daß Gott kein Gebet überhört! Laßt uns heilige Beterinnen werden!


 Laßt uns alle unsere Anliegen immer wieder ans treue Gottesherz legen! Es soll nur alles, alles Gott allein machen. Daß Gott doch immer eine betende Gemeinde sieht, auch in bezug auf unsere äußeren Angelegenheiten!


 „Bete glaubend Sorgenberge ins Meer“, hat Herr Pfarrer Löhe gesagt. Es liegt doch alles am Glauben.


 Das kananäische Weiblein sei unser heiliges Vorbild. Laßt uns immer und immer um Glauben beten!


 Ihr könnt euch eine Quelle der Freude schaffen, wenn ihr mit beten helft. Die Erhörung der Gebete macht Freude. Laßt uns die Not auf uns nehmen, damit wir der Freude der Erhörung teilhaftig werden!


|  Krankheitszeit, die in die Stille führt, soll eine rechte Gebetszeit sein, und das Gebet soll vielen zugute kommen. Der ganze Himmel befaßt sich mit den Gebeten der armen, sündigen Menschen: der Vater, der Sohn und der heilige Geist und die Engel – nach der Offenbarung – auch. So sollen wir nicht gering denken von unseren Gebeten.


 Durch die Fürbitte dürfen wir teilnehmen an der Weltregierung, ja an der Welterlösung Gottes. Es verbindet nichts so wie die Fürbitte, wenn wir in der Fürbitte treu sind, so muß ein Band bleiben, auch wenn sich etwas zwischen die Seelen gedrängt hat.


 Wenn wir einem Menschen begegnen, sollten wir immer eine Fürbitte im Herzen haben; dann würde man sich nicht so kalt begegnen.


 Erbitte dir eine Freundesseele, die in allen Lebenslagen für dich betet, in allen Fällen für dich vor Gott einsteht.


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Kreuz und Leid


 Sein Name sei gelobt und geliebt, wie auch immer Seine Führungen sein mögen.


 Unsere Grundsünde ist das Mißtrauen gegen Gott. Gottes Absehen geht immer auf das Heil der Menschen und ihre Seligkeit. Es mag kommen, was da will, von Gott kommt immer nur Gutes. Es ist gut, wenn das in einer Menschenseele fest und unwandelbar ist: Gott kann es nicht böse meinen.


 Alles ist auf die Heiligung und Vollendung unserer Seelen abgesehen. Schwere innere und äußere Erlebnisse sollen uns einen Schritt vorwärts bringen, näher zu Ihm, näher zum Ziel. Alles kann in Seiner Hand zu einem Reinigungsmittel für Seine Kinder werden.


 Herr Pfarrer Löhe hat einmal gesagt: „Wenn ich gestraft werde um meiner Sünde willen und beuge mich in Buße unter die Strafe, darf ich auch die Strafe als Kreuz auf mich nehmen.“


 Gott ist ein solcher Meister, daß er auch die Sünden der Menschen zu verwenden weiß. Daraus nehmt für euer persönliches Leben, daß uns auch die Sünden, welche uns von andern widerfahren, zu unserm Besten dienen müssen, und wenn uns Leid aus denselben erwächst, sollen wir uns gern darunter beugen.


|  „Wir rühmen uns der Trübsale.“ Welch ein hohes Wort! Wir sind ja nicht so weit und müssen es einfach zugestehen. Aber es muß doch möglich sein. Die Stufe können wir wenigstens erreichen, daß wir wissen: Trübsale sind nicht Zeichen der Ungnade Gottes. „Die Palme wächset bei der Last.“


 Wir sind freilich zur Freude geschaffen, aber für diese Erdenzeit ist das Leid das Normale. Da sollten wir nicht so ablehnend uns verhalten. Der heilige Geist lehre uns die rechten Anschauungen.


 Wir sollen die Hitze der Trübsal nicht als etwas Befremdliches ansehen, mahnt der Apostel. Leid und Leben gehören zusammen. Die leidlose Freude kommt erst dort.


 Ich erkenne je länger je mehr meine Torheit, daß ich meinte, ich wollte einmal hienieden schon vom Leid ausruhen. Ich will es fassen, daß Leid und Leben zusammengehören und daß wir nicht anders Jesu Mägde sein können, als daß wir täglich unser Kreuz auf uns nehmen. Es fehlt ja doch auch nicht an Trost und Erquickung, an Gebetserhörung und Zeichen Seiner freudenreichen Nähe.


 Geduld lernt man am besten über dem Danken.


 Wenn dir etwas zu schwer wird, so sage dir laut den Spruch vor: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ Klag nicht viel bei Menschen, am wenigsten über andere Personen, aber schütte dein Herz deinem Heilande aus und glaube an Seine Liebe und freue dich Seines Trostes.


|  Allerwege hat unser lieber himmlischer Vater höhere Gedanken als wir, und wir wollen unsere Hände still zusammenlegen und aus tiefster Seele sagen: Ich traue dir. Es kommt immer so, daß wir den höheren Gedanken und höheren Wegen anbetend nachschauen. Selbst unser Heiland konnte in Gethsemane mit Seiner Bitte um Überhebung des Kelches nicht erhört werden, – aber der himmlische Vater hat Größeres gegeben und Seinen Sohn auferweckt am dritten Tage.


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Heiligung


 Jesu Wille ist es, uns zu sich zu ziehen. Aber Er tut es nicht ohne unseren Willen. Darum ist die beständige Reinigung unseres Willens die Hauptarbeit, der sich alle andern unterordnen, wir haben aber auch dafür den kräftigen Beistand des heiligen Geistes, den uns der Vater auf unsere Bitten zweifellos geben will.


 Bei all unserm Rennen und Laufen, bei all unserer Geschäftigkeit, bei allem scheinbar nur äußeren Dienst müßte das immer der Eine Mittelpunkt sein: unser alter Mensch soll sterben und der neue hervorkommen.


 Wir müssen stille Leute werden, damit wir annehmen, was der heilige Geist in seiner stillen, zarten Weise zu uns redet.


 Wir müssen mehr mit Gott allein sein, sonst umtönt und übertönt der Lärm dieses Lebens die Stimmen der Ewigkeit in uns.


 Wir würden Gottes Willen klarer erkennen, wenn wir nicht so weltförmig wären, sondern mehr im Geiste lebten.


 Daß wir uns doch nichts erlauben, was Gottes Zorn und Ungnade herausfordern könnte! Nicht wahr, wir wachen über uns, wenn Leichtsinn und Oberflächlichkeit sich bei uns einschleichen wollen, daß wir dann in die Tiefe gehen.


|  Wir müssen uns aller Genüsse enthalten, die den Verkehr mit Gott hindern können: jeder Leidenschaft, jeder maßlosen Liebe, alles dessen, was die Harmonie stört.


 Hütet euch vor der Üppigkeit! Sie fängt ganz leise an. Da gilt es, sich sehr in der Zucht zu halten. Es gibt eine mächtige Entwicklung des Bösen, wenn man nicht in den Anfängen widerstrebt.


 Wir müssen sehr auf unserer Hut sein, denn es ist ohne Frage, daß wir in der letzten, bösen Zeit leben. Es gilt sich immer zu wappnen; der Satan geht durch Breschen ein, wo wir es nicht glauben. Wir müssen recht wachen und beten und uns von Herzensgrund bekehren.


 Die scheinbar kleinsten Vorkommnisse in unserem Leben haben eine Bedeutung und Wichtigkeit. Jede einzelne Sünde stärkt das Reich des Bösen.


 Achte auf alles, auch auf scheinbare Kleinigkeiten, die dich auf dem Weg zu Gott aufhalten und in der Heiligung hemmen können.


 Alle Kleinigkeiten und Unannehmlichkeiten, welche einem Christen den Tag über begegnen, soll er hinnehmen als ein Kreuz vom Herrn und bei allem ruhig und still bleiben. Wie die Sandkörner große Meereswellen dämmen, so kann ein Christ durch tägliches Bekämpfen kleiner Sünden große Siege gegen den Satan gewinnen.


 Daß echtes Luthertum nicht ein Leben ist und erzeugt, bei dem man sich „auf die faule Haut legt“ und alles gehen läßt, wie es geht, – das zur Ehre Gottes zu beweisen, ist unsere heilige Aufgabe, an deren Lösung ein jedes Glied mitwirken soll.


|  Wenn ein Mensch sich nicht durch Schwierigkeiten hindurchkämpfen muß, reift er nicht.


 Wir wollen Gott danken, wenn Er uns in eine schwere Aufgabe und Verantwortung hineinstellt. Über derselben will Er uns erziehen und unsre Seele in die Tiefe führen.


 Es ist eine ganz andere Sache, wenn man die Verantwortung für etwas hat, als wenn man nur in die Fußstapfen treten darf. Aber was ist’s eigentlich mit unserer Verantwortung? Jesus selbst alle Tage alles in die Hände legen und auf Seine Hände schauen, das ist doch eigentlich unsere Hauptkunst.


 Laßt uns doch recht um den Freudengeist bitten, denn der Mißmut öffnet vielen Sünden Tor und Tür.


 Freude und Zufriedenheit ist ein wahres Kennzeichen der Kinder Gottes.


 Es soll kein Mensch die Verwicklungen seines Lebens auf Menschen zurückführen. Alles, was uns widerfährt, ist für uns Gottes Wille, es mag kommen, woher es will. Darum haben wir niemand etwas nachzutragen.


 Der selige Herr Pfarrer betonte sehr, daß, wenn man seine Fehler nicht in der Jugend bekämpft, sie mit dem Alter fast unüberwindbar werden. Erkennt doch eure Charaktersünde! Diese muß von euch mit aller Macht bekämpft werden jetzt, da ihr jung seid.


 Kennst du deine Schoßsünde? Ach, ich fürchte, es ist unter uns wenig Erkenntnis davon und darum noch so viel Macht des Bösen und so wenig Freiheit in der Entfaltung des Glaubenslebens.


|  Diakonissen können so gut wie andere Menschen auf einem Fleck stehenbleiben und der Reinigung ihrer vorigen Sünden vergessen. Davor bewahre uns Gott in Gnaden! Das Sakrament ist ja die größte Heiligungsquelle.


 Ich habe mich lange in meinem Christenleben bei einzelnen Sünden und Verfehlungen aufgehalten, und es ist doch vielleicht das die Hauptsache, daß die Seele das Wesen der Sünde recht erkennt.


 Oft dünkt es uns, wir möchten ja nur eine Änderung unserer Lage, weil die, in der wir uns befinden, unsern Seelen gar nicht förderlich ist. Aber das ist gewiß ein falscher Gedanke; denn was ist unsern Seelen am förderlichsten? Worin besteht der Grund und das Ende aller unserer Heiligung? – In nichts anderem als in der rückhaltlosen Hingabe unseres Willens an Gottes Willen.


 Im Heiligungsleben läßt sich nichts überspringen. Wenn man mehr scheinen will, als man ist, so nimmt man großen Schaden. Man darf von keinem Menschen eine Stufe verlangen, die er noch nicht hat; man muß da zart sein. Der heilige Geist ist wunderbar mit seinem Walten.


 Wir wollen doch alle ganzen Ernst machen mit der Nachfolge Jesu. Unsere Seelen wollen wir in Händen tragen und sorgen, daß sie errettet werden. Dadurch werden wir am besten befähigt, für das Seelenheil unserer Umgebung zu sorgen.


 Es wolle sich jede von euch die Gnade erbitten, daß ihr wenigstens einer Seele, vielleicht auch vielen, dürftet Wegweiser zum ewigen Leben werden. Wer von uns Frieden gefunden hat, der muß ein heißes Verlangen haben, auch andern noch friedlosen Seelen zum Frieden zu helfen.


|  Es ist immer gut für den Menschen, wenn er mit einem neuen Abschnitt im Leben einen neuen Anfang machen kann. Darum hat Gott in Seiner heiligen Pädagogie so viele Abschnitte geordnet und läßt nicht einförmig Tag an Tag sich reihen.


 „Betrübt nur die Engel nicht, denkt oft daran, daß ihr im Angesicht der Engel lebt“, hat einmal Herr Pfarrer Löhe an einem Engeltag gesagt.


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Gemeinschaft


 Das Zusammenleben, wenn es in Frieden vollführt werden soll, fordert einen großen Verzicht der Einzelnen. Diesen Verzicht kann die Natur nicht leisten, dazu muß man ein Kind der Gnade sein.


 Gemeinsames Leben hat immer seine Schwierigkeiten. Das wissen wir reichlich. Die Arznei dagegen ist: untertan sein, das eigene Interesse zurücktreten lassen. Man muß den Blick und die Freiheit für andere bewahren. Es ist so wichtig, daß wir lernen, auch andere hervortreten zu lassen.


 Wir sollen uns doch ja nicht untereinander überheben. Darüber laßt uns recht wachen, wer den letzten Platz gern einnimmt, ist voller Glück und Frieden. Die rechte Vornehmheit geht mit dem geringsten Dienst zusammen. Wenn ihr das doch in der Stille mit Gott ausmachtet, daß ihr niemals nach einem höheren Platz trachten wollt, so wäre das sehr gut.


 Um eines andern Last tragen zu können, muß man nicht viel aus der eigenen Last machen und muß eine freie, feinfühlende Seele haben.


 Wie bringen wir es dahin, daß wir gute Gedanken im Herzen pflegen? Unsere Unterhaltungen drehen sich meistens um Personen, und dahinter versteckt sich der Teufel. Warum immer die Leute sezieren? Besprecht mehr objektive Dinge!


|  Sät nie Zwietracht durch spitzige Reden, denn das ist etwas Finsteres. Steht auf der Seite des guten Geistes und habt das Ziel im Auge! Das erfordert Wachsamkeit und Zucht. Gottselige Seelen werden immer schweigsamer.


 Es gibt eine Wollust der Kritik; wir wollen sie nimmer leiden. Durch das Anhören macht man sich der Sünde ebenso teilhaftig wie durch das Reden. Es sollte mehr Strenge, Mut und Freiheit dagegen unter uns sein, – und wenn es dann auch zur Scheidung käme, was Jakobus sagt: „Wer seine Zunge nicht im Zaum hält, des Gottesdienst ist eitel“, können wir uns nicht ernst genug gesagt sein lassen.


 Oft ist es freilich recht schwer, einem Menschen zu sagen, was man gegen ihn hat oder was man nicht recht an ihm findet. Aber wir wollen uns gegenseitig nicht schonen, sondern Gott bitten, uns die rechte Art und Weise zu schenken, daß wir uns gegenseitig in Liebe und Wahrheit sagen, was nötig ist.


 Daran kann man einen Christenmenschen erkennen, daß er einen Tadel aufnimmt. Wo unsere schwache Seite liegt, sind wir sonderlich blind. Laßt uns für jeden Tadel offen sein; etwas Wahres ist immer an dem, was uns gesagt wird.


 Es muß uns eine Lust sein, zu vergeben. Das ist eine adelige Seele, die so von Herzensgrund vergibt, daß nichts zwischen ihr und der um Vergebung bittenden Seele bleibt.


|  Wir müssen die Menschen mehr ansehen als Davoneilende. Wie sollen wir dann noch den Mut haben, einem Menschen wehe zu tun! Das Leben ist so ernst. Laßt uns nicht viel rechts und links schauen, sondern immer das Schwert gegen das eigene Herz kehren und unsere Seele in die Buße führen lassen!


 Der Wert, den eine einzige Menschenseele vor Gott hat, müßte uns vor vielen Härten und Lieblosigkeiten im Verkehr miteinander behüten.


 Der Wechsel und Wandel in der Gesinnung eines Menschen kann einem sehr wehe tun. Dies Herzeleid sollten wir doch niemandem antun. Vom Heiland heißt es: „Er liebte sie bis ans Ende.“ Wenn wir angefangen haben zu lieben, dann sollten wir auch durchlieben bis ans Ende.


 Wenn wir einmal nichts anderes mehr können, keinerlei Arbeit mehr leisten können, dann können wir immer noch lieben. Ach, daß wir lieben könnten, wie es Ihm gefällt!


 Die Bildung eines Menschen zeigt sich darin, daß er nicht viel Wirtschaft um seine Person macht.


 Wir wollen doch nach schöner, edler Bildung streben; die Bildung erleichtert sehr das Gemeinschaftsleben. Bildung ist ja die Einbildung in Jesu Bild. Nichts Gemeines darf sich in unsern Verkehr mischen. Wir wollen es unter uns stets adelig zugehen lassen. Adelig in der Gesinnung laßt uns sein!


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Mutterhausdiakonie


 Unser Diakonissentum soll sich als eigenstes Gewächs unserer lieben lutherischen Kirche ausgestalten. Damit hängt aber aufs innigste zusammen, daß wir Schwestern alle wahrhaftige, lebendige Glieder unserer Kirche sind, die das Kleinod der Reformation hochhalten und an sich erfahren haben, was es um die Schrecken der Sünde und um den Frieden der Vergebung ist.


 Das Ziel aller Lebensführungen ist das eine, daß wir lernen, was Gnade ist. Das ist die Aufgabe jedes Christen, aber eine Aufgabe von Diakonissen ganz besonders, denn wir wollen Dienerinnen, Arbeiterinnen Jesu sein. Nur wenn wir gelernt haben, umsonst zu empfangen, können wir umsonst geben und recht dienen. Damit wir zu mehr innerer Kraft kommen, müssen wir die Lehre von der Rechtfertigung aus Gnaden immer mehr und tiefer erfassen.


 Haben wir wirklich Frieden gefunden mit Gott, so wird uns die Dankbarkeit treiben, in einem heiligen Leben und guten Werken die Frucht dieses Friedens zu schaffen. Der Dank muß uns treiben, auch andern zu sagen, wo das Geheimnis des Glückes liegt. Aber das sollen wir in aller Stille tun, und der Herr wird auf das absichtslose, unbewußte Werben Seinen Segen legen.


 Wir Schwestern sind nicht etwas Besonderes, sondern wir sind nur arme Sünder; aber unser Beruf ist doch etwas Besonderes, den sollen wir hochhalten.


|  Es ist ein Unterschied zwischen den jetzigen Zeiten und den früheren. Früher war mehr das Verlangen, die eigene Seele zu retten und zu bergen, ausschlaggebend bei der Entscheidung für den Eintritt ins Mutterhaus. Jetzt dagegen will man arbeiten. Man hat es früher auch gewollt, aber jetzt tritt es viel mehr in den Vordergrund. Daß diese Unterschiede ausgeglichen werden, kommt mir als das größte Problem vor. Es ist gut, daß so viel geleistet wird, denn es ist jetzt eine neue Zeit auch für die Diakonie gekommen; aber die Gefahr ist, daß die Arbeit die Sorge um das ewige Heil überwuchert. Daß nur nicht den Einzelnen Abbruch an der eigenen Seele geschieht vor lauter Sorge um die Arbeit!


 Es soll uns ein heiliges Anliegen sein, die großen Gedanken zu pflegen, damit die kleinlichen Dinge von selbst schwinden.


 Wir wollen nicht wanken und weichen von dem, was unsere Väter froh und frei gemacht hat, und wollen uns hüten, im Außerordentlichen ein Genüge zu finden. Das, was Gott uns als einfache Pflicht auferlegt, wollen wir treulich tun, dahinein unsere Liebe legen und in beständigem Gebetsumgang mit unserm Herrn leben.


 Wir müssen Gott dienen in dem, was Er uns zunächst in die Hände gibt, in der Arbeit, die vor uns liegt; es ist immer Betrug der Sünde, wenn wir mit dem Flug der Seele hoch hinaus wollen.


 Es ist den Mutterhäusern eine Aufgabe ganz besonderer Art gestellt: die Zusammenfassung verschiedenster Elemente, die bei ihrem Eintritt auf die verschiedensten Lebensführungen zurückblicken. Sie sollen nun alle durch| den einen großen Gedanken geeint werden, daß sie „ihre Leiber begeben zum Opfer, das da lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei“.


 Es ist mit einer Genossenschaft wie mit einem Einzelleben: es hat seine Kinderzeit und die reifen Jahre. Aber ich möchte nicht, daß bei uns schon das Greisenalter angefangen hätte; es soll nicht kommen. Wir wollen jung bleiben und suchen, daß auch andere jung bleiben können.


 Es vertiefe sich jedes Haus in seine eigene Geschichte und lasse die Heimsuchungen und Gnadenerweisungen, durch die es gegangen ist, immer neu auf sich wirken. Fest gewurzelt im eigenen Boden, so kann man die Führungen anderer Häuser liebend verfolgen und manches von außen her nutzbringend verwerten.


 Nichts soll euch zu viel sein, was den Zusammenhang mit dem Mutterhaus festigt.


 Die Genossenschaft ist doch kein leerer Name. Wir wollen sie lieben, tragen, für sie beten, mit ihr leiden und zu ihr gehören in alle Ewigkeit.


 Je größer unsere Schwesternschaft wird, desto mehr Gefahren können uns drohen, aber desto fester und inniger soll unser Zusammenschluß sein. Niemand soll sich einsam fühlen, eine jede soll eine glühende Kohle haben, an der sie sich aufs neue erwärmen kann, wenn ein erkältender Hauch ihr naht. Aber vor allem laßt uns recht treulich den Gebetsverkehr mit unserem unsichtbaren Freunde pflegen und durch Sein teures Wort immer wieder Luft aus der ewigen Welt atmen!


|  Das feste, unwandelbare Zusammenhalten sollte man bei uns nicht vergeblich suchen. Sind wir eine Genossenschaft, so laßt uns auch leben als eine solche.


 Manche streben darnach, sich zurückzuziehen, sich abzusondern, weil das Genossenschaftsleben uns Schranken und Rücksichten auferlegt, die dem alten Menschen nicht gefallen. Ich möchte euch flehentlich bitten, daß ihr euch als ein Ganzes fühlt.


 Unsere Aufgaben, in der Tiefe erfaßt, sind ernst und schwer. Wieviel selbstsüchtiger Genuß wird noch von uns gesucht! Wieviel naschen wir noch herum und probieren, was uns behagen könnte, statt daß wir das ernste Wort in uns aufnehmen: „Wer nicht absagt allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein.“


 Der Diakonissenberuf beansprucht den ganzen Menschen; er muß die ganze Seele füllen.


 Die Diakonisse sei allezeit Diakonisse, wo immer sie sein mag.


 Werdet rechte „Zentrumsschwestern“, bleibt nicht „peripherische“! Begnügt euch nicht damit, eure Zugehörigkeit zum Mutterhaus durch allerlei Interesse an Tagesneuigkeiten zu bekunden, sondern faßt die Aufgaben in der Tiefe und nehmt die Verantwortung für das Ganze mit rechtem, starkem Mut auf euch!


 Laßt uns durch unser Vorhandensein werben! Laßt uns eine Macht des Guten werden, die ohne Worte unser Geschlecht zur Nachfolge reizt!


|  Nicht wahr, ich darf es doch von euch allen erwarten, daß niemand im Diakonissentum gute Tage haben möchte. Das ist etwas Ordinäres, wenn jemand nicht auch die Mühsal des Lebens auf sich nehmen mag. Es hat mir jemand geschrieben, im Diakonissentum habe man es zu leicht und zu schön. Das hat mir viel zu denken gegeben. Aber es kann sein, daß das sorgenfreie Leben im Diakonissentum vielen, welche nicht auch die Verantwortung auf sich nehmen, die Versuchung nahe treten läßt, die Dinge im Diakonissentum zu leicht zu nehmen.


 Herr Pfarrer Löhe sagte einmal: „Ihr Schwestern von Dettelsau, es sind euer zu viel.“ Er erzählte dann die Geschichte von Gideons Kampf mit den Midianitern und meinte: „Wer blöde und verzagt ist, kehre um!“ Und alle, die mit Bequemlichkeit „aus dem Bache trinken“, die das Gemach des Lebens suchen, die sollen weggehen. Nur die mit heiligem Mut und heiliger Entsagung angetan sind, können den Streit führen gegen Midian.


 Herr Pastor v. Bodelschwingh sagt: „Die Schürze, die Schürze ist das entscheidende Merkmal!“ Er meint damit, ob der Dienegeist vorhanden ist. Jesus ist der gehorsame Knecht geworden, und wer Ihm gehören will, muß im Gehorsam sich bemühen.


 Der innerste Kern unseres Dienens ist der, die Seelen anderer zu gewinnen. Bittet doch Gott, daß Er es euch schenke, eine Seele fürs ewige Leben zu retten, damit, wenn ihr hinaufkommt, jemand da ist, der auf euch zukommt und sagt: Du hast mir geholfen zum ewigen Leben.


 Ihr werdet alle mit mir darin übereinstimmen, daß Arbeiten und Dienen bei gesundem Leibe weit leichter ist, ob auch der Beruf schwere Lasten auferlegt, als unter Leibesnot| stille zu werden und sich selbst dienen lassen zu müssen. Aber laßt uns lernen in allem den Willen Gottes zu ehren und in Geduld Seiner Hilfe zu warten. Es ist das Zeichen einer rechten Diakonisse, nicht daß sie große Taten tut, sondern daß sie dem Sohne Gottes nach Gehorsam lernt.


 Ach, daß wir uns zusammenschließen möchten zur Übung wirklicher Barmherzigkeit! Wir wollen uns eine freundliche Art erbitten, des Heilands Art annehmen, nie gegen einen Armen hart sein; das schreit zu Gott. Laßt uns immer in den Elenden das Bild Gottes sehen. Ungestraft sagt niemand ein hartes Wort. Vielleicht nimmt es der Herr mit keiner Sünde so genau wie mit der Unbarmherzigkeit. Welch ein Widerspruch ist es auch, wenn die, welche dazu da sind, das Elend zu lindern, unbarmherzig sind. Laßt uns alle Unbarmherzigkeit abtun! Das barmherzige Herz müssen wir uns schenken lassen. Aus dem Sakrament muß ein Leben der barmherzigen Liebe fließen.


 Herr Pfarrer Löhe pflegte immer zu sagen: „Was man nirgends mag, das muß man in Dettelsau mögen.“ Je verkommener und hilfsbedürftiger die Menschen sind, die uns anvertraut werden, desto lieber müssen wir sie haben, und wir dürfen es auch nicht ungebeichtet lassen, wenn wir einmal roh und unbarmherzig gewesen sind.


 Die eigentliche Diakonisse erkennt man daran, wie sie mit ihren Mitschwestern verkehrt, ob sie ihnen gerne dient und ihnen gegenüber gerne zurücktritt. Seid nicht nur barmherzig gegen eure Pfleglinge, sondern übt Barmherzigkeit auch an euren Mitschwestern!


 Ach, nur recht barmherzig sein! wir verstehen so wenig von dem Seelenleben anderer.


|  Ach, es sollten alle Schwestern als Friedensbotinnen durchs Land ziehen! So würden sie ihren Beruf recht erfüllen.


 Macht es eurem Mutterhaus niemals schwer, wenn es einen Wechsel gibt. Ich möchte so gern, daß ihr ein hochherziges Geschlecht würdet, ein weites, freies Herz und eine offene Seele hättet und – Mut. „Das Ständige ist viel mehr dem Verderben ausgesetzt als das Nichtständige“, hat Herr Pfarrer Löhe gesagt. Es muß ein frischer Geist wehen; wir müssen immer auf unserer Hut sein, daß wir nicht schläfrig werden. Laßt nur keinen Schlendrian unter uns einreißen, weder in unserm inneren Leben noch in unserem äußeren, weder im Berufs- noch im Gemeinschaftsleben.


 Wir sollen mit Freuden überall hingehen, wohin wir gesendet werden, und denken: Der liebe Gott hat mich hieher gesandt; wohlan, ich will Ihm hier mit Freuden dienen.


 Nehmt unsere Sache mit heiligen Händen, mit zitternden Händen, möchte ich sagen; es ist eine heilige Gottespflanzung, um die ein Kampf in der Luft ist. Wehe uns, wenn wir nur den kleinsten Finger hergeben, um Zwietracht anzurichten! Ich möchte so gern, daß ihr unsere Sache recht in euer Herz nehmt. Da müßte unsere Person ganz in den Hintergrund treten. Ich meine auch so: wenn es sich um einen Berufswechsel handelt, sollen wir denken: Wenn nur die Sache gefördert wird!


 Im Grunde wurzeln alle Sünden in der Selbstsucht. Diese darf sich bei einer Diakonisse nicht ausleben. Ihr Beruf, wenn sie ihn richtig auffaßt, muß sie davor schützen. Um alles in der Welt, ihr hängt doch an nichts! Hast du| noch ein Schächtelchen, an dem du mit der ganzen Zähigkeit deiner Seele hängst? Dann wirf es morgen fort!

 Und noch eins: wir wollen auch nicht unnötig Geld ausgeben, wollen alles, was wir übrig haben, opfern.


 Wir dürfen uns nichts, gar nichts zum Abgott werden lassen, auch unsern Beruf nicht, auch unser Mutterhaus nicht.


 Werdet recht maßvoll! Es ist etwas so Schönes um einen maßvollen Menschen.


 Kindererziehung ist in erster Linie Kniearbeit, wie jemand gesagt hat. Eine Schwester, die es nicht versteht, mit herzlichem Flehen und mit brünstiger Liebe für ihre Kinder die Kniee vor Gott zu beugen, wird wenig erreichen, was für die Ewigkeit Bedeutung hat. Aber auch für ein nützliches Leben in der Zeit sollen die Kinder erzogen werden, und dazu ist viel Treue und Weisheit nötig. Vor allen Dingen muß die treueste, gewissenhafteste Aufsicht geführt werden, und doch soll kein enges, gesetzliches Wesen und kein beständiges Hofmeistern den Kindern alle Luft und Freude am Leben verderben. Die Kinder müssen sich vor der Erzieherin geben dürfen, wie sie sind, und doch muß sie auch ihr wandelndes Gewissen sein. Da studiere dran! Erzieh ums Leben keine Heuchler, aber laß Dir auch die Autorität schenken, der gegenüber die Kinder wissen, daß von einem bewußten Ungehorsam absolut keine Rede sein darf, der sie sich unter allen Umständen beugen und fügen müssen. Die Gewöhnung an Ordnung und Reinlichkeit erfordert einen fortwährenden Kampf, aber der muß mit eiserner Konsequenz und großer Geduld gekämpft werden.


 Lieblinge der Schwestern sind oft geradezu verdorben worden, und die Schwester hat sie auf dem Gewissen.


|  Junge Erzieherinnen, die keine Erfahrung haben, sind beim Geschäft der Erziehung immer gleich mit Strafen bei der Hand. Die Erfahrung weiß, daß man der Strafe nicht ganz entbehren kann, aber sie muß mit viel Überlegung und immer so gehandhabt werden, daß das Kind die tiefe Liebe durchmerkt. Eine Strafe, mit kaltem Herzen verhängt, reizt zum Zorn, und das verbietet das göttliche Wort.


 Auch besteht eine Hauptweisheit der Erziehung darin, vor Unarten zu bewahren. Die geschickte Hand, das verständige Wort, das liebreiche Herz der Erzieherin kann gar manchen Ausbruch von Ungezogenheit abwenden.


 An Kindern arbeiten ist doch eigentlich der süßeste Dienst. Kinder sind etwas Entzückendes in der Welt, und du kannst täglich Studien darüber machen, warum wir werden sollen wie die Kinder.


 Es überwältigt mich oft der Gedanke, was für eine Last und Sorge und Verantwortung auf unsern Oberschwestern liegt. Von ihnen geht der Ton im Hause aus. Die Oberschwester hat eine bestimmende Macht. Herr Rektor Meyer hat einmal gesagt: „Wer unserm Hause etwas Gutes tun will, bete um rechte Oberschwestern.“ Gott hat das Gebet nicht unerhört gelassen, und wenn ich die späteren Zeiten mit den früheren vergleiche, muß ich Gott für vieles danken. Aber es muß noch vieles besser werden, und ich fordere die ganze Genossenschaft auf, daß sie die Bitte vor den Herrn bringe, Er möchte uns immer leiten, daß wir die rechten Persönlichkeiten auf die rechten Posten setzen. Ich darf sagen, daß ich das oft in des Herrn Jesu Hände lege. Wie müßte die Stellenbesetzung einen Menschen bedrücken, wenn er nicht wüßte, daß Gott alles in die Hand nimmt!


|  Mehr als durch Sprechen und Beraten wird der Diakonissensache gedient werden durch ernstes, gemeinsames Beten.


 In den ersten Jahren unseres Hauses war bei allen sonstigen Unvollkommenheiten eine heilige Begeisterung da. Jetzt, da alles viel mehr geebnet ist, schleicht sich leicht ein Behagen ein, das uns lähmt im freudigen Dienst. Ich möchte so gerne, daß ein Geschlecht unter uns aufwüchse, welches fröhlichen Herzens und starken Glaubens ist.


 Wird dir deine Arbeit langweilig? wenn es so ist, ist es Sünde. Unser Beruf darf uns nicht langweilig werden, sonst tun wir ihn nicht Jesu zu lieb. Wir müssen alle Tage wieder mit demselben Interesse, mit derselben Freude und mit demselben Eifer an die Arbeit gehen. Damit man die Freudigkeit behält, muß man den Blick auf die zukünftige Herrlichkeit richten.


 Was Gott selbst in den Menschen gelegt hat, also auch das wahrhaft menschliche Bedürfnis der Freundschaft, soll im Diakonissentum nicht unterdrückt und bekämpft, sondern nur geläutert und geheiligt werden. Wir wollen in unseren Häusern eine geheiligte Natürlichkeit erstreben, pflegen und erbitten.


 Wenn im Diakonissentum Freundschaften gesucht werden, die der Selbstsucht dienen, gibt es ein Unglück. Solche Freundschaft schlägt in das Gegenteil um. Leidenschaft ist etwas anderes als Freundschaft. Freundschaft darf nicht exklusiv sein; rechte Freundschaft muß auch der Genossenschaft dienen.


|  Ich weiß und habe es von dem erfahrenen Seelsorger, Herrn Pfarrer Löhe, in mich aufgenommen, daß manche Menschen ihr Leben lang am Gängelband bleiben müssen und nie dazu kommen, daß sie eine Führung übernehmen können. Die sollen sich doch in Demut unterordnen. Wer von Natur zum Anlehnen an andere gemacht ist, kommt leicht auf eine falsche Bahn, wenn er allein stehen will.


 Ferien sind dazu gegeben, daß die Diakonisse mit Gott allein ist und ihr Verhältnis zu Gott in Ordnung bringt. Darum sind wir so schwach, weil wir es mit der Pflege unseres inwendigen Lebens nicht genau nehmen.


 Wir müssen darauf halten, daß jedenfalls ein Teil der Ferien im Mutterhaus zugebracht wird. Es ist kein gutes Zeichen für eine Schwester, wenn das Mutterhaus etwa nur eilenden Fußes besucht wird und Begrüßung und Abschied fast ineinander fließen, so daß von einem Eingehen und tieferen Versenken in die Gedanken, welche das Mutterhaus bewegen, gar nicht die Rede sein kann.


 Eine richtige Diakonisse vergißt auch während der Ferien nicht, welch ein kostbares Gut die Zeit ist, welch ein Kapital uns in ihr anvertraut ist, das wir bewuchern sollen.


 Sammlung und Stille, ernste Selbstprüfung, rückhaltloses Aussprechen, Rat und Antwort erholen für manche Fragen, die im Laufe des Jahres aufgetaucht und nicht geklärt worden sind: das ist es wohl, wozu die Ferien dienen sollen.


 Niemand kehre aus dem Mutterhaus ungetröstet zum Beruf zurück! Jede Schwester ziehe reichlich gestärkt fröhlichen Herzens von dannen. Diese Freude wird auch die eigentliche Werbekraft für andere bilden.


|  Ihr müßt im späteren Leben die Kohlen anfachen und immer wieder die erste Liebe erwecken und ja nicht in das alltägliche Leben versinken.


 Ich finde es doch ganz schön, alt zu werden, und das Alter ist mir doch leichter, als mir meine Jugend gewesen ist. Ich habe so viel erfahren; wenn ich jetzt in den Nöten verzagen wollte, wäre die ganze Arbeit Gottes in meinem Leben umsonst gewesen.


 Man soll die alten Korrespondenzblätter recht studieren. Wie viel Weisheit ist darin niedergelegt!


 Es ist in mir so ein Sehnen und Verlangen, Dettelsau möchte auch in künftigen Zeiten ein Bergungsort sein.


 Laßt uns beten, daß der Herr bei Seinem Dettelsau bleibe, bis Er kommt!


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Unser Hauspsalm


Ein Lied im höhern Chor.
Ich hebe meine Augen auf zu dir, der du im Himmel sitzest.

Siehe, wie die Augen der Knechte auf die Hände ihrer Herren sehen, wie die Augen der Magd auf die Hände ihrer Frau, also sehen unsere Augen auf den Herrn, unsern Gott, bis er uns gnädig werde.

Sei uns gnädig, Herr, sei uns gnädig, denn wir sind sehr voll Verachtung.

Sehr voll ist unsre Seele von der Stolzen Spott und der Hoffärtigen Verachtung.

Psalm 123